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Wohin der Dialog uns führt -

wieso "Konfrontationen" mit dem WEF nix bringen?

antiwef-media
Am Montag, 2.7.2001 haben die Damen und Herren des WEF - nicht ganz uneigennützig - ihre gläserne Burg verlassen, um dem "gemeinen Volk"- vertreten durch die reformistische Gruppierung ATTAC - Rede und Antwort zu stehen.

Dieses Gespräch ist nicht das Erste, das zwischen NGO's und WEF stattfand: das WEF weiß um die Notwendigkeit, sich demokratische Legitimation und ein positives Bild in der Öffentlichkeit zu verschaffen - aus diesem Grund benutzt es vor allem namhafte NGO's, die meinungsbildend auf die Bevölkerung einwirken. Auf dem Davos-Gipfel 2001 gab es einen eigenen Workshop mit dem Titel: "From diatribe to dialogue" - wer in diesen Dialog eintreten "darf", wird vom WEF vordefiniert:

"We should listen to responsible protest, but not to the fringe groups who only crave the spotlight." WEF Managingdirector Claude Smadja (fussnote 3)

So wird ein Bild des "guten" und "dialogbereiten" WEF mithilfe der NGO's suggeriert und die Absichten des WEF deutlich: die nicht-verwertbaren Gruppierungen (MinderheitenvertreterInnen, kleine Gruppen mit geringem Medienecho, nicht reformistische Gruppen...)werden aus der Diskussion ausgeklammert und auch noch der Mediengeilheit bezichtigt.

Doch wo wirklich Mediengeilheit zuhause ist, zeigte sich sowohl in Davos als auch in Salzburg, wo immer wieder Artikel, Interviews oder Personendarstellungen von WEF-Mitgliedern erschienen, die der Institution ein positives Image verschaffen sollten (Bürgernähe und so). So wurden in Davos 2001 VertreterInnen von ca.50 NGO's eingeladen, die Zugang zu den meisten Debatten hatten und auch auf den RednerInnenlisten zu finden waren. Einige der eingeladenen NGO's blieben jedoch fern, teilweise, weil sie nicht mehr dazu missbraucht werden wollten, dem WEF Legitimation zu verschaffen, teilweise, weil Erfahrungen aus dem Vorjahr an der Sinnhaftigkeit zweifeln ließen.

"I was in Davos last year and believe me, Davos is not worth a second visit." Walden Bello, Direktor von "focus on the global south" (fussnote 3)

Für das World Social Forum in Porto-Allegre, das zeitgleich mit dem Davos-Gipfel 2001 stattfand, hatten die "global leaders" jedoch keinen Groschen übrig.

Um NGO's und Öffentlichkeit zumindest teilweise zufrieden zu stellen, werden immer wieder sozialverträgliche Scheinabkommen unterzeichnet, die entweder keinerlei Verbindlichkeiten enthalten oder einfach - fast immer ohne Konsequenzen - nicht eingehalten werden. So wurde in Davos 2000 von Kofi Annan, seines Zeichens General-Sekretär der UN, ein "global compact" vorgelegt, der neun Basis-Prinzipien, im Wesentlichen großen UN-Abkommen entnommen, rund um die Themen Arbeit, Umwelt und Menschenrechte enthält. Dieser Vertrag war erst im zweiten Anlauf "erfolgreich", nachdem von der UN versichert wurde, dass das Abkommen nicht verbindlich sei. Daraufhin waren auf einem Schlag 300 TNC's (TransNational Corporations) mit dem Füllhalter zur Stelle - darunter auch der Konzern Nike.

Bei einer Pressekonferenz im Mai 1998 stellte der Konzern Nike sein 12-Punkte-Programm vor, eine genialer Schachzug, um die von den NGO's geforderten Maßnahmen durch eine soft-version zu entkräften und somit zurückweisen zu können. Ein Punkt in diesem Programm betraf z.B. Kinderarbeit - die Lösung liegt jedoch nicht darin, das Mindestalter der Kinder hinauf zu setzen (mind. 18 Jahre für Schuhfabrik, mind. 16 für Bekleidungsindustrie) solange den Eltern zu wenig bezahlt wird, um ihre Familie ernähren zu können. Diese einzelne Maßnahme würde letztlich nur dazu führen, Kinder in andere - oft schlimmere - Branchen abzudrängen.

Auch das 3.Prinzip des "global compact", das das Recht auf gewerkschaftliche Vereinigungen garantieren soll, und von Nike schon einmal 1997 proklamiert wurde (Fair Labor Association) wurde fortgesetzt missachtet. 41% der Schuhe von Nike werden in China hergestellt, wo ein autoritäres System die Gründung gewerkschaftlicher Vereingungen verbietet. Nun könnte mensch sagen, Nike habe keinen Einfluss auf die chinesische Regierung, mensch darf dabei jedoch nicht außer Acht lassen, dass Nike durch Lobbying massivst daran beteiligt war, in der Clinton-Ära wirtschaftliche Sanktionen der USA gegen China zu verhindern, die die Rechte der ArbeiterInnen einforderten.

Obwohl zahnlos, sind diese Verträge für die TNC's von immenser Bedeutung, zum einen, um KonsumentInnen zu beruhigen, und zum andern, um Forderungen der KritikerInnen nach Regelungen zurückweisen zu können.

Inhaltsleere dominierte auch die "Konfrontation" zwischen WEF-VertreterInnen und ATTAC. Die ReformistInnen von ATTAC (Action pour une Tax Tobin d'aide aux citoyens) treten hauptsächlich für die Einführung der Tobin-Steuer und weiters überhaupt für eine Demokratisierung der Finanzmärkte ein. Die Tobin-Steuer wurde Ende der 70er-Jahre von James Tobin vorgeschlagen, und bezeichnet eine Steuer in der Höhe von 0.1% auf international spekulative Kapitalflüsse. Dieser Versuch, den Kapitalismus politisch zu regulieren, ist jedoch von vornherein zum Scheitern verurteilt, denn als Lösung werden Institutionen wie die EU angegeben, die eigentlich eine maßgebliche Trägerfunktion im Prozess der ökonomischen Globalisierung innehat. Während libertäre Strömungen dem Nationenbegriff bei der Lösung dieser Probleme keine Gültigkeit zugestehen, setzen ATTAC weiter auf diesen prekären Begriff und die Arbeit einzelner Regierungen in Bündnissen. ATTAC unterstützte die Aufrufe zur Demonstration nicht und distanziert sich von "gewaltätigen" Ausschreitungen, wobei auch das Argument, dass ATTAC der "eigentliche" Globalisierungsgegner sei, ab und zu auftaucht.

So war die Veranstaltung am Montag, deren Ausgang von vornherein feststand, geprägt von einem elitären Charakter. Der Rahmen der Veranstaltung war restriktiv durch Redezeitvergaben eingeschränkt, wodurch Fragen aus Zeitmangel teilweise unbeantwortet blieben und Positionen viel zu kurz diskutiert werden konnten. Das offensichtliche Desinteresse der beteiligten WEF-Mitglieder, die auf die "Konfrontation" nicht nur nicht eingingen, sondern sich teilweise weigerten, zuzuhören, oder durch pampige Zwischenbemerkungen KritikerInnen unterbrachen, steuerte zusätzlich zu einer Atmosphäre bei, die in ihrer Form die oberflächlichen Inhalte reproduzierte. Eine Diskussion über die Ereignisse am Vortag, wurde a priori verweigert.

Die Rahmenbedingungen waren dergestalt, dass jeweils einE VertreterIn wechselweise von ATTAC und WEF ihre Positionen im Fünf-Minuten-Modus referierten, um sodann drei Minuten Zeit zu haben, aufeinander einzugehen - und schon ging's zum Lustigen Frage-und-oops-die-Zeit-ist-aus-und-keine-der-gestellten-Fragen-kann-mehr-beantwortet-werden-Veranstaltungsteil.

Von vornherein sowieso bekannte Positionen wurden nur affirmiert, weder überdacht noch inhaltlich diskutiert, und führten den sowieso halbherzig verstandenen Begriff des Dialogs ad absurdum.

Die offensichtliche Quintessenz aus dieser Veranstaltung war, dass ein Reformversuch des WEF von ihm selbst innerhalb einer kapitalistischen Wertegesellschaft diktiert und gelenkt wird - aus dem Grund ist er auch nicht reformierbar. Jeder Dialog mit diesem hierarchischen Ökonomiekonstrukt muss demnach von vornherein scheitern.

Aus diesem Grund ist die Anti-WEF-Koordination nicht gesprächsbereit (von dem einmal ganz abgesehen, dass wir sowieso zu keinem Dialog geladen werden würden) sondern versucht durch direktere Artikulations- und Kommunikationsformen Selbstbestimmung generell einzufordern. Unser Protest beinhaltet das Ziel eines gleichberechtigten Zugangs zu Ressourcen und Information. Wir versuchen in unserem Agieren und unserer Organisationsform bereits herrschaftsfreie Utopie zu leben. Wir stellen uns gegen eine Gesellschaft, die auf Hierarchie und Herrschaft fußt. Den Staat als Rahmen kapitalistischen Agierens lehnen wir genauso ab wie die neue Institutionalisierung der kapitalistischen Ausbeutung durch WEF, IWF, WB oder WTO. Unsere Antwort darauf ist unser Protest, ist das eigene Agieren. Wir verlassen uns nicht auf Parteien oder eine Lobby, sondern formulieren unsere Kritik eigenständig, gemeinsam und unüberhörbar. Wie diese Kritik und der Protest im Konkreten aussieht, liegt an jenen, die ihn formulieren. Beim gemeinsamen Widerstand sollen die unterschiedlichen Zugänge teilhaben können, die verschiedensten Aktionsformen nebeneinander Platz finden und der Kreativität keine Grenzen gesetzt sein.
Quellen:
1. >>>www.globalexchange.org/economy/corporations
2. >>>www.corpwatch.org/un/updates/2001/nike.html
3. >>>www.xs4all.nl/~ceo/observer8/wef.html
 

aus TATblatt Nr. +170 vom 19. Juli 2001 (22.Jahrestag der Revolution in Nicaragua)
 
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