Wunderwelt der Technik
Folge 8: Die Maschine
Maschinen werden gehaßt oder geliebt. Dazwischen scheint es keinen Platz zu geben. Bemerkenswert ist zudem, daß sich Liebe oder Haß von Maschinen nicht nach dem Schema Links oder Rechts einordnen läßt. Für jene, die Maschinen lieben, ist es kein Problem, den Fortschritt, den diese ihrer Meinung nach bringen, selbst wenn er vom bekämpften Gegner erbracht wurde, neidlos anzuerkennen. Andererseits sind die wahren FeindInnen der MaschinenliebhaberInnen die MaschinengegnerInnen, egal von welcher politischen Richtung. Selbstverständlich ist es staatlich verboten, die Maschine nicht zu mögen. Verboten ist jedoch nicht, den Kommunismus, Faschismus, Liberalismus oder den maschinenutopischen Anarchismus zu mögen. Wer jedoch zur Bekämpfung der Maschine aufruft, gar einen maschinenfeindlichen Primitivismus befürwortet, bekommt die Härte des Gesetzes zu spüren.
Maschine ist also ein von der Mehrheit der Gesellschaft in den Industrieländern stark libidinös besetzter Begriff. Das äußert sich in Hochglanzmagazinen, wo verzückt über Ventile, Vergaser (was für ein Wort), Zündkerzen und Leistung die Rede ist. Egal welche Maschine, in diesem Kontext ist jede Maschine schön.
Davon abweichend gibt es Medien, die häßlich sind und die Maschine nicht bejubeln. Das in schrecklicher Qualität gedruckte TATblatt gehört dazu, in dem häufig eine grundlegende Zivilisationskritik, geäußert wird. Lassen wir also diese Dialektik am Beispiel der im TATblatt schon oft erwähnten Baumaschine spielen.
Die Baumaschine als einprägsames Sinnbild für die Maschine schlechtin begegnet uns in Form von Baggern, Schubraupen, Lastwagen, Bohrern, aber auch als Förderband oder Kran. Was früher tausende Menschen über Monate hinweg erledigten, das macht nun eine Maschine in ein paar Tagen. Für die einen ist es Fortschritt, für die anderen Zerstörung.
Dabei ist die Baumaschine ein so einfaches Ding. Viel Stahl, mit etwas Elektronik angereichert, Diesel verbrauchend. Gerade diese Offensichtlichkeit hat die Baumaschine zum erklärten Ziel für Angriffe von MaschinengegnerInnen werden lassen.
Sabotage
Die Baumaschine benötigt laufend Flüssigkeiten, wie Wasser
zur Kühlung, Diesel zum Verbrennen oder Öl zur Schmierung. Werden
diese Flüssigkeiten verändert oder gar ganz entzogen, so treten
Störungen auf. Besonders schädigend ist die Zugabe von Sand,
Quarzsand oder anderen Schleifmitteln (beispielsweise Aluminiumoxid) in
den Dieseltank oder in die Ölzufuhr. Beim Öl ist jedoch von den
Herstellern zunehmend darauf geachtet worden, daß die Maschine elektronisch
vor einer gefährlichen Veränderung gewarnt wird. Die einfache
Zugabe von Schleifmitteln in den Ölkreislauf richtet kaum mehr Schaden
an, da dadurch nur der Ölfilter verstopft wird, das Schleifmittel
jedoch nicht in den Kreislauf eindringt. Solche elektronischen Warnsysteme
gibt es in der Treibstoffzufuhr nicht.
Allerdings ist bei den meisten Baumaschinen der Ölkreislauf dann sabotierbar, wenn der Ölfilter gänzlich entfernt oder mit einem Meißel Löcher in diesen geschlagen werden, sodaß das Schleifmittel weiterfließen kann. Mechanisch gesehen bewirken die Schleifmittel, daß an den aneinander reibenden Stellen kleine Metallstücke herausgeschnitten werden, bis sich der Motor festfährt.
Etwas anders wirken fremde Flüssigkeiten im Öltank. Durch Zugabe von Frostschutzmittel, Diesel oder was auch immer wird eine Überhitzung des Motors erzeugt. Große Mengen an Salz oder Säuren korrodieren den Kühler.
Besonders hinterhältige MaschinengegnerInnen füllen Schleifmittel
in die Ölzufuhr mittels eines kurzen biegsamen Rohres ein, oder sie
sprühen mit einem Schmierungsspray am Eingang des Einfüllstutzens
nach, wodurch das Wartungspersonal keine Spuren finden kann.
Ebenfalls nicht bemerkt wird, wenn die Schmierpunkte sabotiert werden. Dazu werden diese geöffnet, das Schmierfett mit einem Nagel entfernt, und dann entweder einfach wieder zugeschraubt oder neu befüllt. Die Befüllung besteht aus einer Mischung aus Schmierfett und Schleifmittel, was sämtlichen bewegten Stellen rasch den Rest gibt.
Neben diesen eher subtilen Methoden haben MaschinenfeindInnen aber auch häufig zu direkteren Methoden gegriffen. Dazu dienen ein größerer Hammer, verschiedene Meißel und ein großer Bolzenschneider. Damit werden Kühler durchlöchert, Ventile weggestemmt, die Innereien des Motors zertrümmert oder alle Kabel und Leitungen zertrennt. Als Vorsichtmaßnahme gilt lediglich, daß die Bremsleitungen aus offensichtlichen Gründen des Eigen- und Fremdschutzes nicht beschädigt werden.
Überraschend ist, daß Wasser alleine schon großen Schaden für so ein technisch ausgreiftes Wunderwerk bedeuten kann. Wasser im Ölkreislauf bedeutet, daß die Pumpe Wasser statt Öl ansaugt und das ganze System kollabiert, obwohl die Anzeige keine Störung angezeigt hat. Anfällig ist so ein Motor auch dagegen, daß Wasser in den Lufteinzug geleert wird, sodaß statt Luft Wasser angesaugt wird. Auch größere Mengen Wasser im Diesel tun ihr nicht gut.
Beinahe barbarisch ist dagegen schon, Farbentferner bzw. Abbeizmittel auf die Maschine zu leeren. Reifen von schweren Maschinen sind häufig so fest, daß sie nicht aufgeschnitten werden können, wohl aber aufgebohrt. Technisch ist das kein Problem, schließlich gibt es gute Handbohrer und auch Akku-Bohrmaschinen.
Selbst so gute Produkte wie Spezialscheiben gegen Steinschlag sind nicht unangreifbar. Diese werden, abgesehen von der Brutalmethode mit dem Vorschlaghammer, mit kleinen Körnern und einem kleinen Hammer zum Springen gebracht. Körner werden üblicherweise zum Markieren gebraucht. Eine technische Verfeinerung ist der Federkörner, der eine Sprungfeder eingebaut hat und somit ohne Hammer Durchschlagskraft entwickelt und auch dicke Scheiben zum Springen bringt. Ein Spezialwerkzeug gegen Scheiben, das auch zur Durchlöcherung von Tanks eingesetzt wird, sind Hämmer mit einer Spitze.
Luddismus
Der Kampf gegen die Maschine wurde in Großbritannien in den Jahren 1811/12 erstmals organisiert aufgenommen. Damals zerstörten ArbeiterInnen in den Grafschaften Nottinghamshire, Yorkshire, Derbyshire und Lancashire (Manchester) Webmaschinen. Gewöhnlich drangen sie in die Fabriken ein, zertrümmerten die Einrichtung und besonders die Maschinen und zündeten mit den Überresten auf der Straße ein Feuer an. Der "Luddism" war geboren, benannt nach einer nicht wirklich lebenden Sagenfigur Ned Ludd, der die AufrührerInnen anführte. 1812 wurde für die Zerstörung von Maschinen die Todesstrafe eingeführt.
MaschinengegnerInnen in den USA und Großbritannien bekennen sich auch heute noch häufig zum Luddismus, und deswegen brennen Maschinen. Baumaschinen eignen sich gut, da Diesel (im Gegensatz zu Benzin) nicht explodieren kann. Zur Vorbereitung wird ein Fetzen oder auch Sägespäne mit etwa 3 Liter Diesel befeuchtet und im Motorraum so hingelegt, daß beispielsweise Kabel und sonstige Leitungen erfaßt werden. Falls der Kabinenraum offen ist, kann auch der FahrerInnensitz präpariert werden. Gezündet wird über einen Zeitzünder, beispielsweise um eine Zigarette gewickelte Streichhölzer, elektrische Zünder oder Wunderkerzen (solche, die nicht ausgehen).
Doch zurück zum Luddismus. 1817 war es damit vorläufig vorbei, weil die Regierung 14.000 Soldaten in die Grafschaften entsandte und handzahme Gewerkschaften zuließ, während die ArbeiterInnen im Elend dahinvegetierten. Aber dann kamen die 90er Jahren des 20. Jahrhunderts und der Luddismus wurde neu geboren. Das erste solche Geschehen kann dem Kampf gegen die Nutzung eines Moores zum Torfaubbau bei Leeds zugeordnet werden. Der Betreiber ließ von dem Projekt endgültig ab, nachdem zwei SaboteurInnen Maschinen im Wert von zwei Millionen Schilling zerstört hatten. Seitdem feiert der Kampf gegen die Maschine wieder ein fröhliches Dasein und es berufen sich immer mehr Menschen auf den Kampf gegen die Maschine.
Literatur:
Wie fast immer diente auch für diese Folge Ecodefense
als Grundlage.
Technisch etwas neuerer und vor allem weit ausführlicher
was konkrete Informationen zu Werkzeugen und zu Bauplänen von Maschinen
betrifft ist "Ozymandias Sabotage Skills Handbook". Mit Liebe zum Detail
wird angeführt, wie Maschinen vorzeitig zur Beendigung ihrer Lebensdauer
geführt werden können. Hier wurde mit beinahe heilig zu nennendem
Ernst an die Sache herangegangen.
Ozymandias gibt es nur im Internet unter: >>> http://cafeunderground.com/Cafesite/Rooms/Ozymandia/.
Die Website von cafeunderground ist auch sonst sehr interessant.
Anleitungen für Zünder sind im Dutzend zu bekommen.
Eine Adresse dafür ist www.animalliberation.net mit der Broschüre
"Arson around with Auntie ALF".
Kopierte deutsche Übersetzungen von Arson Around
und Ecodefense dürften in Infoläden in Umlauf sein.
aus TATblatt Nr. +170 vom 19. Juli 2001 (22.Jahrestag
der Revolution in Nicaragua)
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