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Tut was! - Was tun?

hobo
11.000 rechtsextremistische Straftaten allein in einem Jahr verkraftete die deutsche Öffentlichkeit bisher offenbar ganz gut. Zumindest hatte dieser Umstand bis zum 27. Juli 2000 nicht zu einer breiten Empörung über die gewalttätigen Umtriebe vom rechten Rand bis zur extremen Mitte der Gesellschaft geführt. Auch über hundert in den letzten Jahren von Neofaschisten getötete Menchen sollten an diesem Umstand wenig ändern.

Mit dem 27. Juli 2000, dem Tag des Bombenanschlags von Düsseldorf, bei dem zehn AussiedlerInnen, überwiegend Juden und Jüdinnen, zum Teil schwer verletzt wurden, rückte die Diskussion um die Gefahr von rechts und ihre Bekämpfung jedoch jäh in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Viele Medien bedienten sich der Thematik um ihr Nachrichten-Sommerloch aufzufüllen, das nötigte wiederum allerlei Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Kommentare zum Geschehen abzugeben. Tatsächlich vermochte die Debatte - insbesondere über Sinn und Möglichkeit eines Verbotes der NDP - überraschend lange zu bestehen. Inzwischen ist das Getöse abgeklungen, und vieles davon ist zu Recht schon wieder in Vergessenheit geraten. Im PapyRossa Verlag ist jedoch ein Band erschienen, der einige der tiefer gehenden Beiträge umfasst.

"Tut was! Strategien gegen Rechts" nennt sich das Büchlein, dessen pädagogisch anmutender Titel mit dem Erhobenen-Zeigefinger-Pathos eher abschreckend wirkt. Einige der Beiträge werden diesem Eindruck dann auch gerecht. An Appellen und Ermahnungen mangelt es da nicht, und Verantwortlichkeiten werden gerecht verteilt. Das ist bestimmt nicht falsch, nur halt so wirkungslos wie bekannt. Bezüge auf die deutsche Tagespolitik oder gar rechtliche Tipps und Ratschläge stolpern zudem naturgemäß über die Grenze, und sind hierorts nicht wirklich zu gebrauchen.

Es gibt in diesem Band aber durchaus auch Beiträge, die die Hintergründe der rechtsextremistischen Verhältnisse ausleuchten und manch falsche Einschätzung richtig stellen können.Während Eckart Spoo den braunen Sumpf im Deutschland nach 1945 erkundet und die staatliche Untätigkeit gegenüber bzw. die Förderung des Rechtsextremismus anschneidet, räumt Kurt Pätzold mit dem weit verbreiteten Irrtum von den unverhältnismäßig rechtslastigeren Neuen Bundesländern auf. In seinem engagiert gehaltenen Beitrag greift er die gängigsten Vorbehalte gegen die Erziehung und den "verordneten Antifaschismus" der DDR auf und mahnt die Beachtung der sozialen Umstände bei der Rekapitalisierung derselben ein. Interessant ist auch Winfried Wolfs Diskussion von "völkischem ‘Antikapitalismus’ und ‘linker’ Demagogie der Neonazis" und traurig-amüssant die Zusammenstellung von Aussagen zur "deutschen Leitkultur" in Gudrun Hentges Aufsatz.

Der zweite Teil des Bandes verspricht "Strategien und Handlungsbeispiele" und bietet einige anhand von Beispielen aus Göttingen, der ostdeutschen Kleinstadt Wurzen oder der Arbeit des "Vereins Opferperspektive". Diesen Beiträgen können Ideen und Anreize für die praktische Arbeit entnommen werden.


Ulrich Schneider (Hg.)
Tut was!
Strategien gegen Rechts
PapyRossaVerlag 2001
215 Seiten; ca. öS 180.-
 

aus TATblatt Nr. +170 vom 19. Juli 2001 (22.Jahrestag der Revolution in Nicaragua)
 
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