Betriebs(rats)unfälle: Hoch die internationale Arbeitersolidarität!!!
Und wieder einmal wurde das Vaterland gerettet...
Ein Lehrstück in Sachen Demokratie gibt gerade der Betriebsrat des Vorarlberger Beschlägeherstellers Blum: Zwei Tage vor der Betriebsratswahl ließ der Wahlvorstand praktisch alle KandidatInnen einer oppositionellen Liste vom Wahlvorschlag streichen. Übrig blieb ein einziger Kandidat, der - seine Liste vereinigte dreißig Prozent der Stimmen auf sich - drei gewonnene Betriebsratsplätze einnehmen müsste, was er selbstverständlich nicht kann. Die zwei nicht besetzbaren Plätze fallen wieder der bisherigen Einheitsliste zu.
TATblatt
Die Vorgangsweise des Wahlvorstands ist gesetzlich gedeckt: Auf der oppositionellen Liste waren nämlich bis auf eine Person ausschließlich Menschen kandidiert, die zwar in Österreich geboren, zur Schule und in die Lehre gegangen, aber - oh Schreck - nicht im Besitz einer EU-StaatsbürgerInnenschaft sind. Diese besitzen nach dem österreichischen Arbeitsverfassungsrecht kein passives Wahlrecht. Das heißt aber noch lange nicht, dass die gewählte Vorgangsweise gesetzlich zwingend war: Die entsprechende Bestimmung des Arbeitsverfassungsgesetzes widerspricht nämlich geltendem EU-Recht und ist quasi Recht auf Abruf. Bereits mehrmals hatte die EU-Kommission und auch der EuGH die Republik Österreich darauf aufmerksam gemacht, dass der Ausschluss von nicht-EU-AusländerInnen vom passiven Wahlrecht bei AK- und Betriebsratswahlen EU-Normen widerspricht. Ebenso oft hatte die Republik, vertreten erst von einer rot-schwarzen und nunmehr von einer blau-schwarzen Regierung, diesen Hinweis mißachtet bzw. zu verzögern gewusst. Nachdem nun also ein Verfahren gegen die Republik anhängig ist und eine Änderung der entsprechenden Bestimmungen nur mehr eine Frage der Zeit ist, wäre es also durchaus möglich, von der Anwendung dieser diskriminierenden Bestimmung des Arbeitsverfassungsgesetzes abzusehen. Dieser Weg wurde etwa bei den Personalvertretungswahlen der EisenbahnerInnen sowie bei den Gemeindebediensteten in Wien beschritten (bei denen es aber - der Vollständigkeit halber sei dies erwähnt - eigene gesetzliche Bestimmungen für die Personalvertretungswahlen gibt, sodass nicht unmittelbar auf die Arbeitsverfassung zurückgegriffen werden muss - obzwar diese auch gilt!).
Unvertretene ArbeitnehmerInnen
Der Wahlvorstand zur Betriebsratswahl bei der Fa. Blum hat sich also trotz anderer Möglichkeiten ohne Zwang dazu entschieden, seine ArbeitskollegInnen unter Anwendung einer rassistischen und diskriminierenden - verfassungswidrigen - Bestimmung von der Betriebsratswahl auszuschließen. Dreißig Prozent der MitarbeiterInnen haben jedoch die Liste ohne KandidatInnen gewählt und stehen nun doppelt ohne Vertretung herum: Zum einen, weil ihre gewählten Betriebsräte aus miesen Beweggründen von der Mehrheitsfraktion ausgebootet wurden; zum anderen, weil die Fa. Blum nun mit Fug und Recht den Vertretungsanspruch des Betriebsrats in Frage stellen kann. Die MitarbeiterInnen der Fa. Blum, die zu 50% Menschen türkischer Herkunft beschäftigt, haben jedoch zumindest eine Lektion gelernt: Die westliche Demokratie ist (frei nach Berlusconi und dem von St. Pölten) zumindest hinsichtlich der Möglichkeiten, den Machterhalt gesellschaftlicher Eliten zu sichern, dem Islam tatsächlich überlegen. Immerhin, so der Wahlvorstand und ein Vertreter der Mehrheitsfraktion in der ZiB 2 vom 5. Oktober, wäre es gelungen, Religion aus dem Betrieb heraus zu halten. Zwar gibt es nicht einmal den Ansatz eines Hinweises dafür, dass die KandidatInnen der "unösterreichischen" Liste irgendwelche religiösen Hintergründe hätten. Als Totschlagsargument darf es aber noch allemal herhalten.
Kleiner Exkurs
Seit 1997 fordern EU-Institutionen regelmäßig die Aufhebung rassistischer und diskriminierender Bestimmungen in der Arbeitsverfassung sowie dem AK-Wahlrecht. Hatte bis 1998 noch die ÖVP massiv gegen die Zulassung von Nicht-EU-AusländerInnen zum passiven Wahlrecht mit dem (falschen) Argument gewettert, BetriebsrätInnen und insbesondere AK hätten auch hoheitliche Aufgaben zu erfüllen, die mensch nicht AusländerInnen überlassen könne, zeichnete sich im Sommer 1999 - also kurz vor der letzten Nationalratswahl - eine Lösung in der Frage ab: Bundeskanzler Klima hatte sie für die Zeit nach der Wahl fix versprochen. Nach dem Regierungswechsel beeilte sich die Republik, der Kommission mitzuteilen, dass sie ehestens an die Behebung des Missstandes zu schreiten gedenke, sie allerdings erst Fuß fassen müsse. Seither hat sich nichts mehr bewegt: Eine "Reform" des AK-Gesetzes verstrich ebenso ungenutzt wie ein Haufen anderer arbeitsrechtlicher Materien (Ausnahme: in der BWK wurde das passive Wahlrecht für Nicht-EU-StaatsbürgerInnen eingeführt, womit das "hoheitsstaatliche" Argument entkräftet ist). Kurz: Alle Parteien (bis auf die Grünen, aber wen interessieren die schon?) haben ein Interesse an der Existenz dieser rassistischen Bestimmung. In der Hoffnung, die Kommission würde wegen so einer "Lapalie" kein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich einleiten, ist die grundrechtsfeindliche Bestimmung bis zum St. Nimmerleinstag prolongiert...
Aber es kommt noch schlimmer!
Am 13. Juli 2001 wurde bei der Fa. Dinkhauser Kartonagen in Tirol eine Betriebsratswahl durchgeführt, bei der zwei Listen zur Wahl standen. Der Weg zur Wahl selbst war, wie ein Mitarbeiter der AK-Rechtsabteilung bestätigt, kein leichter: Mit allen Mitteln hatte die Betriebsleitung (Dinkhauser? Tirol? AK? Wo hat mensch diese Kombination schon mal gehört????- Nun ja: Nach Auskunft der AK besteht zwar "ein verwandtschaftliches Verhältnis, dass uns aber in der Vertretung von ArbeitnehmerInneninteressen nicht behindert" ) die Abhaltung einer Wahl zu verhindern gesucht. Aber sie war schließlich doch noch durchgeführt worden.
Was sich konkret um diese Wahl so alles abgespielt hat, wird noch gerichtlich zu klären sein: Da ist von Druck seitens der Betriebsleitung auf Wahlvorstand und KandidatInnen und von einer gelben Liste die Rede (Das TATblatt ist nicht in der Lage, diese Behauptungen zu verifizieren). Tatsache ist jedoch, dass eine der beiden Listen die Betriebsratswahl mit Unterstützung des ÖGB anfechten ließ, weil auf der zweiten Liste, die ca. 30% der Stimmen erreichte, mehrere Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft kandidiert waren. Über Wochen hinweg kam keine Konstituierung des Betriebsrates zu Stande. Inzwischen wurde eine neue Betriebsratswahl angekündigt. Der Wahlvorstand, der sich sowohl für die Wahl eines Betriebsrates engagiert hatte als auch die Liste der vornehmlich (nicht ausschließlich!) türkischstämmigen MitarbeiterInnen nicht von der Wahl ausgeschlossen hatte, wurde gekündigt. In der Folge wurden alle KandidatInnen der zweiten Liste fristlos vom Unternehmen entlassen. Unklar ist noch, ob der ÖGB den entlassenen Personen Unterstützung zukommen lässt.
Also: Bitte liebt Österreich....!
aus TATblatt Nr. +175 vom 12. Oktober 2001
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