tatblatt.net    

Charles Obiora C-Ik Ofoedu in Schubhaft

(von FreundInnen des Gefangenen)

Am Sonntag, den 11. November um 8.00 Uhr früh wurde der Schriftsteller Charles Obiora C-Ik Ofoedu in seiner Wohnung verhaftet und in Schubhaft gebracht. Er befindet sich derzeit im Polizeigefangenenhaus Roßauer Lände. Die Verhaftung geschah völlig überraschend, da dem Schriftsteller weder ein Ausweisungsbescheid zugestellt worden war, noch durch die Verurteilung Ofoedus am 13. Oktober 2000 der Behörde eine Ausweisung zwingend vorgeschrieben ist. Es handelt sich um einen Ermessensentscheid der Fremdenpolizei, die gegen Ofoedu ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot ausgesprochen hat. Ofoedus Anwalt Dr. Gabriel Lansky hatte fristgerecht vor dem Verfassungsgerichtshof die Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot eingereicht. Durch die drohende Ausweisung sollen Ofoedu die juristischen Möglichkeiten genommen werden.

Die staatliche Verfolgung Ofoedus begann mit der Massenverhaftung im Rahmen der so gen. Operation Spring im Mai 1999. Ofoedu wurde als angeblicher "Drogenboss" drei Monate in Untersuchungshaft festgehalten. Die Anschuldigungen wegen Drogenhandels und organisierter Kriminalität mussten fallen gelassen werden. Am 13. Oktober 2000 trat in der zweiten Hauptverhandlung der anonymisierte Zeuge "AZ1" als Kronzeuge auf - wie in rund 40 anderen Prozessen und aufgrund dessen Aussage wurde Charles Ofoedu wegen Geldwäscherei zu zehn Monaten bedingt auf drei Jahre verurteilt.

Dieses Strafmaß hat keine automatische Ausweisungsverfügung zur Folge. Der jetzige Beschluss der Fremdenpolizei (10 Jahre Aufenthaltsverbot im ganzen Schengener Raum) steht in keinerlei Verhältnis zum Strafausmaß des Gerichtsurteils. Die Fremdenpolizei hält den Schriftsteller Charles Ofoedu, wie sie mitteilt, für eine "Gefahr der öffentlichen Ordnung und Sicherheit Österreichs".

Die tatsächliche Gefahr droht Charles Ofoedu selbst: Im Bürgerkriegsland Nigeria, in das er abgeschoben zu werden droht, erwartet ihm eine neuerliche Strafverfolgung wegen des gleichen Delikts.

Charles Ofoedu ist eine öffentlich bekannte Person. Die Polizei hatte keinerlei Grund, das Mittel der Schubhaft über ihn zu verhängen. Schubhaft darf nur nach der Anwendung von gelinderen Mitteln verhängt werden. Im vorliegenden Fall gab es sogar eine Absprache zwischen dem Anwalt und der Fremdenpolizei, den Ausgang des Verfahrens beim Verfassungsgerichtshof abzuwarten. Ofoedu hatte noch nicht einmal die Aufforderung zur Ausreise bekommen. Der Anwalt wurde nicht von der Verhaftung Ofoedus informiert.

 

Die Fremdenpolizei hat sich ganz offensichtlich vertan. Sie hat vor der Festnahme beim Verwaltungsgerichtshof angefragt, dort war aber kein Verfahren seitens Charles anhängig, daher habe sie ihn in einer gezielten Aktion am Sonntag in der Früh aus dem Haus des evangelischen Pfarrers, bei dem Charles wohnt, mit elf Mann im Rahmen einer allgemeinen Ausweiskontrolle abgeholt. Dabei vergaßen sie, sich auch beim Verfassungsgerichtshof zu erkundigen.

Charles' Beschwerde gegen das in zweiter Instanz ergangene Aufenthaltsverbot stützt sich nämlich auf Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention in Verbindung mit der Gefahr der Doppelbestrafung in Nigeria. Wegen Verunglimpfung Nigerias droht ihm in Nigeria eine Haftstrafe nicht unter fünf Jahren. In den Gefängnissen in Nigeria sind in den letzten fünf Jahren nach Schätzungen rund 10.000 Gefangene gestorben. Die Verhältnisse in den nigerianischen Gefängnissen wurden unlängst von zwei deutschen Gerichtshöfen für so schlimm befunden, dass sie einer Ausweisung aufgrund der drohenden Doppelbestrafung nicht zugestimmt haben. Darauf stützt sich im Wesentlichen die Beschwerde von Charles beim VfGH.

Die sonstigen Einwendungen gegen den Bescheid der zweiten Instanz sind beim Verwaltungsgerichtshof erst dann einzubringen, wenn der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde abweist. Das kann also rechtlich noch sehr lange dauern.

Dazu hat Charles einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung des Verfahrens vor dem VfGH gestellt. Das Problem ist eben, dass die Fremdenpolizei nicht automatisch alle weiteren Schritte zu unterlassen hat, sobald die Beschwerde beim VfGH einlangt, sondern im Gegenteil ein solches Zuwarten erst durch einen separat zu stellenden Antrag herbeigeführt werden muss. Rechtlich kommts jetzt erst mal auf diesen Antrag an.

Derzeit geht's daher schon ums Ganze, denn wenn der Verfassungsgerichtshof durchblicken lässt, dass er der Beschwerde von Charles keine aufschiebende Wirkung zuerkennen wird, dann wird es ganz ganz schwer werden, Charles nochmal den Klauen der Abschiebemaschinerie zu entreißen. Diesfalls ist wahrscheinlich, dass er in Schubhaft bleibt und nach Klärung der Formalitäten mit der nigerianischen Botschaft abgeschoben wird.

aus TATblatt Nr. +177 vom 15. November 2001

 
>>TATblatt-Inhaltsverzeichnis

©TATblatt, 2001
Alle Rechte vorbehalten
Nachdruck, auch auszugsweise, nur in linken alternativen Medien ohne weiteres gestattet (Quellenangabe und Belegexemplar erbeten)!
In allen anderen Fällen Nachdruck nur mit Genehmigung der Medieninhaberin (siehe Impressum)