"Im Namen des Präsidenten des Nationalrates"
TATblatt vor Untersuchungsausschuss
Vor ca. 4 Wochen fanden die Vorstandsmitglieder der U.I.I. Ladungen der Parlamentsdirektion in ihren Postkästen. "Es wurde beschlossen sie als Auskunftsperson zu folgendem Beweisthema zu laden: 'Kenntnisse des Untersuchungsgegenstandes (Förderung des Vereins U.I.I)'" war da zu lesen. (Für die, die es vergessen haben: der Verein Unabhängige Initiative Informationsvielfalt (U.I.I.) ist die Medieninhaberin des TATblatt)
TATblatt
Wie sich herausstellte mussten nicht nur Vorstandmitglieder sondern auch ehemalige Angestellte des Vereins und ehemalige MitarbeiterInnen des Arbeitsmarktservice am 15. November vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der in der Öffentlichkeit als Euroteam-Ausschuss bekannt ist. erscheinen. In Wirklichkeit trägt der Ausschuss den langatmigen Titel "Untersuchungsausschuss zur Untersuchung der politischen und rechtlichen Verantwortung im Zusammenhang mit der im Zeitraum vom 1. Jänner 1995 bis 31. Dezember 19999 durch das damalige Bundesministerium für Arbeit und Soziales bzw. Arbeit, Gesundheit und soziales veranlassten Vergabe (Vergabepraxis) von öffentlichen Geldern an Förderwerber oder Auftragnehmer [usw. usw.]".
Wie es dann dazu kam, dass von den geladenen nur zwei Personen tatsächlich Auskunft geben durften, ist ein Lehrbeispiel in Sachen Demokratie. Ein ebensolches ist der skurrile Versuch des ÖVP-Abgeordneten Kuckacka einer eigenen, >>voreiligen Presseaussendung rückwirkend zur Wahrheit zu verhelfen.
Zur Vorgeschichte (es war einmal...)
Da muss tatsächlich weit ausgeholt werden: Anfang der 90er Jahre gab es regelmäßig Angestellte beim Verein U.I.I. Das Arbeitsamt förderte diese Personen mit zwei Drittel der Lohnsumme im Rahmen der sogenannten Aktion 8000. Vorraussetzungen dazu waren eine vorangegengene Arbeitslosigkeit von einem Jahr, ein Alter unter 25 somit schwere Vermittelbarkeit. Das restliche Drittel des Bruttolohnes musste vom Verein selbst aufgebracht werden. Da im vorliegenden Fall der Verein U.I.I. und seine Vorstandmitglieder dem AMS nicht als Garantie zur Auszahlung des Restdrittels reichten, wollte das Arbeitsamt damals ein Finanzierungskonzept und eine Art Ausfallshaftung (Garantie) von privaten Personen, die durch den Verein gesucht und gefunden wurden.
Als das TATblatt im Frühjahr 1995 mehrfach im Mittelpunkt des medialen Interesses stand (Caspar Einems Spende, Ebergassing, Inserate der Grünen Jugend) wurde auch diese Förderung ein zentraler Angriffspunkt von ÖVP und FPÖ. Die personenbezogene Förderung wurde kurzerhand zur TATblatt-Förderung umgedeutet, und mit mehreren Hunderttausen Schilling als totaler Skandal dargestellt, wobei pikanterweise die Summe der Förderungen in Wirklichkeit meist höher war als ÖVP und FPÖ argwöhnten. Daraufhin stellte das AMS seine Zahlungen unvermittelt ein, was der U.I.I. damals lapidar gereademal telefonisch mitgeteilt wurde. Die fehlenden Beträge brachten uns damals in ziemliche Schwierigkeiten, da Löhne und Lohnnebenkosten zu bezahlen waren, aber weil der U.I.I. der Einsatz eines Anwaltes zu riskant erschien, wuchs mit der Zeit Gras über die Angelegenheit.
Aber die Angelegenheit sollte nicht ewig ruhen dürfen: im Frühjahr 2001 präsentierte die ÖVP im Rahmen des oben genannten Untersuchungsausschusses eine Liste mit sage und schreibe 244 Vereinen, die Mitte der 90er Jahre meist personenbezogene AMS-Förderungen erhalten hatten. Der Antrag der ÖVP diese Leistungen im Rahmen eines Untersuchungsausschusses zu behandeln, hatte zweierlei zur Folge: Erstens mussten die Akten all dieser Förderungen ausgehoben werden, was - wie aus gewöhnlich gut informierten Kreisen zu erfahren war -wochenlange Arbeit im AMS und den Transport mehrerer Lastwagenladungen ins Parlament nach sich gezogen habe. Und zweitens sollten VertreterInnen und Angestellte all dieser Vereine vorgeladen werden, was wiederum angesichts des Tempos so eines U-Ausschusses, das die jüngst Geladenen miterleben durften, ein Vorhaben für mehrere Jahre werden wird (6 Ausschusssitzungen im Jahr, ca. 4 Vereine pro Sitzung, ca. 240 Vereine alleine von der ÖVP geladen, macht schon einige Jahre aus). Nach Verhandlungen einigten sich die 4 Parlamentsfraktionen zunächst auf eine stark eingeschränkte Liste, jede Fraktion sollte eine Wunschorganisation zur Vorladung auswählen dürfen. Die SPÖ entschied sich für das ÖVP-nahe Österreichische Institut für Familienforschung (ÖIF), die FPÖ für die Initiative "Now Hermagor", die Grünen für die Prinzhorn Beteiligungs GmbH und die ÖVP eben für das absolut böse. Damit alle Vorgeladenen auch wirklich erscheinen, verlieh die Parlamentsdirektion den Ladungen mit Anrufen auf privaten Handys Nachdruck!
Die Ausschusssitzung
Nachdem die Sitzung für zwei Stunden angesetzt war, und allein von der U.I.I. sieben Personen vorgeladen waren, war rein rechnerisch eine durchschnittlichen Befragungsdauer von 15 Minuten zu erwarten. Die ersten beiden Personen, und somit auch die einzigen dieser ersten "TATblatt-Ausschusssitzung" mussten allerdings je ca. 45 Minuten "Kreuzverhör" über sich ergehen lassen. Der Ausdruck aus der Gerichtssprache fällt hier nicht zufällig: der ganze Vorgang ist dem eines Prozesses oder einer Voruntersuchung tatsächlich ähnlich, nur dass alle anwesenden PolitikerInnen in der Rolle von StaatsanwältInnen sind. Die Vorsitzende allerdings (in diesem Fall Partik-Pablé) sitzt etwas erhöht direkt hinter (!) der Auskunftsperson, die hier zwar nicht ZeugIn genannt wird, aber zur wahrheitsgenmäßen Auskunft verpflichtet ist. Die einzelnen "MöchtegernstaatsanwältInnen" stellen den Geladenen, die als Auskunftsperson bezeichnet werden, der Reihe nach Fragen, und zwar eine Partei nach der anderen solange das vereinbarte Redekontingent reicht. Dass es sich um eine politische Veranstaltung handelt, wird recht schnell klar: denn viele der Fragen sind eigentlich Statements, auf die gar nicht geantwortet werden kann - auch deshalb nicht, weil auch die Antwort auf das Redekontingent der fragenden Partei angerechnet wird, sodass die Vorsitzende die Geladenen zur Kürze mahnen muss. Daneben wird geplaudert, Zeitung gelesen, Zwischengerufen, ...wie es uns aus dem Parlamentsalltag bekannt ist.
Die ÖVP eröffnete den Reigen der Fragen. Allen voran tat sich besonders der Abgeordnete Kuckacka hervor. Nachdem er schon abgeblitzt war, als es um "die persönlichen Bekanntschaften" einer Auskunftsperson ging, konzentrierte er sich - vor allem unterstützt durch den der Burschenschaft Olympia nahestehenden F-Abgeordneten Graf - auf die "Aufdeckung" von prominenten Namen, die damals die oben erwähnten Ausfallshaftungen unterzeichnet hätten. An diesem Punkt erfolgten zahlreiche Wortmeldungen "zur Geschäftsordnung". Geschäftsordnungsdebatten belasten nicht das Redekontingent, und ufern daher umso weiter aus. "Ob diese plötzlich nur noch "Spender" genannten Personen bekannt gegeben werden dürfen oder müssen oder ob diese Gelder etwa aus dubiosen Quellen stammen könnten und daher eine Nennung der Personen gerechtfertigt wäre,...", wurde auch dann noch diskutiert, als der beisitzende Rechtsexperte längst ein definitives "Nein" ausgesprochen hatte. Langer Rede kurzer Sinn: die "Spender", die in den meisten Fällen gar keine waren, wurden nicht genannt, die Sensation blieb aus; die Vorstandsmitglieder und ehemaligen Angestellten werden ihr Geheimnis wohl ins Grab mitnehmen, wenn sie es überhaupt kennen. Dennoch waren nach der Befragung von nur zwei der Geladenen bereits an die zwei Stunden vergangen. Die FPÖ hatte bereits fast ihr gesamtes Redekontingent aufgebraucht, auch der ÖVP ging es ähnlich.
Was nun? Kuckacka meldet sich noch einmal zu Geschäftsordnung, und hält völlig unvermittelt eine Brandrede gegen das anarchistische Autonomenblatt. Unglaublich aber wahr: der ÖVP-Parlamentsklub hatte nämlich bereits vor Befragung der zweiten Auskunftsperson eine >>Presseaussendung an die APA rausgelassen, in der Kuckacka mehrfach zitiert wird, was er vor dem Untersuchungsausschuss alles gesagt hätte (siehe Extratext). Eine halbe Stunde nachdem diese Presseerklärung bereits erschienen war, nahte nun das Ende der Sitzung ohne irgendwelche Sensationen, so musste also die Geschäftsordnung herhalten, damit Kuckacka seiner voreiligen Aussendung gerade noch gerecht werden konnte, die er im übrigen nur mangelhaft und unvollständig wiedergeben konnte - wobei ihn hämische Zwischenrufe von anderen Fraktionen, die die Presseaussendung bereits kannten, noch zusätzlich aus dem Konzept brachten.
Danach folgte eine lange Pause. Draußen saßen nun bereits einen ganzen Nachmittag lang an die 10 Geladene (auch die MitarbeiterInnen des AMS), drinnen wurde wieder mal zur Geschäftsordnung diskutiert. Dann durften alle überraschend heimgehen, sie würden, bis auf zwei U.I.I.-Vorstandsmitglieder und den ehemaligen (?) AMS-Vorsitzenden nicht mehr benötigt.
Nächstes Frühjahr (!) solle es weitergehen. Ob allerdings damit die Liste der 243 restlichen Vereine vom Tisch ist, bleibt offen.
aus TATblatt Nr. +178 vom 29. November 2001
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