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Flüchtlingskongress in Düsseldorf

Ein erster Bericht

Vom 6. - 10. Dezember 2001 fand in Düsseldorf ein Flüchtlingskongress unter dem Motto "Freiheit für alle politischen Gefangenen - Asyl ist ein Menschenrecht. Politische Situation und Menschenrechtsverletzungen in den Heimatländern der Flüchtlinge und in Deutschland" statt (siehe Ankündigung Tb+177). Mehr als 100 Flüchtlinge nahmen teil. Zur Dokumentation veröffentlichen wir im folgenden einen Bericht vom Eröffnungstag, der bereits auf indymedia und no-racism.net veröffentlicht wurde.

Die Human-Rights-Week in Düsseldorf startete am 6. Oktober 2001 mit Berichten über die Situation für Flüchtlinge in Guinea und Deutschland sowie über die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen. Die Human Rights Week wird von The VOICE Africa Forum seit 1997 jährlich veranstaltet. Damals organisierten sie eine Kampagne für politische Gefangene in Nigeria. Seither werden jedes Jahr anhand verschiedener Länder die Probleme um Flucht und Migration aufgezeigt. Fokusiert auf die Situation politischer Gefangener geht es um die allen gemeinsamen Probleme. Dabei soll auch ein starkes Netzwerk aufgebaut und jene unterstützt werden, die in den Herkunftsländern zurückgelassen wurden.

Deportationen, Abschiebehaft und Widerstand im Raum Düsseldorf

Der Kongress 2001 wird vom AStA der FH Düsseldorf unterstützt. In Düsseldorf, der Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfahlen (NRW), sind einige antirassistische Gruppen tätig, die Aktionen gegen Abschiebegefängnisse und Deportationen gemeinsam mit anderen Gruppen aus NRW durchführen. In der Nähe von Düsseldorf befinden sich das Frauenabschiebegefängnis Neuss und das Abschiebegefängnis Büren. Die Justizvollzugsanstalt Büren-Stöckerbusch liegt ca. acht Kilometer außerhalb von Büren, mitten im Wald. Es besteht keine Busverbindung zu dem Komplex, der mit einer hohen Betonmauer umgeben ist. Die ehemalige NATO-Kaserne wurde umgebaut und bietet seit dem 17. Januar 1994 Platz für 530 männliche Häftlinge ab 16 Jahren. Allerdings sind häufig auch Kinder unter 16 Jahren in Büren eingesperrt. Die Haftdauer beträgt offiziell höchstens 18 Monate, aber auch diese Regelung wird oft übergangen, wenn Flüchtlinge in dieser Zeit nicht abgeschoben werden können. Auch ist es bereits vorgekommen, dass Flüchtlinge nach 18 Monaten entlassen wurden, um am nächsten Tag wieder inhaftiert zu werden. Am 30. August 1999 kam Rashid Sbaaiin in einer Arrestzelle des Komplexes ums Leben.

Seit das Gefängnis 1994 eröffnet wurde gibt es Widerstand. 1994 und 95 kam es zu Häftlingsrevolten. Die Gefangenen protestierten u.a. gegen die schlechten Haftbedingungen und die ungenügende Betreuung. Im Sommer dieses Jahres befanden sich einige Häftlinge in Hungerstreik, um gegen die Haftbedingungen zu protestieren. Einer von ihnen, Ali Dasayak, wurde trotz seines Widerstandes nach mehr als 60 Tagen Hungerstreik mit einer Sondermaschine in die Türkei abgeschoben. Seither fehlt von ihm jedes Lebenszeichen. Nach Abschiebungen in die Türkei kam es oft vor, dass die Abgeschobenen direkt am Flughafen verhaftet wurden. (weitere Informationen zum Abschiebegefängnis in Büren unter: www.aha-bueren.de). Das Frauenabschiebegefängnis in Neuss existiert seit 1993. Früher befand sich dort eine "ganz normale" Frauenvollzugsanstalt. Bei vielen der nun einsitzenden Frauen ist die Aufenthaltsgenehmigung abgelaufen oder das Asylverfahren abgelehnt worden. Die Aufenthaltsgenehmigung von Frauen ist in vielen Fällen von Männern abhängig, frauenspezifische Fluchtgründe werden oft nicht als Asylgründe anerkannt. Die Situation von Flüchtlingsfrauen ist ein Thema, dass oft aus dem Blickfeld verschwindet und auch im Rahmen des Flüchtlingskongresses kaum thematisiert wurde.

Human Rights Week

Zur Eröffnung der Human Rights Week 2001 gab es einen Vortrag über die Probleme in Guinea von Ousman Bah, einem Oppositionspolitiker und Parlamentarier aus Guinea, mit anschließender Diskussion. Zur Situation politischer Gefangener in Guinea ist zu sagen, dass es sehr schwer ist rauszufinden, wann Leute eingesperrt werden. Es stellt laut dem Vortragenden einen Akt von Courage dar, in ein Gefängnis zu gehen und sich nach Gefangenen zu erkundigen. Die Guinesischen Sicherheitskräfte wenden sehr oft Gewalt gegen politisch Opositionelle oder kritische JournalistInnen an, Folter steht auf der Tagesordnung. In den vergangenen Jahren kamen Tausende Oppositionelle in Guinea ums Leben. Einige Menschenrechtsorganisationen sind in Guinea trotz der massiven Repression aktiv. Viele Leute aus Guinea sind in andere afrikanisch Länder, aber auch nach Europa geflüchtet. Viele Leute, die zurück nach Guinea abgeschoben wurden, werden seitdem vermisst. Länderberichte zu Guinea und vielen anderen Ländern finden sich im Internet auf www.humanrights.de und der Seite von "European Country of Origin Information Network", www.ecoi.net. Die Probleme in den Herkunftsländern der Flüchtlinge werden in Europa nach wie vor ignoriert, ebenso wie die Probleme der Flüchtlinge, die hier im Exil leben. Menschen, die für soziale und politische Gerechtigkeit und Befreiung kämpfen, werden auf der ganzen Welt verfolgt und getötet.

Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen

Die Karawane startete 1998 in Deutschland mit einer Tour durch mehr als 40 Städte in Deutschland, um aufzuzeigen, dass sich die Situation für Flüchtlinge und MigrantInnen verschlechtert. Nicht umsonst wurde die Vorwahlzeit ausgesucht, da im Wahlkampf alle Parteien aus den Schicksalen stigmatisierter Gruppen Kapital schlagen wollen. Der Slogan lautete damals: "Wir haben keine Wahl, aber wir haben eine Stimme". Und diese Stimme wurde vernommen. Seit 1993 das Recht auf Asyl in Deutschland, das bis dahin in der Bundesverfassung verankert war, abgeschafft wurde, gab es von Seiten der mehrheitsdeutschen Bevölkerung keinen wirkungsvollen Widerstand gegen diese Tendenzen. Die Demonstrationen gegen den "Asylkompromiss", durch den die sog. Drittstaatenregelung eingeführt wurde, blieben ohne nachhaltige Wirkung. Es fehlte an längerfristiger Arbeit, um die Verschlechterungen entscheidend verhindern oder verlangsamen zu können. Stattdessen verschärften sich die Attacken gegen Flüchtlinge. In Bremen konnten Mitte der 90er durch selbstorganisierte Proteste von Flüchtlingen in einigen Fällen Abschiebungen wirkungsvoll verhindert werden. Es kam zur Zusammenarbeit von Flüchtlingen unterschiedlicher Herkunft. So wurde auf einem Flüchtlingsschiff ein gemeinsamer Hungerstreik aller mehr als 300 BewohnerInnen organisiert und erfolgreich durchgeführt. Die Abschiebung von Leuten aus Kongo/Zaire konnte verhindert werden. Eine Person, die sich bereits 18 Tage in Abschiebehaft befand, wurde freigelassen. Der Protest wurde von einigen mehrheitsdeutschen AntirassistInnen unterstützt. Aus dieser Selbstorganisation heraus entstand die Idee, die erfolgreiche Praxis auf das gesamte bundesdeutsche Gebiet auszudehnen. Die mehrheitsdeutschen Leute, die in der Karawane involviert waren, konnten jedoch kaum Kontakt zu Flüchtlingen herstellen. Durch die Karawane wurde trotzdem viel erreicht. Die Flüchtlinge und MigrantInnen, ständig stigmatisiert, sahen plötzlich, dass auch sie Möglichkeiten haben, sich zu organisieren und Widerstand gegen die ihnen aufgezwungenen Lebensumstände zu leisten. In Folge der Karawane bildeten sich etliche neue Flüchtlingsorganisationen, in etlichen Städten entstanden Karawanengruppen. Wirkungsvoller Widerstand gegen Deportationen war plötzlich in den Bereich des Möglichen gerückt. Auch "The VOICE Africa Forum", eine der ältesten selbstorganisierten Flüchtlingsgruppen in Deutschland, schloss sich dem bundesweiten Karawanennetzwerk an.

Der Widerstand gegen Rassismus und soziale Ausgrenzung muss noch um vieles verbessert werden, um Flüchtlingen und MigrantInnen ein Leben in Deutschland in Zukunft zu ermöglichen. Der Kampf gegen Rassismus, soziale Isolation und Deportationen ist dabei nur ein Aspekt. Flüchtlinge haben Verbindungen in die Herkunftsländer. Die Situation dort kann von ihrem Status hier nicht getrennt werden. Innnerhalb der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen ist es deshalb immer wieder wichtig, dass die Flüchtlinge über die Situation in ihren Ländern berichten (können). Der Kampf gegen Rassismus erscheint wirkungslos, wenn er nicht in Zusammenhang mit den Kämpfen in den Herkunftsländern gesehen wird. Rassismus in Europa kann nicht isoliert vom Rest der Welt gesehen werden, da er nicht nur ideologisch bedingt ist. Wenn die Menschen in Afrika so reich wären wie in Europa, wäre eine soziale Ungleichheit als Grundlage von Rassismus in ihrer derzeitigen Form nicht gegeben. Ein immer wieder genannter Satz in diesem Zusammenhang ist: "Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört." Im Kampf gegen Deportationen kann nicht darauf gepocht werden, Asyl für Asylsuchende zu erwirken, ohne die Menschen in den Herkunftsländern und deren Kämpfe zu unterstützen. Es muss aufgezeigt werden, dass Deportationen gestoppt werden müssen. Wenn es gelingt, die Gründe für die Flucht mit dem Kampf gegen Abschiebungen zu verbinden, wird es schwerer, Leute abzuschieben. (Informationen über die Aktionen der Karawane finden sich auf www.humanrights.de)

Menschenrechtsorganisationen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge arbeiten oft unter viel schlechteren Bedingungen als hier in Europa. Wie hart die Bedingungen für Flüchtlinge und MigrantInnen in Europa oft sind, die Situation ist oft bedeutend besser als in den Herkunftsländern. Gerade bei diesem Punkt sind sehr viele Flüchtlinge anderer Meinung, jedoch müssen hier vor allem auch soziale Unterschiede berücksichtigt werden. Besonderes Gewicht wird der Tatsache beigemessen, dass es "im Herzen der Bestie" möglich ist, Solidarität zwischen Leuten aus allen Kontinenten herzustellen. Es zeichnet sich ein "Mikrokosmos globaler Probleme" ab. Informationen aus verschiedenen Ländern können ausgetauscht werden, die Nutzung des Internets ist oft einfacher, öffentliche Treffen und Demonstrationen können weniger gefährlich und leichter durchführbar sein, wenngleich diese Arbeit auch im Exil in Europa sehr schwer ist und auf viele Hindernisse stößt. Leute aus unterschiedlichen Herkunftsländern können sich besser horizontal vernetzen, erhalten so bessere Ausgangspositionen für ihren Kampf gegen Unterdrückung und schaffen ein bessere Voraussetzung für eine als "vertikal" zu sehende Unterstützung durch Mehrheitsdeutsche.

Im Jahr 2002 wird es in Deutschland wieder Bundestagswahlen geben. Die Bedingungen für Flüchtlinge und MigrantInnen haben sich unter rot/grüner Regierung weiter verschärft. Doch auch die Unterstützung für Flüchtlinge, so ein Vertreter der Karawane bei seinem Vortrag, wurde schwächer. Der ohnehin schwache Widerstand unter der mehrheitsdeutschen Bevölkerung richtet sich kaum konkret gegen Abschiebungen. Auf die Nachfrage, warum dies so sie, antwortete der Vortragende, dass es zu einem Konflikt zwischen AntirassistInnen und Flüchtlingen gekommen sei. Die AntirassistInnen organisieren Demonstrationen und sagen, "wir sind nicht rassistisch". Sie wollen raus aus der rassistisch geprägten deutschen Gesellschaft, während Flüchtlinge und MigrantInnen gegen soziale Ausgrenzung aus ebendieser Gesellschaft kämpfen: Sie wollen zumindest den gleichen rechtlichen Status in dieser Gesellschaft erhalten bzw. als gleichberechtigte Mitglieder in diese aufgenommen werden. Sich praktisch gegen Deportationen zur Wehr setzen und direkte Aktionen zu organisieren, was immer öfter zum Überlebenskampf von Flüchtlingen in Europa wird, ist sehr anstrengend und zermürbend. Dagegen ist es viel einfacher, auf Demonstrationen zu gehen. AntirassistInnen engagieren sich demnach eher allgemein gegen Rassismus und Faschismus. Dazu kommt es, dass es mit persönlichen Konsequenzen verbunden ist, das eigene Leben nahe dem von Flüchtlingen und MigrantInnen zu setzen und für viele mehrheitsdeutsche AktivistInnen nicht einmal denkbar. Die sozialen Unterschiede schaffen ein soziales Umfeld, an dem viele Flüchtlinge nicht teilnehmen können.

 

aus TATblatt Nr. +179 vom 14. Dezember 2001

 
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