Nachhilfestunde für Bartenstein
Thema: Wie liest mensch eine wissenschaftliche Studie?
Mitte Dezember letzten Jahres erschien die Kurzfassung der vom BMWA in Auftrag gegebenen Studie zur atypischen Beschäftigung in Österreich. Die Aussendung, in der Minister Bartenstein die Ergebnisse eben jener Studie präsentierte, lässt aber nur folgenden Schluss zu: Nicht gelesen oder nicht nachgedacht.
So "glaubt" er laut seiner Presseaussendung vom 14.12., "dass die meisten Menschen, die in atypischen Beschäftigungsverhältnissen tätig sind, mit ihrer beruflichen Situation zufrieden sind" (Zitat: Bartenstein). Dies schließt er aus den Angaben der Studie, in der ja nur 5% der atpyischen Beschäftigten mit ihrem Arbeitsverhältnis wirklich unzufrieden sind. Wirklich zufrieden mit ihrer Arbeitssituation sind etwa ein Drittel der Befragten, unter ihnen hauptsächlich Studierende, SchülerInnen, KarenzbezieherInnen und PensionistInnen. Es braucht nicht viel Phantasie, um die Motive der Gruppe der "Zufriedenen" zu erfassen: Für sie stellt die atypische und hier v.a. die geringfügige - Beschäftigung eine Übergangslösung ohne viele Alternativen dar. Studierende verlieren beispielsweise bei einem Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze ihre Familienbeihilfe bzw. ihr Stipendium und ihre Mitversicherung. Für KarenzgeldbezieherInnen wiederum mag die geringe Stundenanzahl ein Vorteil sein sich eineN BabysitterIn für zwei Vormittage die Woche zu organisieren ist vielerorts leichter, als einen ganztägigen Kinderbetreuungsplatz zu finden.
Nicht erwähnenswert schien unserem Herrn Wirtschaftsminister in diesem Zusammenhang, dass fast die Hälfte der geringfügig Beschäftigten (43%) und 56% der freien DienstnehmerInnen auf der Suche nach alternativen, sprich meist regulären, Teil- oder Vollzeitbeschäftigungen sind.
Auch nicht wirklich wichtig scheint für Bartenstein, dass geringfügig Beschäftigte zwar einen überdurchschnittlichen Bildungsgrad aufweisen, meist aber auf Arbeitsplätzen mit "deutlich unterdurchschnittlichem Niveau" zu finden sind.
Und zu guter letzt vergisst er in seiner Aussendung die Erwähnung der - laut Studie - "prekären Einkommenslage" der atypisch Beschäftigten: mit weniger als 625 Euro (= 8.600 S) monatlich müssen 37% der geringfügig Beschäftigten und 27% der freien DienstnehmerInnen ihr Auslangen finden. Letztere weisen zwar höhere Bemessungsgrundlagen auf, müssen aber zwischendurch auch häufig Erwerbspausen in Kauf nehmen.
aus TATblatt Nr. +180 vom 18. Jänner 2002
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