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K. und der Ausschuß

Die Herren hatten also beschlossen die Taten anderer Herren einer gestrengen Überprüfung zu unterziehen, nicht um diese zu verurteilen, gar einer Bestrafung zu unterziehen. Vielmehr mußte Gerechtigkeit geübt, eigentlich ein Anschein derselben gewahrt bleiben. Doch unabdingbare Voraussetzung von Gerechtigkeit war es zunächst, die Missetaten der Bauern anzuprangern, zu sezieren, selbst die Angelegenheiten der Bauern bis ins kleinste Hinterzimmer zu illuminieren, denn die Schuld der anderen Herren ergab sich nicht aus ihren Taten, sondern aus ihren Bauern, oder vielmehr deren Taten, die immer schon und schon längst bestraft hätten werden sollen, schon alleine weil sie Untersuchungen der einen Herren gegen die anderen Herren provozierten, gerade nötig machten.

K. näherte sich einem der vielen Tore, die der Eingang zu zahlreicheren Gängen, die in zahllose Kammern mündeten, in denen unentwegt Ausschüsse tagten, waren. Er bereitete sich darauf vor, den Verweis für sein ungerechtfertigtes Begehren zu erdulden, auch die zwangsläufige Strafe stumm hinzunehmen. Für das Vergehen des Zuhörens waren eigene Regeln durch die Herren entworfen worden, die immer und überall, aber mit besonderer Strenge in den Kammern der unentwegten Ausschüsse angewandt wurden. K. näherte sich schuldbewußten Schrittes dem Pförtner in seiner Kabine, einem ergrauten Diener der Herren, ganz unaufdringlich, von derselben Unaufdringlichkeit der Ausschüsse der Herren, der K. betroffen mit gebeugtem Rücken sitzend von unten herauf, gleichwohl herabblickend, ansah, wohl wissend, daß nunmehr die Regeln wieder verstoßen werden würden.

"Lokal 6, Euroteam-Untersuchungsausschuß. Ich möchte zuhören", presste K. hervor, leicht aber nicht aufdringlich lächelnd, jedenfalls ohne Hochmut um die Härte der Strafe zu seinen Gunsten zu mildern. Der Pförtner zuckte nur leise merklich zusammen, nicht einmal ein Kopfschütteln konnte der erneute Verstoß gegen die Regeln, die die Herren so bedacht und für das Wohl auch der Regelverstoßenden erlassen hatten, mehr erzeugen. Ohne den Blick zu heben, trotzdem fest auf dem zu Bestrafenden ruhend, nicht unfreundlich, jedoch auch nicht zu viel Hoffnung gebend, wies der Diener seiner Herren den Unwissenden auf die Regeln hin. "Der Untersuchungsausschuß ist nicht öffentlich. Es sind nur ausgewählte Medienvertreter zugelassen".

K. nahm die Belehrung mit der gebotenen Dankbarkeit hin, denn hatten früher solche Regeln der Herren in ihm Unzufriedenheit, gelegentlich gar Widerstand verursacht, so war er schon seit langem vom Nutzen der Regeln überzeugt. K. bedeutete dem Pförtner "wie immer in diesem Land", und auch dieser bekräftigte mit seiner Wiederholung des Satzes "Der Untersuchungsausschuß ist nicht öffentlich, nur Medienvertreter sind zugelassen", alleine schon durch die Bestärkung durch die selbe Wortwahl, die Gewichtigkeit und Sinnhaftigkeit der Anordnung der Herren, die ihresgleichen untersuchen wollten und dazu zunächst die Bauern bestrafen mußten, doch immer unter gewissenhaftem Ausschluß der Öffentlichkeit in Anwesenheit der Medien, aber unter Ausschluß der Pförtner, die K. stets zu seinem eigenen Wohle hinderten die Regeln zu verletzen.

aus TATblatt Nr. +181 vom 2.Februar 2002

 
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