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Australische Flüchtlingspolitik:

Proteste gegen Internierungen und Deportationen

Im Jänner befanden sich zahlreiche AsylwerberInnen im australischen Internierungslager Woomera in Hungerstreik. Sie wollten dadurch auf ihre Situation aufmerkasm machen. Zahreiche Solidaritätsaktionen begleiten die Proteste der Flüchtlinge in australischen Internierungslagern, die in den letzten Jahren mehrere Tote forderten.

TATblatt

Woomera

Die australische Regierung betreibt auf einem ehemaligen Militärgelände in Woomera in der Wüste von Südaustralien ein Flüchtlingslager, sechs Stunden Autofahrt nördlich der südaustralischen Hauptstadt Adelaide. Es gilt als ökologisch wie ökonomisch totes Land und blickt auf eine Geschichte der Vertreibung von Indigenas zurück. Ab 1947 stand Woomera dem Militär des UK als Areal zum Testen von Raketen und atomaren Sprengkörpern zur Verfügung. Zwischen 1960 und 1972 nutzte es die NASA zur Entwicklung von Spionage-Utilities. Im kompletten Stadtgebiet von Woomera war bis 1982 der Zutritt verboten. Obwohl die Stadt selbst nicht mehr als "Prohibited Area" klassifiziert wird, ist sie noch immer unter militärischer Kontrolle durch das Kriegsministerium.

Derzeit leben in Woomera 835 Männer, Frauen und Kinder hinter Nato-Stacheldraht. Immigrationsminister Philip Ruddock betont laufend, sie seinen "illegale Immigranten", die mit Hilfe von SchmugglerInnen ohne die notwendigen Papiere auf Booten ins Land gekommen seinen.

Seit einer Woche verstärken die Flüchtlinge in Woomera, einem von sechs australischen Internierungslagern für AsylwerberInnen, ihren Widerstand gegen die Flüchtlingpolitik der Regierung Howard. Hunderte Menschen sind im Hungerstreik, einige Internierte haben versucht, sich mit Tabletten, Shampoo und Reinigungsmitteln zu vergiften.

In der Nacht zum 24. Jänner 2002 erhängten sich zwei Erwachsene und ein/e Jugendliche/r in Woomera. Die Vorgangsweise der australischen Regierung hat nach Angaben von Flüchtlingsanwälten mindestens 15 AsylbewerberInnen im Lager Woomera zum Selbstmordversuch getrieben. Im vergangenen Jahr gab es mehrere Selbstmorde von Flüchtlingen in australischen Gefängnissen und Internierungslagern, was zu kurzzeitigem Einlenken führte.

Die vor allem aus Afghanistan, Iran und dem Irak stammenden Flüchtlinge wollen die sofortige Bearbeitung ihrer Asylanträge. Mehrere warten schon seit Jahren auf einen Entscheid der Behörden. Doch diese lassen sich Zeit. Flüchtlingshilfsorganisationen werfen ihnen vor, Entscheide zu verzögern, um die InsassInnen zu zermürben und so potentielle NachahmerInnen abzuschrecken.

Zwangsinternierung

Das System der Zwangsinternierung für "illegalisierte Immigranten" wurde nicht von der seit 1996 regierenden konservativen Koalition von Premierminister John Howard eingeführt, sondern Anfang der Neunzigerjahre von der sozialdemokratischen Labour-Party. Bootsflüchtlinge aus Südostasien waren die ersten InsassInnen der Internierungslager. Damals gab es allerdings wesentlich mehr Freiheiten als für die heutigen Internierten.

Die Howard-Regierung verschäfte die Bedingungen in den Lagern drastisch. Unterhalten werden die Anlagen von einer privaten US- Gefängnisfirma. Die australische Regierung beauftragte das Unternehmen ACM - Australasian Correctionals Management - mit der Leitung der Internierungslager. ACM ist Teil der Wackenhut- Gruppe, einer der größten amerikanischen "Sicherheits"-Firmen. Fast alle Lager liegen abseits von größeren Städten. Kontakt zur Außenwelt ist schwierig.

Wenn Medien Zugang zu den Lagern erhalten, was nur selten vorkommt, dann unter schärfster Aufsicht. So wenig Informationen wie möglich sollen an die Öffentlichkeit gelangen. Flüchtlinge beschweren sich regelmäßig über einen Mangel an Einrichtungen. Es gibt nichts zu tun, manche werden über Jahre festgehalten. Selbstmordversuche kommen oft vor.

Die Situation in Woomera hat vor allem den Ruf nach der Freilassung von Kindern lauter werden lassen. Ihre Festhaltung widerspricht den von der australischen Regierung unterzeichneten UN-Konventionen zum Schutz des Kindes. Ende vorigen Jahres lebten 582 Kinder in australischen Internierungslagern, darunter 53 ohne jeden Schutz von Eltern oder Bekannten.

In der australischen Öffentlichkeit gibt es noch wenig Widerspruch gegen die Flüchtlingspolitik. Kürzlich trat der Vorsitzende der Kommission für Multikulturalität "aus Abscheu" über das Verhalten Ruddocks von seinem Amt zurück. Man solle ihn wegen "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" anklagen, lautet die Forderung eines anderen Kritikers.

Deportation angedroht

Mit ihrem Hungerstreik protestierten rund 300 AsylbewerberInnen in Woomera, gegen schlechte Unterbringung sowie Verzögerungen in ihren Asylverfahren. Mehrere dutzend Flüchtlinge haben sich sogar die Lippen zunähen lassen, und etwa 30 weitere schluckten eine Mischung aus Shampoo und Reinigungsmittel. Die Regierung hatte im Dezember die Bearbeitung der Asylverfahren für Leute aus Afghanistan eingestellt, mit der Begründung, nach dem Sturz der Taliban hätten sich die Voraussetzungen geändert. Howard: "Ich denke nicht, dass es unvernünftig von uns ist zu erwarten, dass sie nach Afghanistan zurückkehren." Argenturmeldungen zufolge haben jedenfalls einige Leute dem Angebot zugestimmt.

Trotz aller Kritik und anhaltender Proteste ordnete die Australische Regierung Ende Jänner die Deportation von 67 AsylbewerberInnen aus dem Flüchtlingslager Woomera an. Laut Argenturmeldungen "werden unter den Abschiebekandidaten aus Iran, Pakistan, Afghanistan und Irak die Anführer der Proteste vermutet." Zuvor hatte ein Flüchtlingsausschuss der australischen Regierung die Schliessung des umstrittenen Asyllagers Woomera gefordert. Eine sofortige Schliessung Woomeras sei unwahrscheinlich, sagte Einwanderungsminister Philip Ruddock. Denkbar sei jedoch eine Reduzierung der Zahl der Flüchtlinge." Weiters wurde ein Zusammenhang der angeordneten Deportationen mit dem Hungerstreik abgestritten.

Später wurde der Kurs ein wenig geändert. Unter den gegebenen Umständen sei es angebracht Gelder bereitstellen, damit die rund 1100 Leute aus Afghanistan, "die keine Flüchtlinge seien", zurückkehren könnten, sagte der australische Ministerpräsident John Howard.

Proteste

Die Proteste in Australien weiten sich jedenfalls aus. Innerhalb der australischen Internierungslager weiteten sich die Proteste auf mindestens vier der sechs australischen Flüchtlingslager aus. In mindestens vier der sechs australischen Flüchtlingslagern kam es zu Protesten. So sind Ende Jänner in Maribyrnong, dem Internierungslager in Melbourne, mehr als 30 InsassInnen aus Solidatriät mit den AsylwerberInnen in Wommera in Hungerstreik getreten.

Solidemonstrationen gab es mittlerweile in zahlreichen Städten, das Einwanderungsministerium in Melbourne wurde kurzzeitig besetzt. Am 2. Februar fande in Sydney und Melbourne Demosntrationen mit 1.500 bzw. 4.000 TeilnehmerInnen statt. In Melbourne kommt es mittlerweile zu wöchentlichen Aktionen vor dem dortigen Internierungslager. Im Rahmen dieser Proteste drangen am 3.2. 50 Personen in das Lager vor. Einge Leute konnten noch, bevor die Tore geschlossen wurden, auf das Gelände gelangen, andere drangen über ein Loch im Zaun ein. So konnte mit den Eingesperrten Kontakt aufgenommen werden.

Seit 5. Jänner sind AktivistInnen im Rahmen der "Refugee Solidarity Tour 2002" unterwegs zu allen sechs australischen Flüchtlingslagern. Die Reise kann im Internet verfolgt werden: >>>www.rac-vic.org/oztour/maintour.html

Für den 12. Februar riefen die Rural Australians for Refugees (RAR) zu einer Aktion vor dem Parlament in Canborou auf. Am 12. Februar ist die erste Sitzung des Parlaments in diesem Jahr. Bei den Protesten werden von der Regierung ein Abschiebestopp, die Aufnahme von Flüchtlingen und ein Ende der Unterbringung in Internierungslagern gefordert. Zahlreiche Flüchtlingssoli-Gruppen und AntirassistInnen haben ihre Beteiliegung angekündigt.

Vom 27. März bis 2. April finden in Woomera im Rahmen der "auto-nomadic-caravan and festival of freedoms" autonome Aktionen, Screenings, Media- Streams, Workshops, Diskussionen usw. statt. Thematisiert werden neben dem Internierungslager auch die ökonomische und ökologische Situation in Woomera sowie die Vertreibung von Indigenas.

 

Links:

>>>www.no-racism.net
>>>www.antimedia.net/nooneisillegal
>>>www.antimedia.net/xborder
>>>www.woomera2002.com
>>>www.rac-vic.org
>>>www.boat-people.org

aus TATblatt Nr. +181 vom 2.Februar 2002

 
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