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Autonomes Humankapital
" WAS TUN WENNS BRENNT "
eine Filmrezension
Eine Komödie ist eine Komödie ist eine Komödie.

Für all diejenigen, die sich diesen Film ohne Biographien Bezug zur autonomen und oder linxradikalen Szene ansehen, ist dies eben eine nette Komödie, nicht mehr nicht weniger.

Außerdem spielt Till Schweiger mit.

Aber diejenigen die einen biographischen Background haben, können doch das eine oder andere Mal an Stellen schmunzeln, die den Anderen verborgen bleiben.

Die Story ist recht schnell erzählt, weil recht einfach aufgebaut.

In den sogenannten "wilden 80ziger Jahren" der HausbesetzerInnenbewegung in Westberlin mit seinen 183 besetzten Häusern und Zentren, mit Häuserrat und Infrastruktur in Kreuzberg, Demos und militanter Verteidigung der Häuser, mit einem Toten und unzähligen Verletzten und Verhafteten, entschlossen sich einigen mittels "Kochtopf " gegen Umstrukturierung und Spekulation vorzugehen. Doch die Zeitschaltuhr sprengte erst 13 Jahre später die ins Auge gefasste Villa in die Luft.

Tim und Hotte die noch immer in einem besetzten Haus wohnen wissen sofort "das war unser Ding". Die Suche nach den anderen MitstreiterInnen ist , nach dem die Polizei bei einer Hausdurchsuchung belastendes Filmmaterial gefunden hat, zwingend notwendig. Die anderen sind inzwischen Rechtsanwalt, New Economy Manager ( wenn auch überzeichnet ) , Partylady und alleinerziehende Mutter. Sie sind sich aber trotzdem einig: der Film muss her! Aber wie?

Er liegt im Herzen der Bestie - im Warroom - der Westberliner Polizei.

Soweit die nette Story, mit etwas Action und - alles wird gut - Ausgang.

Was den Film für Menschen mit linkem Background auch unterhaltsam macht, sind die handelnden Personen und ihre Geschichte.

"Warum sollte die Polizei gerade auf mich kommen, ich habe mich doch so verändert, ich würd mich ja selbst nicht mehr erkennen" sagt Nele und spricht damit indirekt ein Tabuthema der autonomen - radikalen Linken an. Denn warum "verschwinden" so viele nach einigen Jahren wieder aus der Szene. Trotz aller gesamtgesellschaftlicher Umstrukturierung und Atomisierung der Menschen bleibt ein zuwenig Nähe, zuwenig Wärme und ein "nur" an subkulturelle Codes, die mensch nur in seiner/ ihrer Jugend mit zu gehen bereit ist. Andererseits bereiten wir auch das Humankapital für die - New Economy - auf, wenn Maik sagt " auf all den endlosen Plenas in besetzten Häusern habe ich gelernt mich durchzusetzen und das zu erreichen was ich will".

Aber auch Hotte und Tim, wo noch so etwas wie politische Nähe da ist, sind irgendwie gescheitert. Hotte, nachdem ein WAWE 9 ( Wasserwerfer Nr. 9 ) ihm das Bein abgefahren hat, an den Rollstuhl gefesselt, macht sich zum Schluss Gedanken über sein künftiges Leben

" vielleicht sollte ich was über Computer lernen " - muss ja nicht im Kommerz enden, wie die Leute vom CCC ( Chaos Computer Club ) beweisen. Und unser "Held " der lonly revolution Cowboy Tim merkt auch, dass mensch mit nur Revolte nicht auf Ewigkeit seine Beziehungsunfähigkeit ( Flo ) überspielen kann.

p.s. Auch ich habe mittlerweile einige GenossInnen mit ähnlichen Biographien - NUR ICH ?

pps: (TATblatt:) Der Film ist nur geeignet für Personen, die inzwischen so viel verdienen, dass es schon egal ist, ob sie's für Autos, teure Kleidung oder schlechte Filme ausgeben.

aus TATblatt Nr. +182 vom 21.Februar 2002

 
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