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Omofuma: Prozess gegen Polizisten beginnt

34 Monate nachdem Marcus Omofuma während seiner Abschiebung erstickt war, weil ihm die begleitenden Polizisten mit einem Klebeband den Mund und Teile der Nase verklebt haben, beginnt der Prozess gegen die verantwortlichen Beamten. Für den langen Zeitraum, der vom Tod bis zum Prozessbeginn vergangen ist, gibt es eigentlich keinen Grund. Die Fakten waren von Anfang an bekannt. Ein Rückblick.

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Am 1. Mai 1999 starb Marcus Omofuma. Der bulgarische Gerichtsmediziner Stojcho Radanov stellte bereits in seiner ersten Untersuchung, die in den Tagen nach Omofumas Tod stattfand, einen "klassischen Erstickungstod" fest. Den Beamten, die jetzt vor Gericht stehen, wurden damals von den bulgarischen Behörden die Pässe abgenommen. Die Anstrengungen, einen Prozess in Bulgarien zu verhindern, waren von österreichischer Seite jedoch weitaus höher als diejenigen, die Beamten in Österreich vor Gericht zu stellen.

Radanov wurde, während er an seinem Gutachten arbeitete, des öfteren von VertreterInnen der österreichischen Botschaft aufgesucht, die ihn zu Eile mahnten oder ihm Briefe übergaben, die mögliche Todesursachen in den Raum stellten. Reinhard Mörz, damaliger Chefarzt des Innenministeriums, legte Radanov nahe, ein mögliche Überdosis in Betracht zu ziehen. Später gestand Mörz ein, dass die Vermutung, Omofuma sei an einer Überdosis gestorben, nicht gerade auf der Hand lag.

Radanov arbeitete zu diesem Zeitpunkt seit Jahrzehnten als Gerichtsmediziner und ist eine international anerkannte Kapazität. Sein Gutachten brachte ein eindeutiges Ergebnis, das keinen Anlass für Zweifel bot. Zu der Möglichkeit, Omofuma sei an einem Herzleiden gestorben, die der österreichische Gutachter Christian Reiter später in Betracht zog, meinte Radanov: "Omofuma starb infolge einer mechanischen Erstickung. Selbst wenn er irgendeine Krankheit gehabt haben sollte, war dies nicht die Todesursache. Omofuma starb, weil er verklebt wurde." Auch die Variante, Omofuma hätte sich durch körperlichen Widerstand verletzt und sei deswegen gestorben, schloss Radanov aus. Radanov war sich über den Erstickungstod Omofumas so sicher, dass er in seinen Vorlesungen Bilder der Leiche als Anschauungsmaterial für einen "klassischen Erstickungstod" verwendete.

Das Gutachten Radanovs wurde von dem späteren deutschen Obergutachter Bernd Brinkmann vollinhaltlich bestätigt. Zusammenfassend stellte Brinkmann fest: "Der Tod des Markus Omofuma am 01.05.1999 in Sofia war die Folge eines Erstickungsvorganges, bei dem eine restriktive Komponente (Brustkorbkompression) und eine obstruktive Komponente (partieller Verschluss der Atemöffnungen durch Klebeband) zusammenwirkten. Der Vorgang ist als protrahierter Prozess zu verstehen, der mit einem über zumindest 20 bis vielleicht 60 Minuten bestehenden Sauerstoffmangel verbunden war. Der Erstickungsvorgang wurde durch einen gesteigerten Sauerstoffbedarf infolge Erregungszustand und körperlicher Aktivität begünstigt. Die vorbestehende Herzschädigung kann auch bei Nachweis einzelner Lymphozytenhäufchen nicht als floride Herzmuskelentzündung bewertet werden. Ein Einfluss des leicht vorgeschädigten Herzens auf die Sterbephase im Sinne eines begünstigenden Faktors ist bei der Qualität und Quantität dieses Befundes nicht plausibel. Ein primäres, plötzliches Herzversagen als Todesursache kann aufgrund der ausgedehnten Schocksymptomatik und der Beweise für eine langzeitig bestehende ‚Vis a tergo' ausgeschlossen werden. Der im Vorgutachten beschriebenen Lungenfettembolie kann aufgrund ihrer Quantität und ihres Entstehungsmechanismus keine eigenständige pathophysiologische Bedeutung beigemessen werden." (Das komplette Obergutachten kann im Internet nachgelesen werden: >>>http://www.8ung.at/gutachten)

Die Beamten, die ab 4. März in Korneuburg vor Gericht stehen, wurden bisher mit Glacehandschuhen angefasst. Nachdem sie zurück in Österreich waren, passierte zuerst einmal zwei Wochen gar nichts. Michael Sika verlautbarte, er werde seine Beamten "nicht im Regen stehen lassen". Die Disziplinierungskommission sprach in der ersten Instanz nicht einmal eine Suspendierung aus, was dann den damaligen Innenminister Schlögl veranlasste, die Beamten bei vollen Bezügen dienstfrei zu stellen, um wenigstens irgendeine Maßnahme zu setzen. In einer zweiten Sitzung der Disziplinarkommission, die auf Grund einer Nachtragsanzeige durchgeführt werden musste, wurden die Beamten dann nach dreistündiger Verhandlung von einem neuen Vorsitzenden doch noch suspendiert. Anfang Februar 2001 wurde die Suspendierung auf Antrag des Anwaltes der Polizisten Farid Rifaat aufgehoben. Begründet wurde die Entscheidung der Disziplinarkommission - fast möchte mensch sagen ironischerweise - mit der langen Dauer der Gerichtserhebungen. Im Juli 2001 genehmigte die Oberstaatsanwaltschaft Wiens die Anklage wegen "Quälens eines Gefangenen mit Todesfolge" gegen die Polizisten. 33 Monate nach dem Tod Omofumas gab es den ersten amtlichen Entscheid: Der Unabhängige Verwaltungssenat, der sich zwischenzeitlich in der Causa schon einmal für unzuständig erklärt hatte und vom Verfassungsgerichtshof auf seinen Irrtum aufmerksam gemacht werden musste, stellte fest, dass die fremdenpolizeilichen Maßnahmen wie Mundverkleben und Fesseln rechtswidrig waren.

Der Prozess beginnt am 4. März in Korneuburg. An diesem Tag findet vor dem Landesgericht Korneuburg eine Kundgebung statt. Thematisiert werden die Praxis der österreichischen Behörden und die politische Verantwortlichkeit von Innenministerium und Sicherheitsdirektion. An allen Verhandlungstagen wird der Prozess beobachtet und auf >>>www.no-racism.net darüber berichtet.

(Siehe auch TATblatt + 115, +128, +138, +159, +163, +165, +169, +176)

aus TATblatt Nr. +182 vom 21.Februar 2002

 
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