Staudamm Ilisu endgültig gescheitert
Mitte Jänner gingen alle KommentatorInnen des Geschehens davon aus, dass mit dem Rückzug der britischen und italienischen Anlagenbaukonzerne Balfour Beatty und Impreglio der in Kurdistan geplante Staudamm Ilisu gescheitert ist. Hauptsächlich war dafür die international koordinierte Kampagne von Umwelt- und Menschenrechtsgruppen verantwortlich. Zu den Gründen verweisen wir auf >>TATblatt +178. Damals war absehbar, dass die VA Tech neben der französischen Firma Alstom als einziger nicht-türkischer Auftragnehmer zurückbleiben wird.
An der ebenso skrupellosen wie letztendlich peinlichen Kumpanei mit der Türkei hat sich nichts geändert. Doch nun ist der Allianz von türkischer Regierung und österreichischer Firma auch noch der letzte große Finanzier abhanden gekommen.
TATblatt
Erwartet wurde der Schritt der schweizerischen Großbank UBS schon seit längerem. Ende Februar verkündete der ehemalige Lead-Financier, also der führende Finanzier, dem alle anderen Finanziers folgen und der die Investition koordiniert und abwickelt, "wegen sozialer, ökologischer und kommerzieller Bedenken" das Ende seines Engagements. Bis jetzt seien von den türkischen Projektbetreibern keine Maßnahmen gesetzt worden, um diese Auswirkungen zu minimieren. Deshalb sei für die UBS der Fortschritt des Projekts nicht zufriedenstellend.
Wie erwartet gab es von Seiten der VA Tech und der Österreichischen Kontrollbank erneut keine Aussage über die Zukunft ihrer eigenen Involvierung. Sollte die VA Tech, die ökonomisch schwer angeschlagen ist, zugeben müssen, dass der geplante Lieferauftrag über 300 Mio. Euro bzw. über 4 Mrd. öS endgültig gescheitert ist, würde das den rutschenden Aktienkurs erneut unter Druck bringen. Das einzige, was die VA Tech nämlich gemäß den Analysten der Deutschen Bank noch zu bieten hat, ist ein hoher Auftragsstand; die Ertragslage selbst ist äußerst unbefriedigend.
Derzeit versuchen der Staat und die Bank Austria die VA Tech noch über Wasser zu halten. Die VA Tech zieht sowohl die Bank Austria, bei der die VA Tech kolportierte ATS 45 Mrd. Schulden hat, und auch den Aktionär Vöest Alpine nach unten. Zur Gegensteuerung soll entgegen dem sonstigen Dogma der blauschwarzen Regierung der Staat über die Dachholding aller ehemals verstaatlichten Firmen, die ÖIAG, Kapital in die VA Tech pumpen. Außerdem gibt die Bank Austria häufige Kaufempfehlungen für VA Tech-Aktien ab, obwohl andere Banken mit mehr Abstand zur VA Tech, wie die Deutsche Bank, dafür keine Grundlage erkennen können, ebensowenig für stattfindende Kursschwankungen der Aktien.
Das Management der VA Tech agiert weiterhin plan- und ziellos. Als erste Reaktion auf den Ausstieg der britischen Investoren vor ein paar Monaten wurde noch ein trotziges "dann suchen wir uns eben andere" verlautbart, und nun folgte ein kleinlautes "Wir gehen jetzt aktiv zu unserem Kunden, der türkischen Regierung, und fragen, wie es nun weitergehen soll" von Seiten des VA Tech-Sprechers Wolfgang Schwaiger. Außer dem von der Bank Austria finanzierten Standard interessierte jedoch kein einziges Medium, weder in Österreich noch international, mit welchen Durchhalteparolen die VA Tech noch Sand in die Augen von an Gewinnen interessierten Investoren streuen möchte. Die "Presse" stellte jedenfalls Mitte Februar lapidar fest, dass der Einbruch der Geschäftstätigkeit der Vöest Alpine im Jahr 2001 durch den schwachen Kursverlauf der VA Tech mitverursacht ist.
Für die internationale Finanzwelt ist der Fall Ilisu abgeschlossen. In der Schweiz begrüßte die Erklärung von Bern, eine entwicklungspolitische Gruppe, die Entscheidung der UBS alle Verträge mit der Türkei bezüglich Ilisu aufzulösen, kritisierte jedoch den späten Zeitpunkt. Schon seit Mitte 2001 liegt eine Umwelt- und Sozialverträglichkeitsstudie der internationalen Exportfinanzierungsagenturen vor, die auf eklatante Mängel, wie auf das Fehlen eines Umsiedlungsplanes oder gravierende ökologische Probleme hinweist.
In Österreich herrscht Lähmung. Weder die VA Tech, noch die Kontrollbank scheinen gewillt eine dezidierte Aussage zu treffen, bevor die türkische Regierung von selbst das Projekt für beendet erklärt. Aufrufe von österreichischen Umweltgruppen und entwicklungspolitischen Initiativen prallen an der Ignoranz des Kontrollbank- und des VA Tech-Vorstandes ab.
aus TATblatt Nr. +183 vom 14. März 2002
>>TATblatt-Homepage | >>Printausgabenindex 2002 |
©TATblatt, 2002
Alle Rechte vorbehalten
Nachdruck, auch auszugsweise,
nur in linken alternativen Medien ohne weiteres gestattet (Quellenangabe und
Belegexemplar erbeten)!
In allen anderen Fällen
Nachdruck nur mit Genehmigung der Medieninhaberin (siehe Impressum)