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Demo gegen Netzzensur

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Zum ersten mal in ihrer Geschichte riefen der Chaos Computer Club und die Online-Demonstrations-Initiative ODEM zu einer Straßen-Demonstration auf. Unter dem Motto "Wegfiltern ist Wegschauen" demonstrierten sie gegen den Versuch in Teilen der BRD per Erlass allgemein nur noch einen eingeschränkten, gefilterten Netzzugang zu ermöglichen. Auf großen Transparenten und Plakaten mit Schlagworten wie "Zensur, in China, Irak und NRW", "Zensur ist kein Konzept" machten die TeilnehmerInnen ihren Ärger über die Zensurversuche des Regierungspräsidenten Luft. Auf einem Demonstrationswagen bauten sich die AktivistInnen vor ihren mitgebrachten Computern mit verklebten Mündern und Händen auf, um aufzuzeigen, dass nicht nur das Recht auf Informationsverbreitung, sondern auch das Recht auf Informationsbeschaffung unterbunden würde.

In Bundesländern wie Nordrhein-Westfahlen wird gerade versucht per Filter rechtsextreme Websites für alle InternetnutzerInnen zu sperren. Websiten, deren Inhalte vielmehr Anlass zu breiten gesellschaftlichen Debatten über Fremdenhass und rechtsradikale Strömungen in Deutschland sein sollten, geht es nach dem CCC. Mit dem primitiven Versuch, derartige Inhalte für InternetbenutzerInnen unsichtbar zu machen wird allerdings allerdings diese gesellschaftliche Realität eher geleugnet: "Die Herstellung eines Klimas von kultureller Akzeptanz und die Auseinandersetzung auch mit extremen Strömungen im Rahmen eines gesellschaftlichen Disputs sehen wir durch eine staatliche Filterung der Netzkommunikation gefährdet" erklärte CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn die Motivation der VeranstalterInnen.

Dem durch das große Medienecho der Demonstration überraschten und kurzfristig angereisten stellvertretenden Regierungspräsident der Bezirksregierung wurde von den DemonstrantInnen die "rote Netzwerkkarte" als Mahnung der ZensurgegnerInnen überreicht. Zu einer Überraschung kam es, als der Vertreter der Bezirksregierung eine Unterschriftenliste gegen die Filterpläne entgegennehmen wollte. Im Augenblick der Übergabe des beeindruckenden Papierstapels, der über 6500 Unterschriften enthielt, löste sich plötzlich ein als Ordner verkleideter DemonstrantInnen aus der Menge, und nahm dem völlig verdutzten Herrn Büssow den Karton mit den Unterschriften wieder aus der Hand. Als Ersatz überreichten die OrganisatorInnen ein paar Ausgaben Micky-Mouse Hefte und Werbeprospekte. Dies sei, das was überbleibt, wenn im Netz eine heile Welt vorgespielt wird.

Die Unterschriftenaktion gegen Netzzensur (>>>http://www.odem.org/informationsfreiheit) wird noch bis zum Sommer weiterlaufen, und erst dann offiziell übergeben werden.

aus TATblatt Nr. +185 vom 12. April 2002

 
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