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Ein Amsterdamer Gericht hat am 15. April entschieden, dass der Internetprovider "xs4all" die Seiten der Digital-Version der in Deutschland verbotenen Zeitschrift "Radikal" vom Netz nehmen muss. Bei Nichtbefolgen dieses Beschlusses muss "xs4all" 10.000 Euro Strafe pro Tag entrichten, an dem die Seiten erreichbar sind. Inzwischen führt die URL "http://www.xs4all.nl/~tank/radikal" ins leere, "xs4all" hat die Seiten vom Netz genommen.

Zur Debatte steht aber viel mehr: nämlich nichts weniger als das Bestreben von Konzernen, bzw. staatlichen Einrichtungen, ihnen missliebige Seiten aus dem weltweiten Netz zu verbannen. Dieser Versuch wird an der bislang unkontrollierten Zeitschrift "Radikal" geprobt.

Auch Indymedia Niederlande ist derzeit in den begehrlichen Fokus der AnwältInnen der Deutschen Bahn AG geraten. Indymedia.nl weigert sich nämlich auch weiterhin, die von den AnwältInnen der DB kritisierten Veröffentlichungen über bestehende Mirror-Sites der Radikal-Seiten zu löschen. Mehr Erfolg hatten die AnwältInnen bei BetreiberInnen von Suchmaschinen wie Google, Altavista und Yahoo. Diese waren abgemahnt worden Links zu den inkriminierten Seiten zu löschen und haben das zwischenzeitlich auch getan.

Einen Spiegel der Radikal-Seite gibt es unter http://squat.net/radikal

Die Angst vor dem Bedrohungsszenario ("Anarchie und Chaos in Österreich"), das dem Bundeskanzler in den letzten Monaten wohl die meisten seiner schlaflosen Nächte gekostet haben dürfte (siehe auch TATblätter +165 und +167), zeitigt nun seine ersten legistischen Auswirkungen. Der seit kurzem zur Begutachtung vorliegende Entwurf des Strafrechtsänderungsgesetzes 2002 sieht neben Änderungsvorschlägen "zur wirksameren Bekämpfung des Terrorismus" auch eine große Zahl von neuen Regeln im so genannten Bereich "Cybercrime" vor.

Paragraf 118a StGB ["Widerrechtlicher Zugriff auf ein Computersystem"] hat eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten für bloßes Betreten geschützter Bereiche in petto, wenn "spezifische Sicherheitsvorkehrungen" umgangen werden. Die Beweislast wird umgekehrt. Der/die betroffene UserIn muss künftig beweisen, dass er/sie keine Sicherheitsvorkehrungen überwunden hat, sondern dass der/die EigentümerIn des Rechners in Bezug auf die Sicherheit fahrlässig gehandelt hat, was in der Praxis schwer sein dürfte, zumal EigentümerInnen den betreffenden Rechner kontrollieren und kein Interesse daran haben werden ihre Sicherheitslücken auch weiterhin so zu belassen wie sie sind.

"Beschädigung von Daten oder Computersystemen" wird nach dem neuen Paragrafen 126a mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren geahndet, wenn der Schaden jenseits von 2.000 Euro liegt. In der Praxis zielt dieser Paragraf eigentlich auf eine kleine Gruppe von TäterInnen [so genannte "DefacerInnen"] ab, die mangelhaft abgesicherte Rechner cracken und die Frontpage einer Website temporär durch eigene ersetzen. Wer einen 40.000 Euro übersteigenden Schaden auf einem fremden Netzwerk herbeiführt, wird dafür zukünftig mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft.

aus TATblatt Nr. +186 vom 2. Mai 2002

 
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