Jef
Geeraerts.
Der Generalstaatsanwalt.
Unionsverlag.
315 Seiten.
20,40 Euro. |
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Es
gibt ein Land Europas, das zu Recht wenig bekannt ist. Nur dort hat sich
ein Ebenbild Österreichs erhalten, allerdings gleich doppelt. Große
Koalition, Packeln, Biegen von Gesetzen, irrwitzige Bürokratie, geistige
Öde. Da Belgien in einen flämischen und einen wallonischen Teil
geteilt ist, existiert das alles gleich zweimal. Ein Alptraum.
Doch ab
und zu blitzen Schlagzeilen durch die Medien. Da hat die Hormonmafia wieder
einen staatlichen Tierkontrolleur um die Ecke gebracht, dort leeren sich
die Regale nach einem Fleischskandal, in Brüssel tritt wie alle paar
Monate wieder einmal ein Minister zurück. Waffenschieber, wahnsinnige
AutofahrerInnen (der Führerschein wurde erst 1972 verpflichtend eingeführt),
verrottete Industrien, bürokratische Willkür. Dieses Bild hat
das Ausland von Belgien, wenn es überhaupt ein Bild hat.
Der Autor
Jef Geeraerts ist mit bemerkenswertem Eifer daran gegangen, dieses Bild
zu verfestigen. Ein Generalstaatsanwalt lebt sein korruptes Leben in Saus
und Braus, bis sich der Opus Dei für ihn interessiert, um ihn zu
erpressen. Die akribische Schilderung dreckiger Methoden und liebevoller
Details setzt genaue Kenntnisse voraus. Geheimnisse dürften es in
Belgien aber länger keine mehr sein, denn Geeraerts nennt als Drahtzieher
reale Banken und Opus Dei-Filialen mit eingeschlossener fast schon wolllüstiger
Beschreibung der Riten der Machtausübung, bei den einen wie den anderen.
Zu den Schlüsselszenen gehören etwa die ausgiebigen Schilderungen
der Behandlung von niederen Opus Dei-Mitgliedern, besonders der Frauen,
durch die Oberen, deren verklemmte Sexualität und die daraus resultierende
sublimieriende Kasteiung. Geeraerts hatte selbst eine einschlägige
Jugend bei den Jesuiten zu verkraften, wobei ihm anzumerken ist, daß
er diese aus seinem innersten Wesen noch mehr hasst als die Opus-Dei-Leute.
Der Staatsanwalt
lebt in seinem Wahn der Unangreifbarkeit, da alles und jedes um ihn korrumpiert
ist. Doch mit der Attacke des Opus Dei kommt selbst er ins Wanken und
zu Sturz.
Dieser politische
Krimi war in Belgien ein großer Erfolg, zumindest genauso aber in
den Niederlanden. Wenn wir in die Geschichte zurücksehen, finden
wir die Lösung dafür. Die Niederlande verdanken ihre Eigenständigkeit
dem Kampf gegen die spanischen Habsburger, der erfolgreich war und als
Kompromiß mit dem Verbleib von Flandern bei Spanien endete. Jahrzehnte
später gab es eine kurze Phase eines gemeinsamen Staates, die mit
der Trennung auf Wunsch der Flamen endete. Seitdem sind die katholischen,
verfressenen und versoffenen BelgierInnen in den Augen der ziemlich asketischen
protestantischen NiederländerInnen ein Abbild des Verfalls. Es kann
Geeraerts durchaus unterstellt werden, daß er auf diese Weise das
Vorurteil ausgenützt und für den niederländischen Buchmarkt
einen Kassenschlager geschrieben hat.
Das soll
aber nicht die Aussage des Buches schmälern, das in Österreich
wahrscheinlich auf Betreiben der Pfaffen beschlagnahmt worden wäre.
Es verdient Massenabsatz im Land von Schönborn und Küngg, die
hier unbehelligt werken können, ohne durch jemanden wie Geeraerts
behelligt zu werden.
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