Rund
6.000 Menschen wollten Ende Jänner in der Schweiz gegen das Jahreshaupttreffen
des WEF und den drohenden Krieg im Irak protestieren. Bis in den Skiort
selbst gelangten aber auch heuer nur einige hundert Personen. |
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Da
auch die Behörden aus dem organisatorischen Desaster im Jahr 2001 -
beim letzten Treffen des WEF in der Schweiz - gelernt hatten, war diesmal
die Demo im Vorfeld zwar nicht verboten, sondern von den mit hohen Sicherheitsauflagen
belegt worden. Ähnlich wie bei Fußballspielen sollten alle DemonstrantInnen
nur einzeln durch Sicherheitsschleusen mit angeschlossener Polizeikontrolle
hindurch den Skiort Davos betreten dürfen. So zumindest sahen es die
Konzepte vor, die dem Oltener Bündnis, den OrganisatorInnen der Demonstration,
vorgelegt worden waren.
Der Weg
in die Berge.
Vor Ort
sah dann jedoch alles anders aus, als die Polizei geplant hatte. Im Wissen,
dass viele der anreisenden DemonstrantInnen nicht durch die Schleusen
gehen würden, füllte sich am Samstag dem 25. Jänner um
10 Uhr in Zürich ein Sonderzug mit einer Demo-Delegation von 250
Personen, die nicht bereit waren, die Auflagen der Polizei zu akzeptieren.
Bei der Polizeischleuse in Fideris - der nächsten Ortschaft vor Davos
- war dann Schluss. Die DemonstrantInnen weigerten sich kollektiv den
Zug für die Kontrollen zu verlassen. Gleichzeitig machten sich mehrere
Busse der Gewerkschaften auf den Weg nach Fideris, wo sie die Forderung
nach der Aufhebung der Kontrollschleusen unterstützten, indem sie
die Straße nach Davos blockierten.
Durch den gemeinsam aufgebauten Druck, kam es in der Folge zu Verhandlungen
zwischen den DemonstrantInnen und der Polizei, im Zuge derer nach rund
einer Stunde eine Lösung gefunden werden konnte, die nicht nur für
diesen Zug gelten sollte, sondern auch für alle weiteren: Die Abmachung
lautete, dass drei PolizistInnen in zivil die Züge durchschreiten
und ihnen verdächtig erscheinende Gepäckstücke kontrollieren
könnten. Eine individuelle Kontrolle von AktivistInnen wurde abgelehnt.
Diese Einigung löste auch bei den übrigen, zwischenzeitlich
in weiteren Sonderzügen angereisten DemonstrantInnen, die in einem
Polizeikessel in Lanquart - der nächstgelegenen Kleinstadt - festgehalten
wurden, mehrheitlich Zustimmung aus.
Doch die Freude sollte nicht zu lange währen. Beim zweiten Zug in
Fideris verlangte die Polizei entgegen der zuvor getroffenen Abmachung
erneut, dass sich die Leute in die Schleusen begeben sollten. Rund 20
Personen folgten dieser Aufforderung, die restlichen 700 blieben erneut
im Zug sitzen. Die Polizei weigerte sich nun, den Zug weiterfahren zu
lassen.
In Davos war die Enttäuschung bei den mittlerweile 3000 Personen
groß. Die Gewerkschaften und einige andere Gruppen entschieden sich,
Davos wieder zu verlassen, weil die freie Meinungsäußerung
unter diesen Umständen nicht gewährleistet war. Rund 2000 verbliebene
Personen marschierten gegen 16.30 Uhr unter dem Motto: "Alles läuft
verkehrt!" rückwärts zum Davoser Rathaus in Davos-Platz,
um dort als symbolischer Akt die Demonstrationsbewilligung zurückzugeben.
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Die
DemonstrantInnen weigerten sich kollektiv den Zug für die Kontrollen
zu verlassen. |
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Als Reaktion
auf die von der Polizei gebrochene Abmachung, versuchten zur gleichen
Zeit einige hundert DemonstrantInnen wenige Kilometer entfernt in Lanquart
die in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof gelegene Autobahn zu besetzen,
was von der Polizei mit Gummigeschossen, sowie deutschen Wasserwerfern
und einem großflächigem Tränengaseinsatz verhindert wurde.
Nachdem wegen der gegen einen Zug eingesetzen Wasserwerfer der Strom am
Bahnhof abgestellt werden musste und kurz darauf überhaupt der ganze
Bahnhof in einer Tränengaswolke versank, machten sich die nunmehr
rund 1.500 DemonstrantInnen von Lanquart nach Bern auf, um dort weiterzudemonstrieren.
Polizei
eskaliert Demonstration.
In Bern
sollte eine spontane Demo gegen die polizeistaatlichen Maßnahmen
in Landquart, Fideris und Davos, sowie gegen die Rückweisungen an
der Schweizer Grenze stattfinden. Doch kaum formierte sich ein Demozug
gegen 21 Uhr, wurde dieser auch schon vom bereitstehenden Wassserwerfer
und mit Tränengas angegriffen. Rund 400 PolizistInnen aus Bern und
anderen Polizeikorps drängten die Demonstranten in einem ersten Einsatz
mit einem Wasserwerfer sowie mit Tränengas und Gummigeschossen gezielt
von Bahnhof, Altstadt und Bundeshaus weg in Richtung des Autonomen Kulturzentrums
Reithalle, woraufhin die Situation eskalierte.
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Doch kaum
formierte sich ein Demozug gegen 21 Uhr, wurde dieser auch schon vom bereitstehenden
Wassserwerfer und mit Tränengas angegriffen.
Alles in
allem war die diesjährige Demo aber ein beeindruckendes Beispiel
dafür, wie radikale Positionen im Rahmen des kollektiven Ungehorsams
auch
in einem recht breiten Bündnis umgesetzt werden können.
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Einige eingeschmissene
Fensterscheiben, beschädigte Autos und brennende Barrikaden später,
beruhigte sich die Situation gegen 2 Uhr wieder. Eine Hand voll DemonstrantInnen
wurden auch vorübergehend festgenommen. Der als Folge des Polizeieinsatzes
resultierende Sachschaden dürfte ca. 500.000 Franken betragen.
Alles in
allem ...
Die Behörden
bezeichneten ihr Sicherheitskonzept im Rückblick als erfolgreich.
Im Unterschied zu 2001, als Zürich sich als Opfer der Polizeistrategie
sah, wurde das Einsatzkonzept in Bern dieses Jahr nicht bemängelt.
Einiges will die schweizer Polizei nächstes Jahr aber doch anders
machen. So soll zum Beispiel 2004 die ganze Schweiz - nicht nur ein einzelner
Kanton - als akutes Einsatzgebiet betrachtet werden. Auch auf gesetzlicher
Ebene wollen einige Parteien ein Vermummungsverbot für die ganze
Schweiz erlassen. Bisher gibt es von Kanton zu Kanton unterschiedliche
Regelungen.
Auch die Haltung des Oltener Bündnis, das mit dem Konzept des kollektiven
Zivilen Ungehorsams gegenüber den Polizeimaßnahmen vertrat,
wurde in den Tag nach der Demo vor allem von den linken Parteien kritisiert.
Während die SozialdemokratInnen dem Bündnis vorwarfen, durch
die mangelnde Kooperationsbereitschaft mit der Polizei, eine "friedlich
Großkundgebung" in Davos verhindert zu haben, verloren auch
die Grünen keine Zeit sich von dem Bündnis zu distanzieren.
Alles in allem war die diesjährige Demo aber ein beeindruckendes
Beispiel dafür, wie radikale Positionen im Rahmen des kollektiven
Ungehorsams auch in einem recht breiten Bündnis umgesetzt werden
können. Auch wenn das wohl im Vorfeld viel Arbeitet bedeutet hat.
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