Vom
6. bis zum 18. April 2003 werden sich die Vertreter der Regierungen dieser
Welt in Wien treffen, um den Zehn-Jahres-Plan zur Drogenbekämpfung
zu überprüfen, der 1998 in New York ausgerufen wurde. In den letzten
fünf Jahren hat sich ein internationales Netz gebildet, bestehend aus
Organisationen von BürgerInnen und unabhängigen Sachkundigen,
mit der Absicht, die PolitikerInnen über die Untauglichkeit der Drogenprohibition
aufzuklären und aufzuzeigen, dass es Alternativen gibt. |
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Internationale
Lage:
2003 - die
Welt so wie wir sie kennen, befindet sich im Würgegriff dreier internationaler
Abkommen: der Single Convention on Narcotic Drugs von 1961 (ergänzt
1972), der Convention on Psychotropic Substances von 1971 und der Convention
against Illicit Traffic in Narcotic Drugs and Psychotropic Substances
von 1988. Vom 6. bis zum 18. April 2003 werden sich die Vertreter der
Regierungen dieser Welt in Wien treffen, um den Zehn-Jahres-Plan zur Drogenbekämpfung
zu überprüfen, der 1998 in New York bei der UNGASS ausgerufen
wurde und besonders vom damaligen UNDCP-Chef und ehemaligen Kriminologen
Pino Arlacchi propagiert wurde. Dieser Plan sieht eine Reduktion von Angebot
und Nachfrage gegen Null bis zum Jahr 2008 vor. Es geht also um die alte
ultrakonservative Wahnvorstellung von einer drogenfreien Welt. Fünf
Jahre dannach ist die Pleite komplett und die Vertreibung Arlacchis von
seinem Posten als UNDCP-Chef ist ein deutliches Zeichen dafür. Es
steht jedoch zu befürchten, dass diese Erkenntnisse nicht zum Abbau
des polizeilichen (und in einigen Fällen militärischen) Dispositivs,
das zur Bekämpfung des Drogenhandels aufgebaut und ständig erweitert
wurde, führen. Schon die Rede von der "Bekämpfung"
macht deutlich, dass es hier nicht um den polizeilichen Normalfall, die
Verfolgung von Straftaten, geht. Der Drogenhandel sei international organisiert
und den kriminellen Organisationen wird eine Gefährdung des Staates,
der legalen Wirtschaft, ja des gesamten gesellschaftlichen Gefüges
zugeschrieben. Die USA, die zweifellos weltweit die führende Rolle
in der Drogenbekämpfung spielen, haben dieses Konstrukt als Legitimation
ihres repressiven Regimes nach innen sowie ihrer Kanonenboot-Politik nach
außen benutzt und in den 70ern und Ende der 80er-Jahre den so genannten
"War on Drugs" ausgerufen, der in einigen Ländern nicht
nur im übertragenen Sinn als Krieg geführt wird. Aber auch die
europäischen Staaten sehen den Drogenhandel als einen Staatsschutzfall,
der besondere - "operative" - Methoden sowie internationale
Zusammenarbeit erfordere. Weltweit verlagern die Staaten (vielfach auf
Drängen der USA) ihr drogenpolitisches Engagement immer mehr auf
Repression und überlassen damit Handel und Vertrieb vielfach mafiösen
Strukturen, für deren Bekämpfung immer mehr Potential des Polizeiapparates
notwendig wird. Eine "self-fullfilling prophecy" also, oder:
die Katze beißt sich in den Schwanz. Offensichtlich existiert in
den Köpfen der selbst ernannten Damen und Herren Drogenbekämpfer
eine ideologische Vorstellung der Welt - keine realistisch? In den letzten
fünf Jahren hat sich ein internationales Netz gebildet, bestehend
aus Organisationen von BürgerInnen und unabhängigen Sachkundigen,
mit der Absicht, die PolitikerInnen über die Untauglichkeit der Drogenprohibition
aufzuklären und aufzuzeigen, dass es Alternativen gibt. Die Rede
ist vom ICN-Netz (International Coalition for Just and Effective Drug
Policies). In den nächsten Monaten werden die ICN-Mitglieder von
Europa aus Druck auf die jeweiligen Länder ausüben, damit der
Wiener Gipfel im April 2003 als Chance begriffen wird für eine Revision
der seit Jahrzehnten herrschenden Drogenprohibitionspolitik.
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*) Das Suchtgiftgesetz
wurde am 1. Jänner 1998 durch das Suchtmittelgesetz abgelöst
und erfasst seither auch psychotrope Stoffe.
**) Personen,
die wegen Suchtgiftmissbrauchs oder der Gewöhnung an Suchtgift gesundheitsbezogener
Maßnahmen gemäß Abs. 2 bedürfen, haben sich den
notwendigen und zweckmäßigen, ihnen nach den Umständen
möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen gesundheitsbezogenen
Maßnahmen zu unterziehen. Bei Minderjährigen haben die Eltern
oder anderen Erziehungsberechtigten im Rahmen ihrer Pflicht zur Pflege
und Erziehung dafür zu sorgen, dass sie sich solchen Maßnahmen
unterziehen. Gesundheitsbezogene Maßnahmen sind (1) die ärztliche
Überwachung des Gesundheitszustands, (2) die ärztliche Behandlung
einschließlich der Entzugs- und Substitutionsbehandlung, (3) die
klinisch-psychologische Beratung und Betreuung, (4) die Psychotherapie
sowie (5) die psychosoziale Beratung und Betreuung durch qualifizierte
und mit Fragen des Suchtgiftmissbrauchs hinreichend vertraute Personen.
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Nationale
Lage:
Wie sieht
nun die Situation in Österreich aus. Laut dem Bericht zur Drogensituation
2002 stieg die Zahl der Anzeigen wegen Verstoßes gegen das Suchtgiftgesetz/Suchtmittelgesetz*
in Österreich von 7.805 Personen 1992 auf 21.302 Personen 2001. Zu
einem besonders deutlicher Sprung von Anzeigen kam es seit der ÖVP-FPÖ-Regierung.
Um fast 4.000 Personen wurden 2001 mehr verhaftet als im Jahr 1999. Ob
dies auf die Verschärfung der Geringfügigkeitsmenge bei Heroin
(von 5 Gramm auf 3 Gramm) zurückzuführen ist, bleibt dahingestellt.
Bemerkenswert ist die extrem hohe Zahl von 11.033 ErsttäterInnen
(darunter fallen auch in hohem Ausmaß einfache KonsumentInnen, wobei
der Konsum laut SMG in Österreich nicht strafbar ist. Aber die Praxis
in einzelnen Bundesländern sieht wohl anders aus) Der weitaus größte
Teil wurde wegen Besitz, Konsum oder Handel mit kleinen Mengen von Cannabis
verhaftet. Insgesamt wurden nach dem Suchtgiftgesetz/Suchtmittelgesetz
in Österreich 3.862 Personen verurteilt. 1992 waren es noch 1.720
Personen. Wurden 1992 nur 2,3% aller Verurteilungen nach SGG/SMG verurteilt,
waren es 2001 bereits 10%. Sieht man sich nun die statistischen Daten
nach Art des Rauschmittels an, ist Folgendes festzuhalten: Von 33.749
Anzeigen insgesamt österreichweit sind 58,5% nur auf Cannabis bezogen.
Im Gegensatz dazu waren es ca. 10% der Anzeigen betreffend Heroin und
Opiate sowie 10% betreffend Kokain. Infolge dessen kommt es zu Problemen
im Bezug auf die Umsetzung der im SMG geregelten Begutachtungen in Hinblick
auf erforderliche gesundheitsbezogene Maßnahmen nach §11 SMG**.
Zum Einen gibt es - trotz offizieller Schwerpunktsetzung auf den (organisierten)
Drogenhandel im Bereich der Repression - weithin eine sehr große
Zahl von Anzeigen von DrogenkonsumentInnen, die sich zudem meist ausschließlich
auf Cannabis beziehen. Zum Anderen verordnen die im Rahmen der mittelbaren
Bundesverwaltung befassten Bezirksgesundheitsbehörden (Amtsärzte)
in den meisten Fällen gesundheitsbezogene Maßnahmen, was zu
Überlastung der Drogeneinrichtungen führt, denen in Folge die
Ressourcen für ihre Kernaufgaben fehlen. Im Burgenland bezogen sich
im Jahr 2001 75% aller Begutachtungen ausschließlich auf Cannabis,
bei 70% wurde eine gesundheitsbezogene Maßnahme angewiesen, in Wien
waren es dagegen nur rund 20%. In Österreich kam es im Jahr 2001
zu 139 direkt suchtgiftbezogenen Todesfällen, die Anzahl der indirekt
suchtgiftbezogenen Todesfälle beläuft sich auf 45 (unter indirekt
sind Todesfälle aufgrund von Krankeiten, Morden, Unfällen und
Selbstmorden zu verstehen). Die Zahl der direkten Drogentoten ging im
letzten Jahr um 16,8% zurück. Die Verteilung der Drogenopfer nach
Intoxikation stellt sich folgendermaßen dar: Ein Opiat 11, mehrere
Opiate 6, Opiate und Alkohol 17, Opiate und psychoaktive Medikamente 28,
Opiate und Alkohol und psychoaktive Medikamente 21. Opiate und andere
Suchtgifte: Ausschließlich Suchtgifte 14, Suchtgifte und Alkohol
8, Suchtgifte und psychoaktive Medikamente 19, Suchtgifte und Alkohol
und psychoaktive Medikamente 12. Suchtgifte ohne Opiate: Ausschließlich
Suchtgift 1, SG und Alkohol 1,SG und Alkohol und psychoaktive Medikamente
1. Dieser Bericht zeigt, dass die wenigsten Drogenopfer an den Folgen
von Heroin oder Opiaten sterben sondern dass der größte Teil
an den Folgen des Mischkonsums mit "legalen Substanzen" stirbt.
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Es
ist absurd zu Glauben, den Drogenhandel mit Repressalien begegnen zu können.
Während soziale Einrichtungen um jeden Euro kämpfen müssen,
werden Millionen durch sogenannte Großrazzien gegen Konsumentinnen
(wie auf der Kettenbrückengasse) verschwendet. |
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Umso erstaunlicher
ist die momentane mediale Hetze und polizeiliche Repression gegen DrogenkonsumentInnen
und so genannte Dealerbanden. Vom Prinzip "Therapie statt Strafe"
wurde auch immer mehr abgegangen, so füllen sich die Gefängnisse
immer mehr und auch nach scheinbar spektakulären Erfolgen der Polizei
(Operation Spring etc.) blüht der Drogenhandel weiter in Wien. Es
ist absurd zu Glauben, den Drogenhandel mit Repressalien begegnen zu können.
Während soziale Einrichtungen um jeden Euro kämpfen müssen,
werden Millionen durch so genannte Großrazzien gegen KonsumentInnen
(wie auf der Kettenbrückengasse) verschwendet . In den letzten Monaten
wird verstärkt durch die großen Printmedien gegen vermeintliche
"schwarzafrikanische Drogenbanden" gehetzt. Schwarze in Österreich
sind so einer allgegenwärtigen Diskriminierung ausgesetzt. Und kaum
eine/R solidarisiert sich mit ihnen, und sie haben keine Lobby, die sie
unterstützen. Abschließend wollenen wir folgende Behauptung
herausstreichen - denn Untersuchungen dazu gibt es bis jetzt nicht - der
weitaus größte Teil der DrogenkonsumentInnen weiß ganz
genau mit der/den Droge(n) umzugehen. Er oder sie schädigt mit dem
Konsum weder sich selbst noch andere und wird erst durch die Prohibition
kriminalisiert, und ins soziale Abseits gedrängt. Drogenkonsum von
"illegalisierten" Drogen ist keine Randerscheinung sondern findet
im gesellschaftlichen Zentrum statt. Aufgrund der Tatsache, dass der Drogenkonsum
gestiegen ist, sollten Initiativen, die Informationen und Aufklärung
anbieten, mehr gefördert werden, um den eigen verantwortlichen Umgang
mit Drogen zu intensivieren .
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Selbstdarstellung:
u-n-o - utopische nonprohibitionistische organisation
die u-n-o
ist ein zusammenschluss von expertinnen, journalistinnen, künstlerinnen,
sozialarbeiterinnen und -pädagoginnen, konsumentinnen, politikwissenschafterinnen,
arbeitslosen, informatikerinnen, juristinnen und soziologinnen. gemeinsam
befassen sich die personen aus diesen verschiedenen umfeldern seit langem
mit dem themenkomplexen drogen, prohibition und deren auswirkungen auf
die gesellschaft. die diversen persönlichen sichtweisen und bedürfnissen
ermöglichen eine breit geführten diskussion abseits des alltäglichen
umgangs mit drogen und drogenkonsumentinnen ("droge als krankheit",
"kriminalisierung", ...). die u-n-o versucht einen alternativen
zugang zur drogen-"problematik" zu schaffen und neue aspekte
in den gesellschaftlichen diskurs einzubringen. eine offene diskussion
über das bedürfnis von millionen menschen muss möglich
sein. wir plädieren für information und aufklärung, für
den verantwortungsbewussten umgang mit drogen, im speziellen für
die eigenverantwortlichkeit der individuen. im rahmen von europäischen
und internationalen kooperationen wird die u-n-o gemeinsame konzepte entwickeln,
die impulse für eine neue drogenpolitik setzen sollen.
>>>www.u-n-o.org
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