Michael
Moore:
Stupid White Men.
Eine Abrechnung mit dem Amerika unter George W. Bush.
Piper Verlag; 2002.
329 Seiten; 12,40 Euro.
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Tragisch-witzig
ist er, der Moore, im Film wie im Buch.
Einleitend
zwei Fragen: Erstens, haben Sie Michael Moores Film Bowling for Columbine
gesehen? Und zweitens, können Sie sich vorstellen in einem Land zu
leben, in dem Private über mehr Schusswaffen verfügen als Exekutive
und Armee zusammen?
Beantworten sie die erste Frage mit Ja, dann haben Sie sich wahrscheinlich
auf Kosten der US-amerikanischen Waffenlobby und ihrer paranoiden Spießgesellen
ganz gut unterhalten. Lautet Ihre Antwort auf die zweite Frage aber Nein,
dann sollten Sie schon einmal in Deckung gehen - Sie leben in einem solchen!
(Der Standard vom 27.02.03). Einer ihrer werten Mitbürger, ein Salzburger
Pensionist und "Waffensammler", soll über seinen zwölf
Maschinengewehren sogar geschlafen haben. Zweihundert Faustfeuerwaffen
und eine Handgranate haben seine Träume bestimmt noch zusätzlich
versüßt (Der Standard vom 06.03.03).
Worüber machen wir uns also lustig, und worüber regen wir uns
eigentlich auf? Dass "die Amerikaner" Waffennarren sind? Dass
die drei reichsten unter ihnen zusammen ein größeres Vermögen
haben als die gesamte Bevölkerung der sechzig ärmsten Länder
der Erde? Dass wohl auch in deren Namen gerade Krieg geführt wird?
Übrigens angeführt von einem Präsidenten, der aus der eigenen
Familiengeschichte schon gelernt haben könnte, wie mensch durch Krieg
und Vernichtung reich wird. - Sie schütteln den Kopf? Nein? Sie nicken
zustimmend. Haben wir's denn nicht immer schon geahnt, haben wir's nicht
schon gewusst?!
Aber haben sie sich denn schon Gedanken darüber gemacht, was Ihre
eigene Familiengeschichte damit zu tun haben könnte? Nein? Na, eben
dieses: "In den späten dreißiger Jahren und während
der vierziger Jahre war Prescott Bush, der Vater von George und Großvater
von George W., einer von sieben Direktoren der Union Banking Corporation,
die nationalsozialistischen Industriellen gehörte. Diese wuschen
ihr Geld mittels einer holländischen Bank und deponierten heimlich
schätzungsweise 3 Millionen Dollar in Bushs Bank. Es ist unwahrscheinlich,
dass Bush als Vorstandsmitglied der Bank von diesen Verbindungen mit den
Nazis nichts wusste. Die Regierung beschlagnahmte schließlich das
Geld der Nazis, und die Bank wurde 1951 aufgelöst. Dabei erhielten
Prescott und sein Vater Sam Bush 1,5 Millionen Dollar."
Eine Fußnote in Michael Moores Bestseller Stupid White Men reicht
also aus, um vieles wieder ins Lot zu rücken. Für Antiamerikanismus
bleibt da kein Platz, wenn der Autor und Filmemacher mit Kritik an der
derzeitigen Führung seines Landes auch nicht hinter dem Berg hält.
Der "Präsident" (Anführungszeichen im Original; Anm.)
sei nämlich erstens Säufer, zweitens Verbrecher und drittens
und überhaupt nicht wirklich gewählt. Der Unterstützer
des amerikanischen Grünen Ralph Nader kann auf seine Art den (entscheidenden)
Wahlbetrug von Florida klipp und klar beweisen. Er schildert darüber
hinaus, warum die Mehrheit in den Vereinigten Staaten immer ärmer
werden muss, damit die Milliardengewinne der Minderheit immer noch wachsen
können. Er hinterfragt auf ironische Weise rassistische Stereotypen,
sorgt sich um Meinungsfreiheit und das ökologische Schicksal des
Planeten, beschreibt Monströsitäten wie Normalität der
US-Außenpolitik und alle Vorteile von Todesstrafe und "Zero
Tolerance". Hackt er dabei auch auf Bush und Konsorten heftig herum,
verliert er dennoch nicht aus dem Blick, was die Demokraten unter Bill
Clinton nicht schon alles verbrochen haben.
Zensur oder
Bestseller?
Damit konnte
sich Moore freilich nur in die Nesseln setzen. Ob und unter welchen Bedingungen
sein Buch angesichts der eskalierten Situation an der amerikanischen Heimatfront
heute noch erscheinen könnte, diese Frage bleibt offen. Tatsache
ist aber, dass das Buch dem Verlag Harper Collins auch schon 2001 ein
zu heißes Eisen war. Wegen der Ereignisse vom 11. September und
der großen Zustimmung der US-Bevölkerung zu Präsident
Bushs Reaktionen sollten 50.000 Exemplare des Buches vor ihrer Auslieferung
wieder eingestampft werden. Der Autor Moore musste den Verkauf seines
Buches erst gerichtlich durchsetzen, um damit gegen alle Unkenrufe seines
Verlages einen Bestseller zu landen.
Nicht nur in den USA. Wochenlang rangierte das Buch auch an der Spitze
der Spiegel-Bestsellerliste, und hierzulande habe ich lange nicht mehr
ein so gutes Buch die Verkaufshitparade anführen sehen, wo sonst
doch Lebensratgeber die Rubrik Sachbuch krönen. Das Buch zum hierorts
ebenfalls relativ erfolgreichen Film Bowling for Columbine, wie die Werbung
besagt, ist es jedoch nicht. Auch ist Stupid White Men (trotz des Oscar-Auftritts
des Autors) kein Buch zur aktuellen Weltlage. Es wurde eben vor dem 11.
September abgeschlossen und behandelt inneramerikanische Zustände.
Zumindest sollte es dies besser (und ausschließlich) tun. Denn in
den kurzen Abschnitten, die Konflikte im ehemaligen Jugoslawien oder in
Israel/Palästina zum Thema haben, muss der beißende Spott und
der Zynismus Moores an seine Grenzen stoßen. Für ein paar schallende
Ohrfeigen für ein paar Leute, denen wir sie immer schon gewünscht
haben, reicht es aber allemal.
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