Junge
Menschen sollen Revolution machen, ärgerte sich kürzlich
ein inzwischen pensionierter Berufsjugendlicher. Über die Pension
sollen´s nacher nachdenken. Dank ÖVP gibt es die Gelegenheit,
beides mit einander zu verbinden... |
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Aufwertungsfaktor,
Steigerungsbetrag, Pensionskonto, Durchrechnungszeitraum, Abschlagsdeckel,....
völlig unverständliche Fachtermini durchfluten die Medienlandschaft
und die imaginierte öffentliche Debatte. Eine Pensionsreform
steht an.
Die Regierungsvorschläge tragen die Bezeichnung Schläge
zu Recht: Wer noch dieses Jahr in Pension gehen darf, hat es gut. Wer
aber z.B. am ersten Jänner 2004 das selbe mit dem selben Endgehalt
und den selben Versicherungszeiten macht, wird gleich um elf Prozent weniger
Knödl im Tascherl vorfinden als die um ein Monat älteren KollegInnen.
Und wer später einmal noch die Frechheit besitzt, das staatliche
Pensionssystem in Anspruch nehmen zu wollen, wird leicht durch die Finger
schauen.
Da geht es nicht mehr um ein paar Cent da und dort und um ein paar Ersparnisse
zu Gunsten eines leidenden Budgets, es geht vielmehr um die Zerschlagung
eines ganzen Systems sozialer Sicherheit.
Kumulierte
Bösartigkeit.
Nur ein
paar Beispiele... Für jedes Versicherungsjahr, also jedes Jahr, in
dem Beiträge zur Pensionsversicherung gezahlt wurden oder so genannte
Ersatzzeiten (Präsenz- oder Zivildienst, Betreuungszeiten, Arbeitslosigkeit)
angehäuft wurden, erlangen Menschen einen fiktiven Anspruch von 2%
ihrer Pensionsberechnungsgrundlage (das Durchschnittsgehalt der 15 besten
Jahre). In Zukunft sollen das nur mehr 1,78% sein. Einfach so, ohne Begründung,
ohne Übergang.
In der Theorie bedeutete dies, dass Menschen nicht mehr 40 Versicherungsjahre
aufweisen müssen, um 80% ihrer Berechnungsgrundlage Pension zu erhalten,
sondern 45 Jahre. In der Theorie.... In der Praxis werden in Zukunft aber
nicht mehr die besten 15 Jahre der Berufstätigkeit zur
Berechnung der Pension, sondern so lange jedes Jahr ein Jahr mehr mit
einbezogen, bis schließlich das ganze Berufsleben einbezogen wird.
Das Sozialministerium rechnet allein aus dieser Änderung eine Ersparnis
von einem Prozent pro Jahr. Heißt: die durchschnittliche Pensionshöhe
sinkt durch die Anhebung des Berechnungszeitraums um ein Prozent pro Jahr,
bis Menschen, die ab 2028 in Pension gehen wollen, durchschnittlich 22,2
weitere Pensions-Prozentpunkte verloren haben. Angesichts der Tatsache,
dass diskontinuierliche Berufskarrieren (also Unterbrechungen des Berufslebens
wegen Arbeitslosigkeit, Weiterbildung, Betreuung von Angehörigen
usw.) gegenwärtig die Norm und nicht die Ausnahme darstellen, darf
gerechnet werden: Gut ein Drittel eines Berufslebens sind von bisher atypischen
Erscheinungen wie Teilzeitarbeit, Berufspausen oder Arbeitslosigkeit gekennzeichnet.
Bei einer lebenslangen Durchrechnung schlagen sich aber derartige Zeiten
(die dann keiner Ersatzzeiten mehr sind, sondern Beitragszeiten)
voll durch, sagen wir mal mit einem Sechstel der Beitragszahlungen, die
dann weniger erfolgen (die Hälfte eines Drittels=17%). Nun sind wir
bei zu erwartenden Pensionskürzungen im Ausmaß von 11 + 22
+ 17 Prozent angelangt. All diese Kürzungen betreffen in besonders
starkem Ausmaß Frauen...
...und noch
mehr davon!
Damit aber
noch lange nicht genug: Mit der Abschaffung der Möglichkeit, in Frühpension
zu gehen verbleiben bis zum Jahr 2009 ca. 80 000 Menschen mehr am Arbeitsplatz
und verstellen diesen unfreiwillig für NachfolgerInnen. Konsequenz:
Der Berufseintritt von jungen Menschen verzögert sich weiter...
Womit wir
bei den Argumenten sind, die für die Regierungsvorschläge
ins Treffen geführt werden: Die zu erwartende Überalterung der
Gesellschaft ab 2010, die längere Lebenserwartung und der spätere
Berufseintritt junger Menschen macht´s angeblich notwendig.
Das alles
ist, gelinde gesagt, ein Unsinn: Denn wenn und so ist es in Österreich
die heißen drei Prozent der PensionsempfängerInnen mit
den höchsten Einkommen genauso viel kosten wie die 20%
mit den niedrigsten Pensionseinkommen, wenn darüber hinaus die Einkommen
aus Berufstätigkeit (aus denen die Beiträge gezahlt werden)
in den letzten zehn Jahren weniger stark gestiegen sind als der gesellschaftliche
Reichtum (das BIP) und wenn Österreich einen absolut unterdurchschnittlichen
Anteil an erwerbstätigen Frauen hat, dann wird recht deutlich, wo
das Geld zur Sicherung des Sozialsystems herkommen könnte (ganz abgesehen
davon, dass Österreich über die im EU-Vergleich niedrigsten
Unternehmenssteuern jubeln darf).
Futter für
Versicherungswirtschaft und Aktienmarkt...
Bleibt die
Frage, warum sich Schüssel, Bartenstein & Co. das antun, quasi
als Pensionsräuber Österreichs entlarvt zu werden....
Die Antwort liegt irgendwo im Graubereich zwischen Konservativismus und
Neoliberalismus: Die ÖVP pusht nämlich das so genannte Drei-Säulen-Modell.
Die Pension soll in Zukunft nicht mehr eine staatliche Leistung sein,
sondern ein Gemenge aus sehr geringer staatlicher Pension, aus einer betrieblichen
Zusatzpension und der sogenannten steuerlich geförderten Eigenvorsorge.
Auf diese Weise werden Beitragszahlungen von Unternehmen weg zu den Einzelpersonen
(sowie Steuergelder weg von Solidarsystemen hin zu Menschen mit hohen
Einkommen, die für ihre höheren Beiträge natürlich
eine höhere staatliche Förderung erhalten) verlagert, die quasi
selbst für ihr Glück oder Unglück im Alter selbst zuständig
gemacht werden (und zwar bereits mit 15 Jahren). Hätten´s halt
was gescheites gelernt, dann hätten´s im Alter auch was zum
beißen.. Soweit die notorische Bösartigkeit von ÖVP-SpitzenpolitikerInnen....
Doch die
Bösartigkeit hat auch Konzept, und da beginnt die Revolution ins
Spiel zu kommen. Die Verlagerung erheblicher Geldmittel aus staatlichen
Sozialsystemen in private Anlagefonds birgt nämlich auch enorme Gefahren
für die Gesamtgesellschaft in sich. Anders als im österreichischen
Umlageverfahren, wo gegenwärtig aktive Beschäftigte Beiträge
in mehr oder eher minder solidarischer Weise (400 000 Frauen haben keine
Eigenpension, 14% der PensionistInnen sind akut armutsgefährdet,...)
für PensionistInnen einzahlen und zumindest bisher
darauf vertrauen konnten, dass irgendwelche Dummen dies auch einmal für
sie tun werden, bunkern Versicherungsunternehmen ihre Einlagen in Pensionsfonds,
die jeweils dort eingesetzt werden, wo möglichst große Gewinne
zu machen sind. Möglichst große Gewinne sind aber jeweils dort
zu erzielen, wo möglichst wenig Geld in Löhne, in Steuern, in
ArbeitnehmerInnenschutz oder in Umweltinvestitionen gesteckt wird. Große
Aktienfonds funktionieren nun eben einmal nach den Gesetzen des Shareholder-values,
und die widersprechen unmittelbar den Erfordernissen solidarischer Gesellschaften.
...und weniger
gesellschaftliche Partizipation!
Fonds gefährden
darüber hinaus die Existenz ganzer Volkswirtschaften (die Boomländer
des letzten Jahrzehnts Argentinien, Brasilien, Südkorea
haben ihre Attraktivität mit enormen Finanz- und Staatskrisen
bezahlen müssen) und die Demokratien. So vermögen etwa Fondsmanager
Einzelstaaten mit ihrem Anlageverhalten regelrecht politisch zu erpressen
(hinsichtlich zu bezahlender Steuern, arbeitsrechtlicher Bestimmungen
oder auch der Partizipationsmöglichkeiten der BürgerInnen).
Bleibt noch
zu erwähnen, dass der durchschnittliche Wert der Einzahlungen in
Pensionsfonds der Jahre 2000, 2001 und 2002 zwischen 5% und 11% gesunken
ist. Kurz: die Leute, die das Geld hingelegt haben, besitzen heute weniger,
als sie eingezahlt haben....
Die Veränderungen,
die diese Regierung im Pensionsbereich anstrebt, sind nicht bloß
punktuelle Änderungen. Sie verändern das gesamte soziale wie
politische Klima in diesem Land (und die Auswirkung der Anhäufung
von Geldmitteln in Fonds sind global zu betrachten auf dem ganzen
Kontinent). Werden sie umgesetzt, wird eine regelrechte Spirale hin zu
geringeren Einkommen, geringeren Steuereinnahmen und somit geringerem
Spielraum für staatliche Sozialpolitik also auch geringerem
staatlichen Spielraum in allen gesellschaftlichen Bereichen in
Gang gesetzt.
Na, wenn
das kein Grund ist, sich mit Pensionen zu beschäftigen und Revolution
zu machen...?
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