Editorial
TATblatt Nr. +203.
Also.
Nachdem
wir bereits im letzten Monat der Ereignisse vor 15 Jahren zu gedenken
begonnen haben, ist es im Oktober nun wirklich so weit, dass sich der
historische Moment jährt, an dem aus dem vermutlich hochtrabendsten
Zeitungsprojekt, welches in den letzten Jahrzehnten in Wien ausgeheckt
worden war, das wurde, was es bis heute ist: das TATblatt.
Wir nennen
dies "bis dahin in der linksradikalen Wiener Szene gänzlich
unbekannte Kontinuität". Der Verfassungsschutz würde sagen:
"Keine auffallenden Veränderungen". So wie er in seinem
Bericht über das Jahr 2002 die Situation der linken Printmedien zusammenfasste.
Ohne es sich nehmen zu lassen, anzuhängen: "Lediglich die Zeitschrift
'Tatblatt' verlängerte ihren Erscheinungszyklus von zwei Wochen auf
einen Monat".
Kompliment.
Damit traf der Verfassungsschutz ausgesprochen zielsicher eine schmerzende
Wunde. Denn seit dem 26. Oktober 1988, als die "Minus-101-Nummer"
des TATblatts das Licht der Welt erblickt hatte, erschienen wir immer
alle 14 Tage. Mehr oder weniger. Von Urlaubspausen oder Pannen abgesehen.
Allerdings
veränderte nicht nur das TATblatt in den letzten Jahren die Welt.
Der Ab- und Neubau des eisernen Vorhangs, das plötzliche Ausbleiben
neuer Krimifolgen rund um Mathias N., der Ersatz von Schere und Klebstoff
durch WYSIWYG-Layout-Programme, das Kommen und Gehen von Caspar Einem,
die Ausbreitung des Internet sowie unsere Erkenntnis, dass wir doch niemals
vom TATblatt werden leben können und uns Jobs suchen müssen,
hinterließen tiefe Spuren in den Rahmenbedingungen, in denen wir
Zeitungen zu produzieren vermochten.
Immerhin
gelang es rund um den Regierungswechsel im Jahr 2000 zumindest im Internet
für einige Monate, unseren alten Traum von einer Tageszeitung zu
realisieren. Aber das ist auch schon wieder lange her.
Wie auch
immer. Das TATblatt gibt es immer noch. www.tatblatt.net ebenso. Und euch
offenbar auch.
In diesem
Sinne: Alles Gute zu unserem Geburtstag.
Eure TATblattlerInnen.
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