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    Asylgesetznovelle 2003:
asylfremde Motive und effiziente Deportationen.


Am 23. Oktober 2003 beschloss das Parlament in Wien mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ die Änderungen des Asylgesetzes 1997 (Asylgesetz-Novelle 2003), des Bundesbetreuungsgesetzes, das Bundesgesetzes über den unabhängigen Bundesasylsenat und das Meldegesetz. Diese Gesetzesänderung ist Teil der Harmonisierung der Abschottungspolitik innerhalb der EU und deren Umsetzung auf nationalstaatlicher Ebene - hin zu einem gemeinschaftlichen System von Abschottung, Internierung und Deportation. Sie wird rechtzeitig mit der kommenden Erweiterung der EU am 1. Mai 2004 in Kraft treten.

TATblatt.

Nach der Fremdenrechtsreform im letzten Jahr, die mit 1. Jänner 2003 in Kraft trat, ist dies die zweite große Novelle im Bereich der Asyl- und Migrationspolitik unter rechts-konservativer Regierung in Österreich. Aus kritischer Sicht kann das Asylgesetz als Fortsetzung der sozialdemokratischen Abschottungspolitik der 90er Jahre gesehen werden. Während PolitikerInnen und NGO's darüber streiten, ob dies so ist und die Opposition (Grüne und SPÖ) Änderungen forderten, die sich in einem humaneren Umgang mit Flüchtlingen erschöpfen(1), sind die tatsächlichen Auswirkungen der Gesetzesnovelle (noch) nicht abzuschätzen. Klar ist jedenfalls, dass es zu einer schnelleren Abwicklung "offensichtlich unbegründeter Asylanträge" kommen wird - und damit zu einer schnelleren Deportation von nicht erwünschten Personen.

Die Proteste gegen das neue Gesetz, welches sogar von offiziellen Institutionen wie UNHCR oder amnesty international in Frage gestellt wird, da es gegen internationale Menschenrechts- und Flüchtlingskonventionen verstößt, waren erst unmittelbar vor der Beschlussfassung vernehmbar (sieheBeitrag "Widerstand gegen die Asylgesetznovelle"). Vorher waren es vor allem Stellungnahmen von NGO's und Initiativen im Parlament, die eine Beschlussfassung noch vor dem Sommer erst mal verhinderten und so auf Herbst verschoben.

Die Grünen veranstalteten - unterstützt von der SPÖ - einige ExpertInnenhearings. Doch konnte trotz anfangs geäußerter optimistischer Töne wie: "Nach vernichtendem Urteil muss Strasser Entwurf zurückziehen" (Stoisits nach dem ExpertInnenhearing am 23. September 2003) schlussendlich weder wesentlichen Verbesserungen für NGO's noch zugunsten der AsylwerberInnen erwirkt werden.


Sicht der Behörden.

Auf no-racism.net wurde ein Schreiben von Gerhard Pichler vom Bürgerdienst und Auskunftsstelle des BMI veröffentlicht(2), aus dem deutlich hervorgeht, in welche Richtung die Asylgesetznovelle zielt. So wird einleitend argumentiert, dass die Fluchtbewegungen in den EU-Raum stark zugenommen hätten und Österreich davon überproportional betroffen sei. Das alte System (AsylG 1997) sei nicht (mehr) in der Lage, Asylverfahren in angemessener Zeit abzuschließen. "Lange Wartezeiten bis zur Ersteinvernahme sind die Folge. Eine Kontrolle der Dokumente und mitgeführten Gegenstände findet erst zum Zeitpunkt der Einvernahme statt, wodurch es zu weiteren Verzögerungen im Verfahren kommt. Folge- und Kettenanträge abgelehnter Asylwerber führen zu einer Belastung des Asylsystems und verzögern die Entscheidungen für berechtigt Schutzsuchende." Daraus wird klar, dass von vornherein eine Differenzierung vorgenommen werden soll: Um die steigende Anzahl von Asylanträgen zu minimieren, werden Kriterien geschaffen, die definieren, wann AsylwerberInnen nicht "berechtigt" sind, um Asyl anzusuchen.

Das Innenministerium hat erkannt: "Wachsende und sich ständig ändernde Migrationsbewegungen führen zu immer neuen Formen der Wanderung." Und hier stört Herrn Pichler vor allem die "Vorspielung falscher Tatsachen", und er argumentiert weiter: "Oft werden Menschen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen von organisierten Schlepperbanden in den EU-Raum verbracht." Dass Menschen - vor allem wegen der laufenden Verschärfungen in der Migrations- und Asylgesetzgebung - oft nur noch mit Unterstützung von FluchthelferInnen in den EU-Raum einreisen können, fällt nicht in die Wahrnehmung der ausführeden BeamtInnen.

Dass der EU-Raum 2004 erweitert wird, ist den Behörden jedenfalls nicht fremd. Und deshalb wundert es auch nicht, dass das AsylG mit 1. Mai 2004 in Kraft treten wird, jenem Tag eine Erweiterung der EU zu erwarten ist. Bis dahin sollen wesentliche Weichen für die weitere Harmonisierung des Asylwesens eine gesetzliche Grundlage erhalten.(3) Diese Harmonisierung zielt jedenfalls - und dies ist augenscheinlich - auf vermehrte und reiblungslosere Deportationen ab: "Das geplante neue Asylverfahren vereinbart Rechtsstaatlichkeit und Verfahrensökonomie."


Zwangsinternierung?

Um das System von Internierung und Deportation möglichst effizient zu machen, werden in Österreich voraussichtlich zwei "Erstaufnahmestellen" errichtet. Im Gespräch sind Traiskirchen (NÖ) im Osten und Thalham (OÖ) im Westen.

In den Erstaufnahmestellen findet ein Zulassungsverfahren (zum eigentlichen Asylverfahren) statt, bei dem "unzulässige und offensichtlich unbegründete Anträge schnell gefiltert" werden sollen. Darüber hinaus ist eine Antragsstellung nur noch in den Erstaufnahmestellen möglich, in die Leute, die anderswo einen Antrag stellen, von Sicherheitsorganen vorzuführen sind. Weiters kommt es zu einer Durchsuchung der Personen. "Werden Dokumente oder Gegenstände, die Hinweise auf die Identität, die Staatsangehörigkeit oder den Reiseweg geben können, gefunden, dürfen diese Gegenstände vorläufig sichergestellt werden."

Während des Zulassungsverfahrens, das in der Regel nicht länger als 72 Stunden dauern soll, sind AsylwerberInnen in der Erstaufnahmestelle oder einer angelagerten Betreuungseinrichtung unterzubringen und zu versorgen. Ein Zwangscharakter ist hier jedenfalls nicht zu übersehen und diese Praxis als Zwangsinternierung zu bezeichnen, bis geklärt ist, ob die Leute sofort abgeschoben werden, liegt nicht fern. Dadurch soll wohl sichergestellt werden, dass die Leute auch tatsächlich das Land verlassen: "Dem Asylwerber ist in jedem Stadium des Verfahrens Rückkehrberatung als Perspektivenabklärung in Österreich und/oder seinem Herkunftsstaat zu gewähren."

Damit einer schnellen "Ausreise" auch nichts im Weg liegt, ist innerhalb von "48, längstens jedoch 72 Stunden nach Einbringung des Antrages (...) die Ersteinvernahme vorzunehmen. Zweck dieser Ersteinvernahme ist eine erste Abklärung der Identität, der Staatsangehörigkeit, des Fluchtweges und von in Österreich lebenden Verwandten des Asylwerbers und eine umfassende Befragung über die Fluchtgründe."(4)

Das Ziel dieser ersten Einvernahme ist, wie bereits erwähnt, möglichst schnell eine Ausweisung zu erreichen. Wird ein Antrag auf Zugang zum Asylverfahren abgelehnt, besteht keine weitere Aufenthaltsberechtigung.

Gründe für den Ausschluss vom Asylverfahren:
* "Ist der Asylwerber über einen 'Dublinstaat' oder einen sicheren Drittstaat eingereist, so ist Österreich für die Prüfung des Asylantrages unzuständig und der Antrag als unzulässig zurückzuweisen und mit einer Ausweisung zu verbinden."
* "Ein Antrag ist offensichtlich unbegründet, wenn der Asylwerber Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates ist oder er die Behörde über seine Identität oder die Echtheit seiner Dokumente täuscht oder keinerlei Schutzgründe vorbringt."


reibungslose Deportation.

Die Abweisung des Asylverfahrens ist in der Regel mit der Ausweisung verbunden, lediglich der "unabhängige Bundesasylsenat hat (...) die Möglichkeit, der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen." Im Falle einer geplanten Zurück- oder Abweisung erhält die/der AsylbewerberIn Unterstützung durch eine/n RechtsberaterIn, die/der "eine rechtliche Beratung des Asylwerbers vor der weiteren Einvernahme vornimmt, an dieser teilnimmt und den Asylwerber berät" - fragt sich nur, worin die Unterstützung besteht, wenn die Ausweisung schon geplant ist...

"Das neue Asylverfahren sieht eine Konzentration der Tatsachenermittlung beim Bundesasylamt vor." Neben einer umfassenden Befragung (mit Rechtsberatung und Informationen zur Rückkehrhilfe) wird von AsylwerberInnen vor allem eine "umfassende Mitwirkung am Verfahren" verlangt, was Hilfe bei der Beschaffung von Dokumenten, die zur Durchführung einer Abschiebung erforderlich sind, und eine freiwillige Ausreise beinhaltet. Die Prozedur soll auf jeden Fall sehr schnell und reibungslos ablaufen, denn: "Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass schon alleine das Vorbringen neuer Tatsachen in der Berufung zu einer erheblichen Verlängerung des Verfahrens führt."

Zwar lässt das Gesetz die Möglichkeit offen, dass schon nach 72 Stunden eine positive Entscheidung gefällt wird und AsylbewerberInnen als Flüchtlinge anerkannt werden. Flüchten Leute jedoch vor "akuten Krisen" (wie z.B. den Kriegen im Kosovo, in Afghanistan oder im Irak), erscheint den GesetzgeberInnen eine "Bearbeitung von Asylanträgen Fremder (...) nicht sinnvoll." Um einen "Massenzustrom von Vertriebenen" zu verhindern, werden in diesen Fällen "Asylverfahren künftig (...) ausgesetzt." Stattdessen sollen europäische Richtlinien über vorübergehenden Schutz angewendet werden.

Eine weitere Veränderung betrifft "Asylfolgeanträge". Diese sollen in Zukunft - selbst bei Veränderungen der Situation im Herkunftsland - als Berufungen zu werten sein. Und somit kommt ihnen - wie bei Berufungen im neuen Asylgesetz vorgesehen - keine aufschiebende Wirkung zu. Liegt eine rechtskräftig abweisende oder zurückweisende Entscheidung vor, soll die die negative Entscheidung erster Instanz in jedem Fall vollstreckbar gemacht werden, was einer Deportation im laufenden Verfahren gleichkommt.


Mitarbeit am Verfahren.

Da die AsylwerberInnen zur Mitarbeit am Verfahren angehalten werden, ist es auch nicht verwunderlich, dass dieses eingestellt wird, wenn sich die/der AntragstellerIn "ungerechtfertigt oder längerfristig und ohne eine neue Adresse anzugeben aus der Betreuungseinrichtung entfernt." Kommt es zur Einstellung, erlischt auch die vorläufige Aufenthaltsberechtigung. Aus diesen Regelungen ist ersichtlich, dass es nicht gewünscht ist, dass sich Flüchtlinge aus der Erstaufnahmestelle entfernen. Tun sie es trotzdem, können sie im Falle eines Aufgriffes festgenommen werden.

Die Sprache der PolitikerInnen und BeamtInnen ist zwar in der Regel so, dass sie ihre positiven Intentionen hervorkehren. Darin zeigt sich auch sehr deutlich der ihnen zugrundeliegende Rassismus. So zielen alle Maßnahmen darauf ab, dass die "Möglichkeit von Asylmissbrauch minimiert" wird. Gleichzeitig wird von "asylfremden Motiven" geredet und grundsätzlich davon ausgegangen, dass AsylwerberInnen falsche Tatsachen vorspielen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass AsylwerberInnen sofort durchsucht werden sollen und alle für eine rasche Ausweisung nützlichen Dokumente und Gegenstände beschlagnahmt werden, was einen starken Eingriff in die Privatsphäre von Personen gleichkommt.

Gleichzeitig gibt es für Leute, die sich in einem laufenden Verfahren befinden, keinerlei soziale Sicherheit. So werden "aus der Bundesbetreuung trotz Hilfsbedürftigkeit ausgeschlossen bleiben: Staatsangehörige von EU-Mitgliedsländern, der Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein; Staatsangehörige von Staaten, die ab 1.5.2004 EU-Mitgliedsstaaten sind; Asylwerber, die trotz Aufforderung nicht an der Feststellung seiner Identität oder Hilfsbedürftigkeit mitwirkt, die den Asylantrag aus asylfremden Motiven eingebracht haben, und die wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, wenn auch nicht rechtskräftig, verurteilt wurden."



Anmerkungen:
(1) so wurde zwar kritisiert, dass der Zugang von NGO's zu den Erstaufnahmestellen nicht gewährleistet und somit eine unabhängige Rechtsberatung kaum möglich sein wird, eine grundsätzliche Kritik an der Errichtung von Erstaufnahmestellen war jedoch kaum zu vernehmen.
(2) die folgenden Zitate sind diesem Schreiben entnommen, siehe no-racism.net/migration/asylgesetz2003_bmi.htm
(3) vgl.: Europa für alle gleich: Zum Prozess des "Aufbaus eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts", in TATblatt +194
(4) lediglich für Traumatisierte und Folteropfer bestehen hier Ausnahmen

Links:
http://www.no-racism.net
http://www.asyl.at
http://www.bmi.gv.at/fremdenwesen
     

aus TATblatt Nr. +204 November 2003.

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