Dieter Schenk:
Die braunen Wurzeln des BKA.
Fischer Taschenbuchverlag.
376 Seiten.
ca. 13 € |
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Buchrezension:
Die braunen Wurzeln des deutschen BKA.
Im Jahr 2001 feierte das deutsche Bundeskriminalamt seinen
50jährigen Geburtstag. Aus diesem Anlaß gab es selbstredend
Feierlichkeit, Festschriften und sonstige Publikationen. Auch ehemalige
und aktuelle MitarbeiterInnen schrieben – nicht nur vom aktuellen
Jubiläum motiviert – so einiges über ihre Arbeitsstelle.
Fast ausnahmslos sind derartige Ergüsse von kaum relevanten
Informationsgehalt, Schönfärbereien und
Selbstbeweihräucherungen ohne Unterhaltungswert – aber eben nur
fast.
Dieter Schenk, ein ehemaliger Kriminalpolizist, der nach neun Jahren
das BKA „wegen unüberbrückbarer Differenzen verließ“
und jetziger Honorarprofessor für die Geschichte des
Nationalsozialismus, liefert eine dieser Ausnahmen. Auf gut 300 Seiten,
ergänzt von zahlreichen Fußnoten und einer umfassenden
Literaturliste, beschreibt er den „Aufbau der Wiesbadener Behörde
in den 50er- und 60er Jahren und die NS-Vergangenheit des
Führungspersonals.“
Obwohl das BKA die Forschungen zu diesem Buch behinderte, konnte Schenk
fast der gesamten Führungsriege der ersten zwanzig Jahre
eine NS-Biographie meist inklusive der Verstrikungen in
NS-Gräueltaten nachweisen. Nicht nur durch das Personal wirkte der
Nationalsozialismus mit einer ungeheuren Kontinuität fort, auch
was die Organisation des BKA bis hin zu der Weiterverwendung von NS
Vokabular und sogar Formblättern betrifft, wird deutlich, dass in
der BRD eine „Entnazifizierung“ nie durchgeführt wurde.
Von seiner Organisationsstruktur wurde das BKA fast als Neuauflage des
Reichskriminalpolizeihauptamtes konzipiert, welches mit der Gestapo und
dem Sicherheitsdienst der SS, dem SD, Teil des
Reichsicherheitshauptamtes (RSHA) war. Fast sämtliche frühen
BKA-Beamten waren bereits im NS-Staat bei der Kriminalpolizei und damit
Teil des RSHA, das für die Ermordung von mindestens fünf
Millionen Menschen die Verantwortung trägt.
„Auf die Mehrzahl der NS-Kriminalisten übte der alte Beruf eine
geradezu magische Anziehungskraft aus ... Mit der Distanzierung von SD
und Gestapo überhöhte man die Nazi-Kripo als einzige Sparte
der Polizei, die „sauber“ blieb.“ Anhand der verschiedenen Biographien
und allgemeiner Forschungsergebnisse beweist Schenk, daß dem
allerdings nicht so ist. Die Kriminalpolizei war tief in die Verbrechen
der Nazis verstrickt. Sei es nun der Genozid an jüdischen
Menschen, die Verfolgung „Asozialer“, „Zigeuner“, Homosexueller oder
WiderstandskämpferInnen...
Möglich wurden derartige fast bruchlose Karieren dadurch,
daß sie nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel waren in
Politik, Verwaltung, Exekutive und Justizwesen: „Die Entnazifizierung
war insgesamt ein Mißerfolg. Sie stimulierten bei den Betroffenen
- auch als eine Form des inneren Widerstandes gegen die
Besatzungsmächte – eher Reaktionen von Wehleidigkeit und Trotz
anstelle von Reue und Einsicht. Auf jeden Fall förderte sie die
latente Abwehr einer Beschäftigung mit der Vergangenheit.
Schließlich verkam sie, gemessen an ihren moralischen Anspruch,
zu einer Veranstaltung, bei der im großem Stile Nazis zu
Mitläufern und Entlasteten reingewaschen wurden. Hierbei spielte
die gegenseitige Unterstützung mit politischen Leumundszeugnissen,
so genannte Persilscheinen, eine wesentliche Rolle.“ Eine weitere
wichtige Rolle spielte sicher auch der sich bereits unmittelbar nach
dem Zweiten Weltkrieg abzeichnende ‚Kalte Krieg‘, die meisten Nazis
waren zuverlässige AntikommunistInnen, gerade in der Kripo
besaßen etliche Erfahrung in der ‚Abwehr kommunistischer
Bedrohung‘ und damit einen gewissen Wert für die westlichen
Geheimdienste einerseits und den Staatsdienst in der
antikommunistischen BRD andererseits.
Nützlich dürfte das Buch vor allem als Nachschlagewerk sein,
machen es die unzähligen Fakten und biographischen Details doch
schwer den Überblick zu wahren. Allerdings ist es sehr
flüssig zu lesen und wirklich lesenswert um einen Einblick in die
Dimensionen der NS-Gräuel zu gewinnen, in die führende
Polizeikader der BRD verstrickt waren. Mit all der Fakten treten die
Täter in den Vordergrund, die Betroffenen verschwinden als Zahlen
im Hintergrund – auch wenn einige Bilder von NS-Gräuel im Buch
abgedruckt sind.
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