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Gentechnik:
„Französische Vandalen“ zerstören Hoffungen. Der Abschied des US-Gentechnik-Multis Monsanto aus Europa gestaltete sich feierlich. Zum Abgesang auf den Gentechnikmarkt in Europa sandte die International Harold Tribune (IHT) eine Hasstirade gegen französische AktivistInnen, weil französische Genfelder praktisch vollständig zerstört wurden. Alleine in diesem Jahr wurde die Hälfte aller Versuchsfelder in Frankreich zerstört. Eine Kehrtwende ist für die Gentechindustrie nicht mehr in Sicht. Erst vor kurzem fand die erste Besetzung eines Gentechnikfeldes in Spanien statt, wo bisher Ignoranz herrschte. Andere Länder, wie Italien, Großbritannien, Deutschland oder Österreich sind sowieso verloren. TATblatt. Der US-Agrokonzern Monsanto, der weltgrößte Entwickler von genetisch veränderten Nutzpflanzen, streicht nach einem Ergebniseinbruch bis Ende 2004 weltweit 1.200 Jobs, das sind neun Prozent der Belegschaft. Zugleich stellt Monsanto zwei Forschungsprojekte ein, darunter die Grundlagenforschung zur Herstellung von Medikamenten in Pflanzen. Außerdem zieht sich der Monsanto aus der verlustträchtigen Zucht von Weizen und der Saatgutproduktion in Europa zurück. Die Zuchtanstalten in Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Tschechien werden geschlossen. Sterbende Waisenkinder. Dem Präsidenten der Uruguayan Cystic Fibrosis Foundation, einer mäßig bekannten Organisation, räumte die IHT weiträumigen Platz für seine Verurteilung der „französischen Vandalen, die die Hoffnungen zerstört haben“, ein. Er durfte eine herzzerreißende Geschichte zum besten geben, daß nun uruguayische Waisenkinder sterben müssten, weil Versuchspflanzen zur Heilung von Krankheiten zerstört worden wären. Nun ist die IHT das Sprachrohr der außenpolitischen EntscheidungsträgerInnen der USA in Europa und der Kommentar zeigt, daß die Beziehungen zu Frankreich noch immer etwas beschädigt sein dürften. Zum anderen hat sich offensichtlich die EU in die Reihe der Schurkenstaaten eingegliedert, ist möglicherweise sogar schurkenhafter, weil Nordkorea gerne Gentechweizen aus den USA übernimmt. Jedenfalls veröffentlichten auch in Frankreich 1500 WissenschaftlerInnen ein Pamphlet, in dem zur Beendigung der Zerstörung von Gentechfeldern aufgefordert wurde. Die Zerstörungen hätten demnach jahrelange Forschungsarbeit vernichtet. Gleichzeitig ist die IHT besorgt, daß der Gentechnikmarkt in China geschädigt werden könnte. In China wird großflächig geforscht und (angeblich versuchweise) angebaut, etwa Baumwolle, Weizen, Tomaten oder Reis. Das Forschungsbudget soll in den nächsten Jahren vervielfacht werden. In China wachsen jedoch Befürchtungen, daß die Ablehnung von Gentechnik in wichtigen Exportmärkten, v.a. in Europa und einzelnen asiatischen Ländern, Auswirkungen haben dürfte, obwohl der Großteil der Produktion für den Inlandsmarkt vorgesehen ist. Durch das Internet schwappt die internationale Debatte und die Ablehnung auch schon nach China hinein und einige chinesische Zeitungen haben bereits über die Gefahren von Gentechprodukten berichtet. Der Präsident der China Agricultural University, die führend bei der Einführung von Gensorten ist, geht zwar davon aus, daß großflächiger kommerzieller Anbau von Gensorten nicht einen Frage von ob sondern von wann ist, daß aber die Akzeptanz in China hauptsächlich von Europa abhängt. Crop Trashing UK. Großbritannien war 1996 ein sicherer Hafen für die Gentechindustrie. Nicht gekennzeichnete Lebensmittel wurden an ahnungslose KonsumentInnen verfüttert und ungeahnte Profite winkten. Doch 1997 begannen zahlreiche Sabotageakte, die sich in den folgenden Jahren weiter steigerten. Mit der Debatte verschwanden Genprodukte wieder aus den Regalen. Die Zahl der Versuchsfelder ging jedes Jahr drastisch zurück, und jedes Jahr werden zwei Drittel davon komplett zerstört. 2002 fand die erste öffentliche Zerstörung während des Tages statt. Seit Mai 2003 ist Schottland genfrei. In Wales gibt es nur ein Versuchsfeld, das zudem 2002 teilweise vernichtet wurde. Großbritannien ist das wichtigste Land, wenn es um den Rückzug von Multis aus der gentechnischen Landwirtschaft geht. Novartis, Monsanto und Astra Zeneca haben ihren entsprechenden Firmenanteil abgestoßen, sodaß nun Bayer der wichtigste Genmulti ist. Allerdings verlautbarte Bayer vor kurzem, daß in Großbritannien von Bayer keine Versuchsfelder mehr eröffnet werden, wenn die Regierung weiterhin die Standorte veröffentlicht. Bayer war 2002 Inhaber von 85% der Genfelder in Großbritannien. Während die Regierung Blair nach wie vor der aktivste Proponent von Gentechlandwirtschaft ist, haben die Gerichte den Kampf bereits aufgegeben. Verurteilungen gab es bisher nur in Schottland, während in England und Wales allenfalls Bagatellstrafen drohen. Fast alle Verfahren werden ohnehin eingestellt, da die Staatsanwaltschafen davon ausgehen, daß bei einem Gericht mit einer Jury die Angeklagten ohnehin freigesprochen werden. Mittlerweile ist Genfeldzerstörung in England also straffrei. Zielscheibe Bayer. Durch die Übernahme von Aventis CropScience durch Bayer, nunmehr Bayer CropScience, hat sich Bayer zur internationalen Zielscheibe gemacht. Wenig zur Steigerung der Sympathien für Bayer trug auch die Meldung der britischen Zeitung Daily Telegraph bei, daß es Bayer gelungen war, den britischen Umweltminister Michael Meacher zu stürzen, weil dieser eine gentechnikfeindliche Einstellung gezeigt hatte. Meacher ist eine deklarierter Gegner von Tony Blair: „Niemand kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt garantieren, dass gentechnische Lebensmittel sicher sind – am allerwenigsten Tony Blair“. Während Meacher abgesägt wurde, setzte Blair ein „Dialog-Forum“ ein, in dem Bayer-Lobbyist Paul Rylott mit von der Partie ist. Letzte Hoffnungen. Die USA betreiben, nunmehr primär im Dienst von Bayer statt Monsanto, eine Politik der brachialen Methoden, weil eigentlich nur noch der US-Markt (70% der Lebensmittel enthalten Gentechnikbestandteile) stabil gehalten werden kann. Dem dient vor allem die Androhung eines neuen Handelskrieges mit der EU als Folge eines Verfahrens vor der Welthandelsorganisation (WTO). Weitere Gefahren drohen von der Gentechnikindustrie innerhalb der EU, die über windige „Schwellenwerte“, d.h. dass bis zu einem bestimmten Anteil an Gentechbestandteilen ein Lebensmittel noch immer als gentechnikfrei gilt, und durch Zulassungen zum kommerziellen Anbau innerhalb der EU endlich freie Bahn haben will. Allerdings wird der US-Lobby die Zeit knapp. Im Land selbst wächst die Beunruhigung, die zeitweise nur mittels Polizeistaat niedergehalten wird. Im Juni fand in Sacramento, California, eine interministerielle Konferenz der US-Regierung samt Landwirtschaftsausstellung über fünf Tage statt, die 5.000 GegendemonstrantInnen anzog. Dort wurde die US-Linie für die WTO-Konferenz in Cancun, die später scheiterte, festgelegt. Die DemonstrantInnen erlebten den AntiTerror-Polizeistaat in Reinkultur mit vorbeugenden Verhaftungen, 1.000 PolizistInnen in Kampfmontur, mehrfachen Einkesselungen von Gruppen, Einschüchterungsversuchen aller Art und medialer Hetze. Trotzdem gelang es den AktivistInnen viele Aktionen durchzuführen und ihre Botschaft in der Öffentlichkeit durchzubringen. Falls es den USA nicht gelingt, die EU zu knacken, bleibt nur das kleine Inselchen in deren Mitte als Hoffnung übrig. Vor einigen Tagen genehmigte das Schweizerische Umweltministerium einen Freisetzungsversuch mit Gentechweizen durch die Universität in Zürich, die ETH-Zürich. Der Weizen enthält Antibiotikaresistenzgene, was das Ministerium zwar für unnötig hält, aber auch nicht für umweltgefährdend. Damit ist der übliche Weg vorgezeichnet: Sinnlos, aber behördlich genehmigt. Infos: http://www.geneticsaction.org.uk http://www.bayerhazard.com |
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aus TATblatt Nr. +204 November 2003.
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