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Verfolgungswahn.
Schweizer Bahn spechtelt.
Bis Ende des Jahres will die SBB für 9 Mio. Franken (6 Mio. Euro)
220 Waggons für Regionalzüge mit je fünf bis acht
Kameras und Alarmknopf ausrüsten. Per Gegensprechanlage
könnten Reisende in Notlagen Verbindung mit der Bahnpolizei
aufnehmen. Letztendlich gehen die "Sicherheitsmaßnahmen" jedoch
bis zum präventiven Einsatz der Armee.
TATblatt.
Das sagt die Doktrin: Reisende sollten so gut wie möglich vor
Gewalt geschützt werden. Vandalismus und Gewalt in Zügen sind
in der Schweiz weniger gravierend als andernorts. Aber die SBB sorgen
vor: Alle Regionalzüge erhalten jetzt Kameras und Alarmknöpfe.
Sie werden zuerst in der Westschweiz auf Strecken westlich einer Linie
Basel-Luzern eingesetzt. Die ersten dieser Züge fahren auf der
Linie Freiburg-Payerne-Yverdon.
Das von den SBB installierte französische System funktioniert
bereits in der Metro und in Bussen des Großraums Paris. Mit
Überwachungstechnologie ausgerüstet werden auch alle neuen
S-Bahn-Wagen. Ab 2005 für die Stadtbahn Zug und die Basler S-Bahn,
ab 2006 für die Zürcher S-Bahn. In neuen Fahrzeugen ist auch
ein Kundeninformationssystem und ein Fahrgastzähler vorgesehen.
Solche Systeme können auch Werbung in Züge und Busse tragen.
Der Entscheid, Regionalzüge mit einem Überwachungssystem
auszurüsten, basiert auf einer Strategie, die der Verwaltungsrat
der SBB 2003 verabschiedet hat. Ziel ist es, die "objektive Sicherheit
zu erhöhen und das subjektive Sicherheitsgefühl der
Passagiere zu verbessern".
Der Einsatz ist ausschließlich auf präventive Paranoia
zurückzuführen. Im Vergleich zu Frankreich und Deutschland
ist die Sicherheitssituation in der Schweiz "wesentlich besser", so der
ehemalige Direktor des Verbandes öffentlicher Verkehr, Carlo
Pfund, in einem vergleichenden Bericht, den er im Auftrag der SBB
erstellt hat.
Pfunf schildert die künftige Strategie folgendermaßen: Die
SBB baut eine Ereignisdatenbank auf. Sie soll Entwicklungen sichtbar
machen, bevor sie zur Bedrohung werden. Videotechnologie könne im
Kampf gegen Vandalismus und Gewalt eine wichtige Rolle spielen. Wie die
Erfahrung zeige, sei aber eine sichtbare Personalpräsenz unbedingt
nötig, schreibt Pfund. Die SBB wollen deshalb die Bahnpolizei
aufstocken. Der Einsatz von uniformiertem, aber nicht bewaffnetem
Präventionspersonal nach dem Vorbild der französischen
Städte Lille und Lyon, wird erwogen. Bei Militärtransporten
soll die Armeepolizei beigezogen, Schülerzüge sollen
begleitet werden.
Reaktionen.
Kurz und gut: Die offiziellen KonsumentInnenorganisationen wie auch die
Fahrgastorganisationen der Schweiz dürften kollektiv
verblödet sein. "Lieber eine Kamera als gar kein wachsames Auge",
war eine Reaktion. Oder auch "Alles, was der Sicherheit und der
Verminderung von Schäden diene, werde unterstützt", so
Präsident Dutler, von der Fahrgastorganisation Pro Bahn Schweiz.
"Selbstverständlich hätten wir lieber mehr Personal in den
Zügen." Und: "Besser als nichts", Jacqueline Bachmann,
Geschäftsführerin der Stiftung für Konsumentenschutz
(SKS).
Nur der Informationsbeauftragte beim eidgenössischen
Datenschutzbeauftragten, Menna, scheint noch irgendeinen
Realitätsbezug zu haben : "Kamera-Aufzeichnungen verletzten die
Persönlichkeit". Der Datenschutz macht klare Vorgaben für die
Video-Überwachung. Nötig seien Rechtsgrundlagen und
Information an die Fahrgäste, wo gefilmt werde. Zudem müsse
der Zweck der Aufnahmen klar definiert sein und geregelt werden, wie
lange die Aufzeichnungen höchstens aufbewahrt würden, sagte
Menna. Bilder dürften nur so lange gespeichert werden, wie es
wirklich nötig ist. Und sie dürften nicht für andere als
die deklarierten Zwecke verwendbar sein.
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