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USA:
Paranoia kostet.
Die paranoiden Überwachungsgesetze, Einreisebestimmungen und
sonstigen "Vorsichtsmaßnahmen" zeigen nun, abgesehen von den
direkten Kosten für deren Einführung die sozialen
Folgekosten. Kulturelle Kontakte mit dem Ausland und die Wissenschaft
sind die ersten, die das massiv zu spüren bekommen. Abgesagte
Konzerttourneen, geplatzte Kooperationen und generelle Meidung der USA
durch BürgerInnen anderer Länder bringen enorme Probleme.
TATblatt.
Seit 2001 dauern Visaerledigungen für WissenschaftlerInnen im
statistischen Schnitt zwei Monate. Das hat eine Studie für den
Wissenschaftsausschuß des Kongreß ergeben. In
Einzelfällen dauert die Erteilung eines Visums sogar acht Monate.
Die Vereinigung US-amerikanischer Universitäten beklagt, dass die
Visapraktiken ausländische Studierende vom Studium in den USA
anhalten. Dabei hat das Tempo der Visaerteilungen seit dem Beginn der
Untersuchung durch den Kongreß bereits zugenommen.
Das Homeland Security Department, die zentralisierte
Superüberwachungsbehörde der USA, gibt Probleme zwar zu, will
aber grundsätzlich nichts verändern: "Es gibt Systemprobleme,
aber daran wird gearbeitet". Diese Ansicht wird durch den Vorsitzenden
des Wissenschaftsausschusses, dem New Yorker Republikaner Sherwood
Boehlert, gedeckt: "Wir können kein Visasystem haben, das
WissenschaftlerInnen aus aller Welt unnötig abhält und
entfremdet, die ein Vorteil für dieses Land sein könnten".
Als Sofortmaßnahme hat daher die Regierung 1 Mio. US$ in ein
Computerprogramm gesteckt, das Fehler in der Software reduzieren soll,
BeamtInnen in den Botschaften erhalten zusätzliche Schulungen.
Damit wird sich aber mit Sicherheit nicht die überbordende
Bürokratie in den Griff bekommen lassen. Durch diverse Gesetze
sind Auftraggeber, wie etwa die Universitäten, für praktisch
alles verantwortlich, was zu Besuch weilende WissenschaftlerInnen
anstellen. Die Folge sind Verträge von 40 Seiten und mehr, die
Universitäten ihren GastwissenschaftlerInnen unter die Nase
halten. Zudem müssen Universitäten gegenüber
US-Behörden unzählige Verpflichtungserklärungen abgeben.
Und auch im Privatbereich löst der Besuch von ausländischen
WissenschaftlerInnen zahllose bürokratische Akte aus, etwa eine
Meldeverpflichtungen bei Eröffnung eines Bankkontos.
Obskure Kategorien.
Das ganze existiert in einem weiten Bereich bürokratischer
Willkür. Zunächst gibt es die sieben Oberschurken, für
die ganz besonders strenge Visabestimmungen gelten. Darunter sind
(jawohl, wie könnte es anders sein) Kuba, dann auch der Irak und
der Iran. Und dann gibt es weitere 26 Länder, die auch
Schurkenstaaten für besondere Bestimmungen sind, die aber
namentlich nicht genannt werden! Hinter diesem Wahnsinn steckt zum Teil
politisches Kalkül, denn es ist nur schwer zu erraten, daß
das im wesentlichen arabische Länder sind, einschließlich
Saudi-Arabien und Pakistan. Diese sind jedoch offiziell befreundete
Länder. Eine Veröffentlichung der Liste würde zu einem
diplomatischen Gemetzel führen. Doch andererseits ist es der
Rechtssicherheit nicht gerade zuträglich, Einreisebestimmungen zu
haben, die den Einreisewilligen nicht bekannt gegeben werden.
Allerdings gibt es auch Berufsgruppen, die a priori sehr
verdächtig sind und einer Sonderbehandlung bedürfen.
... KünstlerInnen.
Während bei den WissenschaftlerInnen die "Entfremdung von den USA"
eher eine langsamere Angelegenheit mit Spätfolgen ist, ist das
Problem mit den KünstlerInnen akut und finanziell unmittelbar
bemerkbar. Imageschäden sind eine Angelegenheit von "sofort".
Worst case scenario aus der Sicht der Behörde: Kubanischer
Künstler will in die USA. Im Februar wurde dem kubanischen Musiker
Ibrahim Ferrer samt seiner Gruppe von sechs weiteren Kubanern
überhaupt kein Visum gegeben, sodaß er seinen Preis bei der
Grammy-Verleihung in Los Angeles nicht übernehmen konnte. Ferrer
ist 76 Jahre alt, aber Kubaner sind immer verdächtig.
Auch der Superstar Paco de Lucia aus Argentinien sagte einen
Großteil der USA-Tournee ab, weil die Visumsaustellung mehrer
Monate dauerte. Überhaupt kein Visum erhielten eine Gruppe aus
China, die mit einer Peking-Oper touren sollte, sowie die kubanische
Band Afro-Cuban Alls Stars. Der iranische Regisseur Abbas Kiarostami,
Preisträger der Goldenen Palme von Cannes, konnte nicht zu einem
Filmfestival in New York 2002 anreisen, wo er seinen neusten Film
hätte vorstellen sollen.
Einschlägige Erfahrungen machte auch der iranische Filmemacher
Dschafar Panahi, Preisträger des Goldenen Löwen beim
Filmfestival in Venedig. Er flog im Frühjahr 2003 von Hong Kong
nach Südamerika und hatte einen Zwischenstop in New York. Dort
wurde er in Handschellen abgeführt, weil seinen
Fingerabdrücke nicht in den Akten registriert waren.
Theater- und Konzertabsagen sind in den USA nun schon Alltag, soweit es
überhaupt noch zu Verträgen kommt. Opernhäuser meiden
die USA mittlerweile wie die Pest. Laut Opera America, einer
Serviceorganisation für Opernhäuser, betrifft das auch
Opernhäuser aus Italien und Spanien, weil sie sich die Mühe
nicht mehr antun wollen. Zudem werden als Folge dessen immer weniger
US-OpernsängerInnen im Ausland engagiert.
Für KünstlerInnen ist es nicht nur langwierig, sondern auch
teuer, an ein Visum zu kommen. Alleine die nötigen Anwaltskosten
betragen im Schnitt zwischen 2.000 und 4.000 US$. Die
Einreisebehörde US Citizenship and Immigration Service sieht das
anders: "Wir müssen sicherstellen, dass unsere Sicherheit nicht
gefährdet ist".
Es ist also zu erwarten, dass die Prozeduren, die mehr als
undurchsichtig sind, weiterhin hohe Kosten verursachen werden. Die
Kosten für gescheiterte Auftritte und Konzerte werden mit mehrere
Millionen Dollar pro Jahr beziffert, für die US-Veranstalter
aufkommen dürfen. Interessenvertretungen von KünstlerInnen
und WissenschaftlerInnen betonen aber stärker, dass der
immaterielle Schaden durch ein negatives Bild der USA im Ausland
groß ist.
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