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Umfragewerte
für Strassers Videopopulismus.
Innenminister Strasser, gnadenloser Exekutor populistischer
Eigenkompositionen, bringt beinahe täglich neue Ideen zur
Installierung von Videoanlagen in die Diskussion ein. Mal sind es
Grenzposten, obwohl sich dort das Personal ohnehin Zeitung lesend durch
den Dienst quält und sich auf die Füße tritt, dann
wieder "neuralgische Plätze", neuerdings jedoch ohne Umschweife
einfach alles und jedes, je nach Tagesverfassung, Umfragewerten oder
sonstigen beliebigen Indikatoren. Aus diesem Anlaß befragte das
Kurt-Krenn-Blatt Niederösterreichische Nachrichten
Postenkommandanten in Niederösterreich und im Burgenland, sowie
Gelegenheitsschwätzer, die auch ihren Senf dazu geben wollten.
Herausgekommen ist eine Realsatire.
TATblatt.
Niederösterreich.
In Krems ist die Geschäftswelt angeblich für eine
Videoüberwachung der gesamten FußgängerInnenzone.
Oberstleutnant Manfred Matousovsky, Häuptling der Gendarmerie,
meint zudem "Ja, das wäre eine gute Maßnahme. Da gibt es
Geschäfte wie die Niedermeyer-Filiale, die werden ständig
geplündert. Video könnte da einiges bewirken". Außerdem
würden dann die Taschendiebstähle zurückgehen.
Derzeit bauen demnach viele Geschäfte auf eigene Rechnung
Videoanlagen für die Innenräume ein. Gemeinderat Gottfried
Haselmayer, Sicherheitssprecher der SPÖ Krems, findet das
sinnvoll. Nicht gut findet er eine videoüberwachte Innenstadt:
"Zur Terroristenbekämpfung an neuralgischen Plätzen wie
Flughäfen mag die Überwachung ja hilfreich sein, allerdings
halte ich nichts davon, die Kremser Bevölkerung zu bespitzeln".
Einen Schritt weiter ist die Caritas am Stadtrand, die hemmungslos die
Bevölkerung bespitzelt. Die Übernahmestelle der Caritas in
der St.-Paul-Gasse wird durch eine Videokamera gesichert. Mit ihr
sollen AbfallentsorgerInnen entlarvt und danach angezeigt werden.
"Unsere Übernahmestelle ist für gebrauchte
Haushaltsgegenstände und Kleidung gedacht und darf nicht zu einem
Mistablagerungsplatz verkommen", so der Leiter der
Caritas-Geschäftsstelle Krems. Video als
Müllbekämpfungsmaßnahme.
In Purkersdorf gäbe es dabei keine Probleme. Das ist auch nicht zu
erwarten in der Gemeinde von Ex-Innenminister Schlögl, wo
Polizeihubschrauber ausrücken, um Täter zu stellen, die
einige Stangen Zigaretten erbeutet haben. Schlögl: "Es ist
sinnvoll, zentrale Plätze zu überwachen, ich stehe dem
durchaus positiv gegenüber. Voraussetzung ist allerdings, dass die
Intimsphäre gewahrt wird und Missbrauch auszuschließen ist".
Vielleicht auch noch Panzer, Maschinengewehrnester und
Fallschirmjäger, alles vorstellbar.
Überraschend ist eher, daß der Postenkommandant in so einem
politischen Klima noch alle Tassen im Schrank haben dürfte. Erwin
Riegler sieht das nämlich skeptisch. Er macht sich Sorgen, wer
dann die Videomonitore überwachen soll: "Wir haben jetzt schon zu
wenig Beamte. Woher soll ich da noch Kollegen nehmen, die die
Bildschirme kontrollieren?"
Der stellvertretende Postenkommandant Helmut Kowar im benachbarten
Gablitz zeigt sich hingegen optimistisch: "Alleine wenn man die
Ortseinfahrten überwachen würde, wäre es ein
großer Vorteil für die kriminalpolizeiliche Arbeit."
Peter Linnert vom Bezirksgericht Schwechat: "Ich glaube nicht, dass man
in der Praxis so viel damit verhindern wird können. Selbst wenn
öffentliche Plätze damit überwacht werden - sobald das
mögliche Tätergruppen mitbekommen, werden sie auf andere
Plätze ausweichen". Hier spricht durch gerichtlichen Alltag
geprägter Pragmatismus.
Die ÖVP-Mumie Josef Höchtl, Bezirksparteiobmann der
Schwechater ÖVP, sieht das selbstredend nicht so. "Die Kameras
sollten dort installiert werden, wo sich im Laufe der Zeit
gefährliche Situationen herausgebildet haben, sei es bei
Drogenumschlagplätzen, auf Bahnhöfen, oder auf anderen
Plätzen, wo sich kriminelle Szenen gebildet haben". Bekanntlich
wird am Bahnhof Schwechat Koks nur in Kilopaketen gehandelt,
Schießereien gehören zum Alltag.
Der Leiter der Bezirkshauptmannschaft Schwechat, Wolfgang Straub
konkretisiert eine offensichtlich bereits beschlossene zukünftige
Praxis: "Eine Kameraüberwachung bringt insofern etwas, wenn die
überwachten Bereiche auch auf Band aufgezeichnet werden. Diese
Bereiche müsse man gewissenhaft aussuchen. Die zukünftige
Umfahrungsstraße S1 wird von Kameras überwacht werden. Es
gibt nicht nur Kriminalität, sondern auch Unfälle". Straub
kann sich nicht vorstellen, dass es sinnvoll wäre, jeden Platz in
Schwechat überwachen zu lassen.
In Tulln wollen die Geschäftsleute nicht erst auf Strasser warten.
In Wirklichkeit will vor allem einer nicht warten. Den Vorstoß in
diese Richtung will der Stadtmarketingclub unternehmen. Obmann Markus
Urban: "Die Idee dazu hatten wir bereits im Oktober des Vorjahres,
genauer gesagt nach einer Einbruchsserie, bei der es unter anderen
Firmen auch unser Juweliergeschäft zweimal erwischt hat". Ein
Juwelier setzt die Grundrechte aller außer Kraft, nur weil sein
blöder Laden ausgeräumt wurde. Urban weiter über seine
Umtriebe: "Sobald die Finanzierung über Förderungen und
Beteiligung von Betrieben steht, will man voraussichtlich fünf
Videokameras auf Dächern in der Innenstadt anbringen lassen. Die
Verhandlungen mit den Hauseigentümern laufen bereits".
Bezirkshauptmann Johann Lampeitl dazu: "Ich kann mir auch vorstellen,
dass im Fall der Fälle sinnvolle Auswertungen möglich sind.
Als Behörde wären wir derzeit allerdings rechtlich nicht in
der Lage so etwas durchzuführen.". Die Videopläne Strassers
sind für Lampeitl in Ordnung.
Tullns Bezirksgendarmeriekommandant Major Herbert Donabaum sieht in der
Videoüberwachung von Einkaufsstraßen oder Plätzen mit
einer "Häufung von Delikten", wie etwa dem Wiener Karlsplatz, ein
probates Mittel. Einerseits könne man dadurch
Ermittlungsansätze, zum Beispiel Fahrzeugkennzeichen, gewinnen,
andererseits können Kameras auch abschreckend wirken. "Man kann
und wird ja nicht an jeder Straßenecke Kameras aufstellen. Das
wäre weder sinnvoll noch mit dem Datenschutz vereinbar. Was die
Pläne von Urban bzw. der Stadtmarketing betrifft, handelt es sich
um eine "datenschutztechnische Grauzone". Probleme gibt es erst, wenn
sich jemand in seiner Privatsphäre gestört fühlt, klagt
und vor Gericht Recht bekommt.
Für die Polizei ergeben sich offensichtlich neue Perspektiven.
Beispielsweise könnte Major Donabaum versuchen, in der
U-Bahnpassage am Karlsplatz Autokennzeichen von Drogendealern
aufzuzeichnen, auszuwerten und neue Erkenntnisse zu gewinnen. Die
Wiener Polizei wäre für eine solche Amtshilfe aus Tulln
sicher dankbar.
Burgenland.
Die Bezirksparteiobmänner von SPÖ und ÖVP im Bezirk
Jennersdorf im tiefsten Südburgenland sind aufgeschlossen. "Im
öffentlichen Bereich ist das sicher notwendig, es darf jedoch
nicht zu einer totalen Überwachung führen", meint
ÖVP-Bezirksobmann Franz Glaser. Willibald Stacherl von der
SPÖ-Bezirksorganisation findet eine Videoüberwachung im
städtischen Bereich sinnvoll, "Im ländlichen Raum hingegen
ist es wenig sinnvoll". Eine umwerfende Aussage, denn schließlich
ist von Jennersdorf aus gesehen das Land sauber und die Stadt dreckig,
und zweitens hat der Bezirk Jennersdorf keine Stadt.
Bezirkshauptmann Janics sieht keine Notwendigkeit für eine
Videoüberwachung im Bezirk, Begründung siehe oben, aber
trotzdem: "Aufgrund der jüngsten Ereignisse in Madrid, sind
Gegenmaßnahmen zu setzen. Dies wäre ein kleiner Mosaikstein
gegen die Gewalt und den Terror." Terroristen sollen gefälligst
dort bleiben, wo sie bekämpft werden.
Bezirksinspektor Gerhard Karner vom Bezirksgendarmeriekommando
Güssing ist für eine Videoüberwachung: "Besonders an
sporadischen Plätzen, die besonders stark von Menschen
frequentiert sind, wäre es für spätere Ermittlungen und
Auswertungstätigkeit von Vorteil". Er persönlich glaube aber
nicht, dass im ländlichen Raum derartige Überwachungen
notwendig seien. Womit wiederum die Stadt-Land-Problematik voll zum
Tragen kommt, denn "sporadische Plätze" gibt es nicht im Bezirk
Güssing, wohl aber in Wien.
Abteilungsinspektor Wolfgang Wurm, Kriminaldienstreferent des Bezirkes
Oberwart, ist gegen eine verstärkte Überwachung durch den
Einsatz von Kameras: "Nur Kameraüberwachung alleine wird
Anschläge aber auch nicht verhindern können, sogenannte
Schläfer gibt es überall". Mit Schläfern rechnet Wurm in
Oberwart derzeit trotzdem nicht, weshalb auch keine Maßnahmen
geplant sind.
Angesichts dieser fundierten Terroranalyse der Oberwarter Krimineser
geben sich auch FPÖ und ÖVP cool. ÖVP-Bezirksobmann
Erwin Schranz: "Die Unsicherheit ist auch bei uns gestiegen, daher sind
Überlegungen in diese Richtung wichtig. Allerdings muss man hier
Sicherheit und Datenschutz unter einen Hut bringen".
FPÖ-Bezirksobfrau Ilse Benkö: "Wir leben ja in punkto
Sicherheit zum Glück im gelobten Land. Allerdings
begrüßen wir alle Maßnahmen, die zu einer
Erhöhung der Sicherheit beitragen".
Abschließendes der Landesparteien.
Von den niederösterreichischen Landesparteien sind belanglose
Worthülsen zu vernehmen. Landtagsabgeordneter Razborcan, SPÖ:
"Man muss die Balance halten zwischen den Rechten der Polizei und den
Rechten der Bürger". Das ist neu für die SPÖ, und das
sollte er mal Schlögl, Löschnak und dem übrigen
Entsorgungstrupp für Grundrechte in der SPÖ nahe bringen.
LAbg. Thomas Ram, FPÖ: "Die Ereignisse in Madrid zeigen, dass das
notwendig ist an öffentlichen Plätzen und an den Grenzen".
Und im selben Kanon auch die Grünen, mit der FPÖ wetteifernd:
"Gerade in Niederösterreich fehlt es an allen Ecken und Enden an
Personal, das sich die Bänder überhaupt ansehen könnte",
so Johannes Stadler.
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