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Videoüberwachung
- Populistischer Aktionismus.
Der Wunsch nach Überwachung von Einkaufsstrassen ist hart am Rande
der NS-Sauberkeitsideologie. Mehr zur Belästigungsinitiative des
Innenministers.
Arge Daten (gekürzt und bearbeitet).
Auf Grund fehlender rechtlicher Regelungen gibt es bei
Privatunternehmen einen Wildwuchs von rund 160.000 Videokameras in
Österreich. Davon dienen etwa 140.000 dem privaten Lauschangriff.
Rund 80% dieser Systeme sind jedoch Einzelinstallationen (bis 5
Kameras), meist wenig gewartet und vielfach unbeaufsichtigt, bis zu 10%
sind funktionslose Dummy-Kameras. Trotz der großen Zahl ist damit
weniger als 1 Promille des öffentlich zugänglichen Raumes in
Österreich erfasst.
Offizielle Zahlen liegen noch nicht vor, Strasser verweigert jede
Auskunft, doch dürfte der Anteil der videounterstützten
Aufklärung bei den mehr als 95.000 Vermögensdelikten im
Zehntelpromille-Bereich liegen.
Beispiel ÖBB - Überwachungsaufwand bei mehr 18.000 Kameras.
Würde mensch ernsthaft eine halbwegs flächendeckende
Überwachung des ÖBB-Netzes als potentielles Terrorziel in
Erwägung ziehen, müßte mensch etwa 18.000 Kameras
installieren, jeweils rund die Hälfte stationär an den
Bahnhöfen, die zweite Hälfte in den Zügen, ganz zu
schweigen vom 5.700 km langen Streckennetz, das weiterhin ungesichert
bliebe. Der Betrieb würde 3.000 Überwachungspersonen
erfordern. Nach internationalen Erfahrungen ist es nicht möglich,
durch eine Person mehr als 20 Videomonitore parallel zu
überwachen. Die Alternative einer automatischen Auswertung besteht
derzeit nicht, da kein System am Markt ist, das geeignet wäre
Personen oder auch nur auffälliges Verhalten genügend sicher
zu identifizieren. Das Bundesamt für Sicherheit in der
Informationstechnik in Deutschland hatte zuletzt einen
ernüchternden Bericht veröffentlicht: Bis zu 99% Fehlerrate
bei professioneller Bilderkennungssoftware.
Umgekehrt konzentriert sich das ÖBB-Verkehrsaufkommen zu 80% auf
bloß 20 Bahnhöfe. Mensch könnte demnach alternativ auch
nur 40 Kameras installieren. An geeigneten Plätzen aufgestellt
würden diese immerhin von 60-80% aller ÖBB-FahrgästInnen
wahrgenommen werden. Sie wären zwar zur Verbrechensbekämpfung
ungeeignet, da viel zu leicht zu umgehen, mensch hätte aber das
perfekte Sicherheitsplazebo produziert.
Signal zur sozialen Kontrolle und Säuberung.
Studien haben ergeben, dass Videoüberwachung dann 'wirksam' ist,
wenn darüber geredet wird. Das heißt in der Regel sinkt in
einem Areal, in dem Videoüberwachung geplant ist, die
(Klein)Kriminalität vor der Installation. Nach der Installation
wächst sie wieder langsam an und kann sogar höher sein als
vorher.
Eine vom österreichischen Bundeskriminalamt bestätigte Studie
aus Großbritannien zeigt einen sehr geringen Zusammenhang von
Videoüberwachung und Kriminalität. Bei Auswertung von 24
Videoüberwachungssystemen lag bei vier eine Steigerung vor, bei
sieben ein Gleichbleiben und bei 13 ein Sinken der Kriminalität.
Berücksichtigt werden muss jedoch, dass in allen Fällen mit
der Installation der Videoüberwachung auch eine Modernisierung der
gesamten Stadtinfrastruktur erfolgte und unter anderem schlicht die
Straßenbeleuchtung verbessert wurde.
Gut geeignet ist Videoüberwachung zur sozialen Säuberung.
Unerwünschte Personen, etwa offensichtlich Fremde, ärmlich
gekleidete Personen, Obdachlose, allzu öffentlich tätige
Liebespärchen und BettlerInnen können in
Einkaufsstraßen rascher identifziert und in Nebenstraßen
und weniger einsehbare Parkanlagen und Hausdurchgänge
abgedrängt werden. Dies ist der tatsächliche Grund, warum
österreichische Geschäftsleute so vehement für die
Videoüberwachung ihres Geschäftsumfeldes plädieren. Ein
Bettler vor der Eingangstür ist eben nicht wirklich
verkaufsfördernd, wohl aber ein Teil unserer urbanen Wirklichkeit.
Ein weiteres Ausbreiten der Videoüberwachung würde zu einem
Verdrängungswettbewerb sozial abweichenden Verhaltens führen.
Innenministerium wird zum Ober-Stalker.
Während in der 'Öffentlichen Sicherheit', dem offiziellen
Organ des Innenministeriums, eine Anti-Stalker-Initiative gesetzt wird,
will sich Bundesminister Strasser zum Oberstalker der Nation
aufschwingen. Als Stalker werden jene lästigen Zeitgenossen
bezeichnet, die durch auffälliges Beobachten, hinter jemanden
hergehen oder auch durch die bloße Anwesenheit vor der
Wohnungstür oder dem Arbeitsplatz Menschen belästigen. In
manchen Staaten steht diese Form der Beschränkung der
persönlichen Freiheit und des Eingriffs in die Privatsphäre
auch dann unter Strafe, auch wenn keine Besitzstörung, keine
Bedrohung oder Beschimpfung vorliegt und auch keine persönlichen
Daten mißbraucht werden. In Österreich soll es zum
behördlichen Auftrag werden.
Auch im öffentlichen Bereich besteht Anspruch auf ein maximal
mögliches Ausmaß an Privatsphäre. Videoüberwachung
wird daher in den meisten Fällen als Belästigung zu
qualifizieren sein.
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