TATblatt


staatlicher Rassismus:

Die Bosnien-Rückkehraktion

(TATblatt)

Im April 1992, unmittelbar nach dem Beginn des Krieges in Bosnien-Herzegowina, wurde in Österreich für Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina die Bund-Länder-Aktion für de facto-Flüchtlinge geschaffen. Die im Rahmen dieser Aktion registrierten Flüchtlinge wurden in Lagern oder auch privat untergebracht. Zwischen der tatsächlichen Aktion und dem Asylverfahren gab es keinen rechtlichen Zusammenhang. Ebenso wie bei der Bundesbetreuung bestand kein Rechtsanspruch in die Aktion aufgenommen zu werden.

Dieser Umstand wurde von den Behörden dazu ausgenutzt, die Bosnien-Flüchtlinge davon abzuhalten, einen Asylantrag zu stellen bzw., falls sie schon einen gestellt hatten, diesen zurückzulegen und einen Rechtsmittelverzicht zu unterschreiben, um in die de facto-Aktion aufgenommen zu werden.

In einem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes wird diese Vorgangsweise als "im Lichte des Rechtsstaats bedenklich" bezeichnet. Weiters ist dort zu lesen: " Geht man von dem von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalt bei Abgabe des Berufungsverzichtes aus, ist festzustellen, daß die Abgabe eines Berufungsverzichtes eines Asylwerbers nach dem Hinweis darauf, daß die Bundesbetreuung mangels Aufenthaltsberechtigung nicht zustehe und die Erlangung der sogenannten `de facto-Aktion` voraussetze, daß kein Asylverfahren anhängig bzw. rechtskräftig abgeschlossen sei, im Lichte der besonderen Situation eines Flüchtlings, insbesondere im vorliegenden Fall von bosnischen Moslems, nicht frei von Willensmängel erfolgt, vielmehr die Beschwerdeführer unter Erzeugung von psychischem Druck zur Abgabe des Rechtsmittelverzichtes bestimmt wurden."

Heute befinden sich dieselben Flüchtlinge wieder in einer ganz ähnlichen Situation. Wieder wird so getan, als könnten sie sich freiwillig dazu entschließen ein Angebot anzunehmen oder nicht. Nur, daß es keine wirkliche Alternative dazu gibt, wird gerne verschwiegen. Wenn die Alternative heißt völlig rechtlos in Österreich zu leben, ständig mit der Angst leben zu müssen eines Tages deportiert zu werden und keine Chance auf ein normales Leben zu haben, kann wohl nur schwer davon gesprochen werden, die "Rückkehrangebote" seien freiwillig.

Von "freiwillig" könnte höchstens dann gesprochen werden, wenn den Flüchtlingen auch für ein Leben in Österreich ein entsprechendes Angebot gemacht werden würde. Davon ist jedoch keine Rede. Um KritikerInnen zu beruhigen, spricht Schlögl zwar davon, daß die de facto-Aktion für Flüchtlinge über den 31.August verlängert werden wird, was auch nicht gerade eine Perspektive bietet, gibt aber gleich darauf indirekt zu, daß der 31.August sehr wohl als eine Art Druckmittel verwendet wird. "Ich möchte das (die Verlängerung der Aktion; Anm. Tb) nicht jetzt ankündigen, weil vielleicht jemand dann doch abwartet heimzukehren." Außerdem werden auch jetzt schon ständig Flüchtlinge aus der Bundesbetreuung entlassen. Ein Großteil der Menschen, an die sich die Rückkehrangebote richten, sind entweder Moslems aus serbischen Gebieten, die - so schreiben es zumindest die bürgerlichen Medien - keine Chance haben in ihre Herkunftsorte zurückzukehren, und/oder alte und kranke Menschen, die kaum in der Lage sein würden, sich noch einmal eine neue Existenz aufzubauen.

Die Arbeitslosigkeit beträgt in Bosnien derzeit ca. 60%, große Gebiete sind nach wie vor vermint und viele Häuser ganz oder teilweise zerstört. Die RückkehrerInnen werden auch nicht gerade freundlich empfangen, sondern eher als VerräterInnen gesehen.

Situation in der BRD

Aus Deutschland werden Bosnien-Flüchtlinge schon seit einiger Zeit deportiert. Nachdem vorerst nur die Länder Bayern, Berlin und Hamburg zu dieser Maßnahme gegriffen haben, werden jetzt auch aus den SPD-regierten Ländern Flüchtlinge deportiert. Dabei wird keinerlei Rücksicht darauf genommen, wie die Situation in der unmittelbaren (ehemaligen) Heimat der Flüchtlinge ist, was sogar Verteidigungsminister Volker Rühe zu einer Kritik veranlaßte. Einziges offizielles Kriterium für die Deportation ist der Familienstand. Ledige und kinderlose Ehepaare sollten zuerst abgeschoben werden, aus Baden-Württemberg sind aber auch schon Familien abgeschoben worden.

Aus Bayern deportierte Flüchtlinge berichten, daß die Polizei samt Hunden ohne Ankündigung, mitten in der Nacht, mit dem Hinweis sie hätten zehn Minuten, um ihre Sachen zu packen, auftauchte. Jetzt leben die Leute in einem Flüchtlingslager in der Nähe von Sarajewo.


aus: TATblatt Nr. plus 75 (8/97) vom 24. April 1997
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