Die Bauindustrie mit ihren Konzernen und Banken im Rücken fordert, die PolitikerInnen springen. Milliardenforderungen von Baufirmen an Auftragssummen stehen ebensolche Milliardensummen an öffentlicher Neuverschuldung gegenüber. Gespart wird am Sozialstaat, verdient auf den Bankkonten und mit Aktien. Die Affäre um die Kontrollbank hat nun den Kernbereich der Banken in die längst fällige Diskussion gezogen, was auch im von den Banken kontrollierten Geschäftsbereich Bau Alltag ist.
TATblatt
Zunächst zu der wichtigsten Machtgruppe und ihren zentralen Insidern. Durch die feindliche Übernahme der Creditanstalt (CA) durch die Bank Austria (BA) entstand im Einflußbereich der BA die größte Baugruppe Österreichs. Schon vorher hatte die BA die Porr AG, die Stuag und weitere Baufirmen besessen, durch die CA kam die Universale Bau AG dazu. Dadurch entstand ein Konglomerat an Baufirmen, das von der EU als Monopol und folglich wettbewerbswidrig eingestuft wurde. Die EU genehmigte die Übernahme der CA durch die BA nur mit dem Vorbehalt, daß die BA die Universale oder Stuag abstößt. Die BA entschied sich für die Stuag, die schon vor der Übernahme zur Hälfte an die Strabag verkauft worden war. Gerüchte, daß die BA der Strabag das Kapital für die Übernahme der Stuag-Anteile zur Verfügung stellte, wurden von der Strabag dementiert. Die Porr AG ist die größte Baufirma des BA-Konglomerats und ihr Chef, Horst Pöchhacker, Präsident der Lobbyvereinigung VIBÖ (Vereinigung Industrieller Bauunternehmen Österreichs).
Als zweite Machtgruppe tritt die Strabag-Österreich auf, deren Chef Friedrich Nußbaumer zugleich Fachverbandsvorsteher in der Wirtschaftskammer ist. Die Strabag-Österreich ist ein Tochterunternehmen der deutschen Strabag und besitzt mindestens ein Dutzend Beteiligungen oder Subfirmen in Osteuropa. Seit dem Kauf der Hälfte der Stuag wird der Stuag-Aufsichtsrat von einem Mann der Bank Austria und von Nußbaumer selbst gestellt. Im Aufsichtsrat der Strabag sitzt auch der Funktionär der Industriellenvereinigung und Autofelgenhersteller Peter Mitterbauer. Besitzerin der deutschen Strabag ist die Privatbank Sal. Oppenheim jr. & Cie., deren AktionärInnen nicht bekannt sind. Vorstandssprecher der Oppenheim Bank ist der ehemalige Präsident der deutschen Bundesbank, Karl Otto Pöhl; außerdem scheint es Verbindungen zur Deutschen Bank und zur Allianz-Versicherung zu geben.
Dritte große Machtgruppe ist die Bau Holding des Kärntner LIF-Abgeordneten Haselsteiner, für die ein gewisser Erwin Soravia Vorstandsvorsitzender ist. Zur Bau Holding gehört beispielsweise die Ilbau.
Keinesfalls überraschend ist, daß sowohl bei Porr, als auch für die Strabag Straßenbau der Kernbereich schlechthin ist. Die Strabag macht alleine 50% ihres Umsatzes im Straßenbau. Doch auch andere Projekte lassen den Schilling für diese Firma rollen. Projekte der letzen Jahre sind die Pisten für die Militärflugplätze Zeltweg und Thalerhof (zur Erinnerung: Draken-Ankauf), das Kraftwerk Fisching, die Errichtung des Übungsgeländes Dachsteinplateau für das Militärkommando Oberösterreich, eine Kaserne in Innsbruck, Pyhrnautobahn, Ölplattformen in Norwegen und Schottland, ein Wasserkraftwerk im Kriegsgebiet in Kurdistan, Autobahnen in Ungarn und Tschechien, Formel 1-Ring Zeltweg und weiteres.
Dem stehen die Porr AG und die weiteren Baufirmen der BA natürlich in nichts nach, sodaß Pöchhacker und Nußbaumer in der Öffentlichkeit wie siamesische Zwillinge wirken. In steter Regelmäßigkeit treten die beiden bei Pressekonferenzen auf, in denen sie diese oder jene Summe oder ein neues Autobahnteilstück oder einen Tunnel fordern. Die veröffentlichte Meinung, etwa in Form des von der BA kontrollierten "Standard", ist ihnen jedenfalls stets gewogen.
Obwohl es in Österreich kein geltendes Recht gegen Markt- und Machtkonzentration gibt, sind die absoluten Herrscher der Baukonzerne nicht gerade glücklich. Sie sind mit der zögerlichen Haltung der PolitikerInnen, die für ihre Interessen in MinisterInnenämter geschoben wurden, mehr als unzufrieden. Friedrich Nußbaumer gab jüngst der Zeitschrift Bau ein Interview mit folgenden Aussagen: "...es mangelt an Entscheidungen, Projekten zum Durchbruch zu verhelfen..." und weiter "Ich halte die Vignette schlicht und einfach für patschert, weil zu billig. 1000 Schilling dafür zu verlangen, wäre vernünftiger gewesen und hätte einen größeren Effekt für den Straßenbau gehabt."
Mittlerweile hat sich Nußbaumer besonnen und verlangt für die Vignette sogar 3000 bis 4000 Schilling. Dieser geht davon aus, was die Bauwirtschaft von vornherein sagte und unwidersprochen ist, daß die bisherigen 550,- vollständig für die Schuldenrückzahlungen der Autobahnfinanzierungsgesellschaft Asfinag draufgehen. Gleichzeitig wird die fällige Sanierung der Westautobahn zwischen Salzburg und Wien etwa 12 bis 14 Milliarden kosten, für den Neubau von Autobahnen würde die Baulobby in den nächsten zehn Jahren gerne 33 Milliarden verpulvern. Dieser Argumentation hat sich mittlerweile auch der Chef der Teerag-Asdag, die erst vor kurzem in das BA-Imperium eingegliedert wurde, angeschlossen, indem er 200 pro Monat, also 2.400 pro Jahr für die Vignette fordert.
Hintergrund dieser Forderungen nach mehr Geld sind aber nicht nur die direkten Interessen der Baufirmen nach einem Autobahnbau ohne Ende. Der wichtigste Grund, warum die BA nicht die Universale, sondern die Stuag abgeben wird, ist nämlich nicht die Universale selbst, sondern daß deren Firmenwert laut der "Presse" zum größten Teil aus Grundstücken bei der SCS, die ja durch eine Verbreiterung der Südautobahn und durch die geforderte Südumfahrung B301 als Baugründe aufgewertet würden, besteht.
Den Doppelt- und Dreifachprofiten der Baufirmen und der dahinterstehenden Banken steht eine Schuldenlast der öffentlichen Haushalte gegenüber, die für die PolitikerInnen zunehmend untragbar wird. Eingezwängt in die Maastricht-Kriterien zur Eindämmung der Verschuldung haben diese andere Probleme, als sich durch eine Erhöhung der Autobahngebühren eine weitere Front zu eröffnen. Ausgerechnet einer der massivsten Autobahnlobbyisten, ÖVP-Verkehrssprecher Kukacka, war einer der ersten, der sich den ÖAMTC-Protesten gegen jegliche Erhöhung einer Autobahngebühr anschloß. Da die ÖVP mittlerweile aber auch auf Druck der AutofahrerInnenlobby jegliches Road-Pricing, also benützungsabhängige Gebühren, ablehnt, wird die Kasse leer bleiben.
Mittlerweile brodelt in Oberösterreich die Bauaffäre auf mittlerer Flamme imageschädigend weiter. Wie schon im letzten TATblatt berichtet, gibt es Vorwürfe, daß die Baufirmen (u.a. Strabag und Ilbau) Bauaufträge abgesprochen und untereinander verlost hatten. ÖVP-Baulandesrat Hiesl (ÖVP) wollte kurz danach wissen, daß die Vorwürfe sich als haltlos erwiesen hätten. Nun berichtete das Linzer Kontrollamt, daß die Preise bis zu 190% überhöht waren und daß sich sämtliche Verdachtsmomente bestätigt haben.
Wenig imageträchtig für die Bauindustrie ist auch der prozeßanhängige Streit von Haselsteiners Ilbau gegen die ÖBB um eine Nachforderung von 900 Millionen für die Nordumfahrung von Innsbruck, wodurch sich die Baukosten glatt verdoppeln. Übrigens wird vom F-Abgeordneten Firlinger behauptet, daß der LIF-Verkehrssprecher Barmüller ursprünglich gegen den Semmering-Bahntunnel war, aber auf Druck von Haselsteiner (die Ilbau bietet mit) eine Wendung vollziehen mußte.
Verschärft wird die Lage durch die jüngste Entscheidung der EU, daß die von der Republik Österreich vorgeschlagene Maßnahme einer Ausgliederung der Schulden der Asfinag über 80 Milliarden Schilling aus dem Budget in der vorgeschlagenen Form nicht akzeptabel ist, weil es keine Kostentransparenz gibt.
Abgesehen von diesem Milliardengrab liegen noch einige weitere Leichen im Keller. Da ist zum Beispiel die milliardenschwere Überplattung der Donauuferautobahn A22 bei Kaisermühlen in Wien, an der sich die Baukonzerne krumm gestoßen haben, die aber nun durch eine Erweiterung des Konferenzzentrums durch den Bund vor der endgültigen Pleite gerettet wird. Bisher fand sich ansonsten kein einziger Investor, der dort etwas errichtet hätte.
Zweites Milliardengrab ist die Staustufe Wien-Freudenau mit einem benötigten Bundeszuschuß von fünf Milliarden, wo sich ebenfalls Porr & Co. dämlich verdienen. Die Staustufe Wien wird heuer in Betrieb genommen, was zu massiven Zahlungen des Bundes führen muß. Schon im Februar 1997 langte die Republik Österreich in die Töpfe der Europäischen Investitionsbank (EIB), um 354 Millionen für die Staustufe Wien auf Pump aufzunehmen. Ende April reiste eigens der Chef der EIB, Brian Unwin, nach Wien, um weitere 350 Millionen für die Staustufe Wien lockerzumachen. Seit dem EU-Beitritt hat Österreich bei der EIB Kredite über 9,6 Milliarden Schilling aufgenommen, weitere sind für die zahlreichen Tunnels am Semmering und dem Brenner in Verhandlung.
Der Semmering ist wohl eines der lehrreichsten Beispiele, wie Wettbewerb und objektive Auftragsvergabe in Österreich verstanden werden. Für den Bahntunnel, den Verkehrsminister Caspar ganz im Dienst der Bank Austria auf Biegen und Brechen durchsetzen will, gibt es drei Bietergemeinschaften: in der ersten bietet eine Firma der Bank Austria, in der zweiten eine zweite Firma der Bank Austria, und in der dritten zur Abwechslung eine dritte Firma der Bank Austria. Für die Bohrung des Probestollens wurde eine Firma der Bank Austria, die Porr AG, zum Generalunternehmer gemacht. Und in zwei von den drei Bietergemeinschaften sitzt die Strabag, einmal direkt als Strabag, einmal als Stuag.
Bei so viel politischem Gestaltungswillen, der sich auch in der Angelegenheit des postenschaffenden ex-Ministers Scholten offenbart, rollt vorerst jedenfalls noch die Welle der Ausschreibungen von Aufträgen bei gleichzeitiger Ebbe in der Kasse; erst im Mai wurde der Sondierstollen für den Abschnitt der A9 Pyhrnautobahn zwischen Schön und St. Pankraz um 135 Millionen und die Burgenland-Schnellstraße S31 zwischen Weppersdorf und Neuthal um 230 Millionen zur Vergabe ausgeschrieben.
Typisch für die gängige Praxis ist die Planung einer sogenannten Nordspange in Graz, einem etwa 500 Meter langen Straßenstück um wohlfeile 200 Millionen. Die offiziösen Gutachter namens Reinhold Lazar und Rudolf Pischinger bescheinigten dem Projekt gesundheitliche Unbedenklichkeit und wurden von zwei Gegengutachtern "schwerwiegender Fehler, Auslassungen und tendenziöser Aussagen" geziehen, woraufhin erstere mit einer Klage wegen übler Nachrede reagierten. Soweit so normal, aber eine neue Qualität dürfte darin liegen, daß selbst von Betreiberseite zugegeben wird, daß es keinen offiziellen Budgetposten für den Bau gebe, daß aber ungeachtet dessen noch heuer ausgeschrieben werden könnte.
aus: TATblatt Nr. plus 76 (9/97) vom 7. Mai 1997
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