TATblatt


Das neue Asylgesetz

Das derzeit noch geltende Asylgesetz aus 1991 hat dazu geführt, daß es in Österreich Asyl nicht mehr als Rechtsanspruch, sondern nur mehr als Gnadenakt gibt. UNHCR hat in einer Studie die Lage folgendermaßen zusammengefaßt: "Würde also in der Verwaltungspraxis einheitlich vorgegangen, so wären praktisch alle Asylwerber - zumindest im Ergebnis - von der Asylgewährung ausgeschlossen." Das neue Asylgesetz wird daran nicht nur wenig ändern, sondern - speziell was die Einreisemöglichkeiten betrifft - die Lage weiter verschärfen.

TATblatt (Quellen: UNHCR, amnesty international, Asyl in Not)

Einreise

Die Flüchtlinge werden unterschiedlichen Verfahren unterworfen, je nachdem ob sie direkt oder nicht direkt angereist sind. Die Bestimmung im AsylG1991 über die "direkte Einreise" hat dazu geführt, daß Flüchtlinge, die am Landweg nach Österreich gekommen sind, von Ausnahmen abgesehen, keine Chance hatten, Asyl gewährt zu bekommen. Sämtliche Anrainerstaaten Österreichs galten und gelten offiziell immer noch als sichere Drittstaaten. Der Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, daß ein "Gebietskontakt" mit einem dieser Staaten ausreicht, um einen Asylantrag zurückzuweisen. Laut UNHCR erfüllen etliche Nachbarstaaten (Slowenien, Ungarn, Slowakei, Tschechien) keineswegs alle völkerrechtlichen Kriterien, um sie von vornherein als sichere Drittstaaten einzustufen.

Im Gesetzesentwurf für das neue Asylgesetz wird beim Punkt "direkte Einreise/Anreise" zwar auf die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) verwiesen, womit die bloße Durchreise durch einen Drittstaat in Zukunft als "direkte Anreise" zu verstehen sein müßte, genaue Bestimmungen, wie sie in anderen europäischen Ländern vorhanden sind, fehlen aber nach wie vor. Entscheidend ist, "daß der/die Betroffene noch nicht verfolgungs- und refoulementsicher gewesen sein darf". Wann das der Fall ist, ist nicht geregelt. Geht mensch von der bisherigen Erfahrung aus, ist anzunehmen, daß nur bei einem verschwindend kleinen Teil der Flüchtlinge die "direkte Anreise" anerkannt wird.

Diese Asylsuchenden werden dem Bundesasylamt zur "Sicherung der Zurückweisung" vorgeführt, "es sei denn, ... ihr Antrag wäre wegen entschiedener Sache zurückzuweisen." Von amnesty international wird dieser Passus aus dem Textzusammenhang so interpretiert, "daß diese Entscheidung von der Grenzkontrollbehörde ohne Einbindung des Bundesasylamtes getroffen wird." Gegen eine derartige Zurückweisung an der Grenze besteht kein wirksames Rechtsmittel im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Flüchtlinge, die nicht direkt angereist sind, sollen an der Grenze einem formalisierten Verfahren unterworfen werden, das keineswegs verfahrensrechtliche Mindestgarantien beinhaltet, wie UNHCR feststellt. Die Regelung eines formalisierten Verfahrens birgt die Gefahr in sich, daß schutzbedürftige Personen, die ihre Asylgründe nicht ausreichend (schriftlich) formulieren können (AnalphabetInnen, Menschen ohne ausreichende Bildung, etc.) an der Grenze zurückgewiesen werden können. Die Bestimmung garantiert weder den Zugang der Asylsuchenden zu einer FlüchtlingsbetreuerIn, noch zu einer DolmetscherIn und sieht in der Regel keine persönliche Anhörung durch eine qualifizierte BeamtIn vor. (Als Reaktion auf die massive Kritik an dieser Regelung hat das Innenministerium bekanntgegeben, daß für verständliche Formulare gesorgt werden wird.) Im Gegenteil, es wird den Asylsuchenden von Beginn an zugemutet, daß sie ihren Aufenthalt während der Entscheidung über die Einreise im Ausland anhand einer von den österreichischen Behörden ausgestellten Bestätigung regeln. Dabei ist in keiner Weise sichergestellt, daß die Asylsuchenden während des Abwartens auf die Einreiseentscheidung im Drittland vor einer Ausweisung geschützt sind. Einreisen dürfen die Asylsuchenden, wenn die Wahrscheinlichkeit der Asylgewährung gegeben ist. Das ist der Fall, wenn der Antrag vom Bundesasylamt nicht als "unzulässig" oder als "offensichtlich unbegründet" (Details dazu weiter unten) eingestuft wird.

Eigene Regelungen gibt es für Flüchtlinge, die mit dem Flugzeug nach Österreich einreisen, aber auch hier wird wieder zwischen indirekter (mit Zwischenlandung oder umsteigen) und direkter Einreise unterschieden. Für direkt einreisende Flüchtlinge soll es ein Verfahren unter Einbeziehung des UNHCR geben. Diese kritisiert aber folgende Punkte an der Gesetzesvorlage: Den Ausschluß der indirekt Eingereisten, die viel zu kurze Widerspruchsfrist für UNHCR (diese 24 Stundenfrist wurde inzwischen wieder zurückgenommen) und vor allem die Möglichkeit AsylwerberInnen während des Berufungsverfahrens in Drittstaaten zurückzuweisen. Laut Gesetzesvorlage soll es sogar die Möglichkeit geben, die AsylwerberInnen in irgendeinen Drittstaat abzuschieben, unabhängig davon ob der/die Flüchtende durch diesen Staat gereist ist oder jemals dort gewesen ist. Asyl in Not dazu: "PessimistInnen wie wir sind, sehen wir vor unserem geistigen Auge die Republik Österreich eine Art neuzeitlichen Ablaßhandel betreiben und andere Staaten dafür bezahlen, daß sie uns unsere AsylwerberInnen abnehmen (denn gratis wird das wohl niemand tun) - so wie manche europäische Staaten ihren Sondermüll in die Dritte Welt exportieren."

Vorläufige Aufenthaltsberechtigung

AsylwerberInnen, die ihren Antrag im Bundesgebiet stellen, bekommen unmittelbar eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung, außer sie sind unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist. Falls das der Fall ist, bekommen sie die vorläufige Aufenthaltsberechtigung nur, wenn ihr Antrag zulässig und nicht offensichtlich unbegründet ist. Weiters ist nicht klargestellt, daß die vorläufige Aufenthaltsberechtigung auch im Verfahren vor den Höchstgerichten ab der Einbringung des Antrages zur Gewährung der Verfahrenshilfe bis zur endgültigen Entscheidung über den Asylantrag besteht.

Auch im neuen Gesetz ist keine befristete Aufenthaltsberechtigung für Menschen vorgesehen, deren Asylantrag abgewiesen wurde, die aber nicht deportiert werden dürfen oder können.

"Offensichtlich unbegründete" Anträge und das abgekürzte Berufungsverfahren

Über die Berufung gegen eine Abweisung des Asylantrages als "offensichtlich unbegründet" wird innerhalb von 48 Stunden in einem Schnellverfahren entschieden. Die zweite Instanz muß innerhalb von vier Tagen entscheiden. Mehrere VerfassungsjuristInnen sehen hier einen Widerspruch zur Verfassung, weil von einer generellen Norm - der zweiwöchigen Berufungsfrist - ohne sachliche Begründung abgegangen wird. Der Grund für die Eile ist, daß die Nachbarstaaten nur innerhalb einer Woche verpflichtet sind deportierte AsylwerberInnen aufzunehmen.

Die im Entwurf zum neuen Asylgesetz aufgezählten Gründe, wann ein Asylantrag "offensichtlich unbegründet" ist, entsprechen nicht den internationalen Standards, wie sie vom Exekutivkomitee des UNHCR festgelegt wurden. Demnach dürfte ein Antrag nur dann als "offensichtlich unbegründet" zurückgewiesen werden, wenn er in "eindeutig betrügerischer" und mißbräuchlicher Weise gestellt wurde. Im neuen Asylgesetz sind darüber hinaus etliche Gründe vorgesehen, die eine Zurückweisung wegen "offensichtlicher Unbegründetheit" ermöglichen sollen.

Besonders gefährlich ist in diesem Zusammenhang die Bestimmung, nach der ein Antrag abgewiesen werden kann, wenn die "behauptete Verfolgungsgefahr offensichtlich nicht auf die in der GFK genannten Kriterien zurückzuführen ist." In der Verwaltungspraxis der letzten Jahre wurde immer wieder z.B. die strafrechtliche Verfolgung im Falle der Teilnahme an verbotenen Demonstrationen oder des Verteilens von Flugblättern als legitimes Interesse von Staaten und nicht als politische Verfolgung dargestellt. Ein Antrag der Verfolgung dieser Art angibt, könnte demnach als "offensichtlich unbegründet" eingestuft werden.

Auch die Bestimmung wonach Asylanträge als offensichtlich unbegründet abzuweisen sind, wenn das Vorbringen der AsylwerberInnen zu einer Bedrohungssituation "offensichtlich den Tatsachen nicht entspricht" läßt den Behörden zu viel Spielraum, der schon in den letzten Jahren regelmäßig zu Ungunsten der AsylwerberInnen ausgelegt wurde.

Äußerst problematisch ist auch das vorgesehene Festlegen von sicheren Herkunftsländern, das dem Prinzip der individuellen Natur der begründeten Furcht vor Verfolgung widerspricht.

Schubhaft

Das Fremdengesetz findet auf AsylwerberInnen grundsätzlich Anwendung. Hinsichtlich der Ausweisung und der Schubhaft sind nur solche AsylwerberInnen mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung ausgenommen, die von sich aus Kontakt mit den Behörden aufnehmen.

Dies bedeutet, daß auch AsylwerberInnen mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung in Schubhaft genommen werden können. Letztlich entscheidet über die Möglichkeit der Inschubhaftnahme der Zufall bzw. der Ausgang eines Wettlaufes: Schaffen es AsylwerberInnen, zum Bundesasylamt oder zu einer anderen Sicherheitsbehörde zu kommen und dort den Asylantrag bzw. die Absicht einer Asylantragstellung zu artikulieren und wird ihnen die Aufenthaltsberechtigung bescheinigt, dürfen sie nicht in Haft genommen werden. Werden sie auf dem Weg zu einer Behörde von Sicherheitsorganen kontrolliert und äußern bei dieser Gelegenheit die Absicht, einen Asylantrag zu stellen, können sie - trotz der Bescheinigung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung - in Schubhaft genommen werden. (amnesty international)

Im neuen Fremdengesetz ist die Möglichkeit der mehrmaligen Inschubhaftnahme wegen des selben Sachverhaltes vorgesehen.

Für AsylwerberInnen, denen eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nicht zukommt, ist die Möglichkeit der Konfinierung (den Aufenthalt einer Person durch gerichtliche Anordnung auf einen bestimmten Ort beschränken) vorgesehen. In den Erläuterungen zur Gesetzesvorlage wird das nicht(!) als Entzug der persönlichen Freiheit gewertet, weil AsylwerberInnen die Ausreise immer möglich ist. (UNHCR und ai verweisen auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in dem eine Anhaltung eines somalischen Asylwerbers am Flughafen sehr wohl als Freiheitsbeschränkung gewertet wird.) Auf Grund dieser Bestimmung soll die Schubhaftverhängung an der Grenze gerechtfertigt werden. Die Konfinierung hat sogar Nachteile gegenüber einer Festnahme, weil etliche Rechte nicht gelten. Konfinierte AsylwerberInnen hätten beispielsweise kein Recht auf unverzügliche Verständigung eines Familienangehörigen. Außerdem könnte die Rechtmäßigkeit der Konfinierung nicht überprüft werden.

Schon die bestehende Schubhaftprüfung entspricht nicht den völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Haft nach der EMRK. (Hofbauer et al., Internationale menschenrechtliche Normen und Österreichische Schubhaft, Wien 1995)


aus: TATblatt Nr. plus 77 (10/97) vom 22. Mai 1997
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