In den frühen Morgenstunden des 29. Mai ließ die KPÖ wieder einmal die Polizei vor dem "Ernst Kirchweger Haus" (EKH) in Wien 10 auffahren. Aus einem nach dem Auszug des Romano Centro freigewordenen Bereich sollten unerwünschte NachnutzerInnen weggeräumt werden. Verhandlungslösungen waren zuvor von der KPÖ verunmöglicht worden.
Bericht eines Mitbesetzers
Bereits vor einigen Monaten wurde den BewohnerInnen des E.K.H. klar, daß das Romano Centro - das die Räumlichkeiten im ersten Stock des Hauses bezogen hatte - aus dem E.K.H. ausziehen würde.
In Gesprächen mit dem von der KP für das Haus zuständigen Günther K. ließ dieser immer wieder durchblicken, daß mensch über den Bereich reden könne und auch das E.K.H. Gruppen vorschlagen könne,...
Da die vielen unabhängigen Gruppieren der radikalen und/oder anarchistischen Linken in Wien kaum Räumlichkeiten zur Verfügung haben, aber diese für ihre unbezahlte politische Arbeit dringend benötigen, meldeten sich die "Rosa Antifa Wien" - die sich bisher einmal in der Woche im KP-Kulturzentrum Siebenstern getroffen hatte und nun durch die langfristige Renovierung das Lokal verlassen mußte - und die kommunistisch dominierte "Antifaschistische Front" bei den zuständigen KPÖ-Stellen.
Die potentiellen NutzerInnen versuchten sich in der Folge zu koordinieren und ein Gesamtkonzept für den ehemaligen Romano Centro-Bereich zu erstellen, in dem auch andere politische Gruppierungen, die dringend Räumlichkeiten benötigen, ihren Platz haben sollten.
Zur Zeit arbeiten Gruppen wie die "Rosa Antifa" unter katastrophalen Umständen. Infrastruktur anderer Gruppen kann zwar teilweise mitbenutzt werden, doch ist die Rosa Antifa dabei natürlich von deren Prioritätensetzungen abhängig, so bedeutet es oft einen langwierigen Kampf, um an sich einfache Tätigkeiten auszuführen. So kann es schon mal passieren, daß eine Aussendung mehrere Tage beansprucht, da es für sie aus technischen oder logistischen Gründen gerade nicht möglich ist, die Adressen auszudrucken oder Flugblätter zu kopieren.
Eine Demoorganisation wird zum Spießroutenlauf, wenn verschiedene Tätigkeiten, wie z.B. Flugblatt schreiben, kopieren, Demoanmeldung faxen, Transpi malen u.s.w. an verschiedenen Orten - die nicht jederzeit zur Verfügung stehen - stattfinden.
In einer Erklärung der Rosa Antifa heißt es dazu: "Wir wollen nicht länger von der Gnade anderer abhängig sein, wir fordern autonome Freiräume, in denen wir unsere eigene Infrastruktur aufbauen und nutzen können. Wer hätte es wohl leichter, solche Freiräume zu schaffen, als die KPÖ, die wahrlich genug Geld und Immobilien, auch durch ausbeuterische Methoden, angehäuft hat."
Die Räume im EKH werden deshalb für so wichtig erachtet, weil es bereits ein autonomes Zentrum ist, das "ausgebaut und gefestigt werden muß".
Dabei wurde nie die alleinige Nutzung des Bereiches durch die Rosa Antifa angestrebt, sondern eine gemeinsame Nutzung mit anderen Gruppen geplant. Die Büros sollten allen Gruppen offenstehen.
Leute, die niemanden persönlich kennen, können Gruppen wie die Rosa Antifa oder die Antifaschistische Front derzeit nur über den Postweg erreichen, ein Postweg der bekannterweise sehr langsam ist, und auf dem besonders Post für linksradikale Organisationen öfters "verloren" geht.
Akut wurden diese Probleme für die Rosa Antifa z.B. durch die anstehenden Projekte einer gemeinsamen Veranstaltung mit dem Antirassimusbüro Bremen und der Planung für Protestaktionen gegen den Kommers "150 Jahre Burschenschaften" der 1998 in Frankfurt und Wien stattfinden soll.
Um die für solche Projekte notwendigen internationalen Kontakte zu knüpfen und aufrecht zu erhalten, muß unbedingt die Möglichkeit bestehen, mit den Gruppen in Verbindung zu treten. Des weiteren muß eine funktionierende Infrastruktur aufgebaut werden, wo verschiedene linke Gruppen ungehindert Material für Öffentlichkeitsarbeit u.s.w. produzieren können, bzw. solche Materialien, die bis jetzt in verschiedenen Privatwohnungen liegen, gesammelt und zugänglich gemacht werden.
Zu diesem Zweck soll auch ein Infoladenprojekt im ehemaligen Romano Centro-Bereich einziehen. Des weiteren soll dort ein Videoarchiv und eine Bibliothek bereitstehen.
In den Räumlichkeiten des ersten Stock soll außerdem ein Internetserver aufgestellt werden, dessen BetreiberInnen auch ein Archiv zu Technik, HackerInnenwissen und -technik und netzkritischen Informationen einrichten wollen. Damit soll eine Auseinandersetzung mit neuen Technologien und Medien, ein kritisch-fortschrittlicher Umgang damit gefördert werden und der Zugang und die Vernetzung von Linken im Internet leichter gemacht werden.
Außerdem können solche Räumlichkeiten für eine Rechtshilfe benutzt werden. Sie wären ideal, um eine kontinuierliche VolXküche aufzubauen und würden überhaupt Platz für die Verwirklichung verschiedenster Ideen bieten, da sie für alle fortschrittlichen Gruppen offenstehen würden.
Auch eine gemeinsame Nutzung mit der KPÖ nahestehenden Organisationen war für die Rosa Antifa und die Antifaschistische Front immer vorstellbar.
Im Gegensatz zur KPÖ war für die späteren BesetzerInnen auch immer klar, daß die noch in Teilen des Bereiches wohnhaften Roma-Familien ein Recht hätten im E.K.H. zu bleiben, wenn sie dies wollten.
Am Dienstag den 13. Mai fand dann im E.K.H. ein gemeinsames Treffen von KP-Vertreter Günther K., VertreterInnen der im Haus befindlichen türkisch/kurdischen Gruppierung ATIGIF, dem "Verein für Gegenkultur" - der das Erdgeschoß, den Veranstaltungssaal und den 3. Stock gemietet hat -, dem Flughafensozialdienst, der den Flüchtlingsbereich unter Präkariat hat, und jenen Gruppen statt, die den freiwerdenden Bereich gemeinsam nutzen wollten.
Dabei stellte sich heraus, daß K. nicht daran denke, diesen Gruppierungen Räumlichkeiten im E.K.H. zur Verfügung zu stellen. Nur eine Mitbenutzung des Saales für Plena könne er sich vorstellen. Diesen Saal wollte er dann aber auch gleich der "Rosa Antifa" und der "Antifaschistischen Front" am gleichen Abend zur Verfügung stellen. Ob dies nur eine Dummheit K.'s war oder der Versuch, die Gruppen gegeneinander auszuspielen, wird sich wohl nicht mehr mit Sicherheit behaupten lassen. Klar ist nur, daß die Taktik anhielt, ständig Räume zu versprechen, die schon belegt waren, oder wo die KPÖ nicht einmal ein Verfügungsrecht darüber hatte.
K. stellte klar, daß er auf jeden Fall den "Dachverband Jugoslawischer Verbände" in den Bereich bringen wollte, daß die Roma auszuziehen hätten, es keine Verhandlungsmöglichkeiten mehr gäbe und bereits in 2 Wochen ein Vertrag unterzeichnet würde.
Angesichts dieser kompromißlosen Haltung der KPÖ sahen die "Rosa Antifa" und die "Antifaschistische Front" nur mehr die Möglichkeit einer Besetzung des Bereiches, um noch irgendwie an die dringend benötigte Infrastruktur zu kommen.
Die beiden Gruppen besetzten deshalb am Mittwoch, den 21.5 1997 die freien Räume des Romano Centro Bereiches. Das E.K.H. selbst erklärte sich in einer Aussendung an die KPÖ solidarisch mit den BesetzerInnen: "...Aus all diesen Gründen erklären wir uns mit den besetzenden Gruppen solidarisch und fordern die KPÖ auf, auf den Dachverband im Sinne einer gemeinsamen Nutzung einzuwirken, beziehungsweise dem Dachverband eine zusätzliche Alternative zum EKH anzubieten. Eine Lösung in dieser Richtung wäre letzendlich gewinnbringend für alle Beteiligten und würde dem Ansehen der KP sowohl in der radikalen, als auch in der bürgerlichen Linken mehr zu Gute kommen, als ein formaljuristisch korrekter Polizeieinsatz, verursacht durch Verhandlungsscheue und Unverständnis."
In den folgenden Verhandlungen mit der KPÖ wurde immer wieder betont, daß für die BesetzerInnen eine Verhandlungslösung über die Köpfe der Roma hinweg nicht in Frage komme. K. stellte hingegen die Sicht der KPÖ mit den Worten: "Den Roma gegenüber gibt es keine Verpflichtungen" dar.
In einem Gespräch mit dem Jugoslawischen Dachverband zeigte auch deren Obmann wenig Interesse für die Situation der Roma-Familien. Bei diesem Gespräch stellte sich sogar noch heraus, daß die KPÖ bereits vor 2 Monaten einen Vorvertrag mit dem Dachverband abgeschlossen habe - also alle Gespräche nur zum Schein geführt hatte und nie an einer gemeinsamen Nutzung des Bereiches interessiert war. Sogar die Mitbenutzung des Saales für einmal in der Woche stattfindende Plena schloß der Dachverbands-Obmann aus. Er hätte einen Vertrag mit dem Recht auf alleinige Nutzung, gedenke diesen Bereich auch alleine zu nutzen und es wäre das Problem der KPÖ, die Räumlichkeiten für sie freizubekommen.
Nach der Besetzung zeigte sich die KPÖ zuerst beleidigt, dann aber verhandlungsbereit. Dabei wurden wiederum Dinge versprochen, die sich mit den Versprechungen für den Dachverband widersprachen. Es wurde versucht die "Rosa Antifa" in Hausbereiche einzuquartieren, auf die die KPÖ gar keinen Zugriff hat, sondern der Flughafen Sozialdienst. Die "Rosa Antifa" stieg jedoch selbstverständlich nicht auf diese Spaltungsversuche ein. Sie wollte nie anderen aktiven Linken oder Flüchtlingen Räume wegnehmen, sondern Räume einer Partei beanspruchen, die Unmengen an Geld und Immobilien besitzt.
K. selbst hatte im Laufe der Verhandlungen angeboten, den Saal für Plena mitzubenutzen und die Mitbenutzung von 2 Büros zu ermöglichen. Als die BesetzerInnen auf das Angebot einstiegen und ein FAX mit einem aufgesetzten Vorvertrag an die KPÖ sendeten, kam von dieser nichts mehr zurück. Auch dieses "Angebot" war offensichtlich ein nicht ernstzunehmender Versuch, den BesetzerInnen Kompromißbereitschaft zu signalisieren.
Am Samstag übergab die KPÖ dann der Polizei eine Anzeige gegen die BesetzerInnen, mit der auch die Aufforderung zu einem Polizeieinsatz verbunden war. Eine Einzelperson wurde darin als Anführer der BesetzerInnen bezeichnet. Der einzige Anhaltspunkt dafür stellt die Tatsache dar, daß dieser Aktivist Erklärungen der BesetzerInnen in die Blackbox gestellt hatte und KP-Chef Walter Baier namentlich bekannt ist.
Am Sonntag bekamen die BesetzerInnen ein Ultimatum der KPÖ übermittelt, statt eines Polizeieinsatzes kam es dann aber noch einmal zu einer Verhandlungsrunde, an der u.a. Walter Baier und Waltraud Stiefsohn beteiligt waren. Es wurden jedoch wieder Versprechungen gemacht, ohne bereit zu sein, etwas schriftliches zu unterschreiben. Zusagen würden die BesetzerInnen erst bekommen, wenn sie die Besetzung aufheben und nicht mehr an die Öffentlichkeit treten würden. Genau diese beiden einzigen Sicherheiten der BesetzerInnengruppen konnten jedoch nicht aufgegeben werden. Die Verhandlungen wurden damit abgebrochen, den BesetzerInnen erklärt, daß geräumt werde und die KPÖ zu keinen weiteren Verhandlungen bereit wäre.
In der Zwischenzeit hatten die BesetzerInnen Flugblätter verteilt und reichlich Unterstützung für ihr Vorgehen bekommen. Bis zur späteren Räumung wuchs die UnterstützerInnenliste auf über 50 Gruppierungen an die vom TATblatt, dem Revolutionsbräuhof, der Autonomen Antifa Wels, Jugend gegen Rassimus in Europa (JRE) und der RKL über die ARGE Österreichischer Jugendzentren, der Grünalternativen Jugend, der GRAS, den verschiedene Unibasisgruppen wie die Bagru Juridikum, Bagru Politikwissenschaft oder Bagru Boku, der HochschülerInnenschaft der TU Wien (HTU) bis zum Verein der Türkischen Arbeiter in Wien (VTID) reichte.
Trotz dieser langen UnterstützerInnenliste war die KPÖ nicht mehr bereit, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Selbst Vermittlungsversuche des ehemaligen Museumsdirektor und Grünalternativen Dieter Schrage, der sich bereits bei der ersten EKH-Besetzung für eine vernünftige Verhandlungslösung eingesetzt hatte, fruchteten nichts. Walter Baier versprach zwar, sich dafür einzusetzen, daß der KP-Finanzreferent Michael Graber noch einmal mit der Vermittlung Dieter Schrages ein Gespräch mit den BesetzerInnen führe, Graber weigerte sich aber, dies zu tun.
Am Donnerstag, den 29.5. schickte die KPÖ hingegen in den frühen Morgenstunden die bewaffnete Staatsmacht des bürgerlichen Staates um ihre Hausbesitzertitel zu verteidigen.
Um ca. 5.15 drangen die BeamtInnen, begleitet von einer Gruppe KPlerInnen um K. und Graber in das Ernst-Kirchweger-Haus ein und besetzten den besetzten Bereich. Die ErstbesetzerInnen brachten die Roma-Familie in Sicherheit und konnten aufgrund ihres deeskalierenden Verhaltens ohne Aufnahme von Personalien und Verhaftungen den Bereich verlassen.
Der Polizeieinsatz war ansonsten von einer ausgezeichneten, freundschaftlichen Zusammenarbeit der KP-Funktionäre mit der Einsatzleitung und einer offensichtlich bestinformierten Polizei geprägt.
Die KP-Funktionäre ließen die Schlösser unter Polizeibewachung austauschen und waren nicht bereit, den beiden Roma-Familien einen Schlüssel zu geben. Bis Freitag wurde den Familien nicht einmal aufgesperrt, um ihre Sachen zu holen. Um 5.00h in der Früh standen die BewohnerInnen der beiden Zimmer in Pyjamas vor verschlossenen Türen.
Die KPÖ hat damit die Familien noch früher rausgeschmissen, als sie das ohnehin wollte. Zuerst wollte die KPÖ die beiden Familien einfach auf den Campingplatz schicken, erst auf den Druck der BesetzerInnen und der EKH-BewohnerInnen wurde für eine Flüchtlingsfamilie ein Ersatzquartier gefunden. Ob dieses ein für sie sicheres und adäquates ist, konnte bis Redaktionsschluß nicht festgestellt werden.
Die andere Familie will zwar zurück nach Ostslawonien, hat von dort aber bisher keine Papiere bekommen.
Der Vorsitzende des Dachverbandes der Jugoslawischen Verbände weigerte sich am Telephon, eine Stellungnahme zur Räumung und zur Behandlung der Familien abzugeben. Er wolle dazu nichts sagen und sie hätten auf den Bereich noch keinen Anspruch.
Die KPÖ glaubt nun, sich das Problem mit einem Polizeieinsatz vom Hals geschafft zu haben. Es wird an uns allen liegen, ihnen zu beweisen, daß sich Probleme innerhalb der Linken nicht mit der bewaffneten Staatsmacht lösen lassen, und ihnen zu zeigen, daß dieses Vorgehen das politisch fatalste für die KPÖ war.
--> Nachtrag dazu in TATblatt Nr. plus 79
--> weitere Beiträge zum Thema auf den Webseiten der "Autonomen Zone Innerfavoriten"
aus: TATblatt Nr. plus 78 (11/97) vom 5. Juni 1997
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