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Mit der Bibel gegen Frauen

Mitten in den Sommermonaten kam es Woche für Woche vor dem Ambulatorium für Schwangerenhilfe am Wiener Fleischmarkt zu gespenstischen Szene. Fanatische AbtreibungsgegnerInnen, vornehmlich aus dem katholischen Eck, versammelten sich und drangsalierten Frauen, die sich beraten oder einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen wollten.

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Nach einiger Zeit wurde es engagierten und betroffenen Frauen und Männern zuviel, und so kam es vor dem Ambulatorium zu einer Pro- und eine Contra-Abtreibungskundgebung. Ein Gefühl der 70er Jahre herrschte vor, ein Gefühl aus jenen Jahren, in denen der Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in Österreich heftige politische Auseinandersetzungen vorangingen. Besonders "engagiert" zeigten sich 1997 die VertreterInnen von Pro-Life, einer Initiative, die auch schon in den USA zu trauriger Berühmtheit gelangte, da sie auch dort seit Jahren an der Blockade von Abtreibungskliniken beteiligt ist. In den USA gingen die AbtreibungsgegenerInnen so weit, daß es zur Ermordung von Frauen und ÄrztInnen und zu Bombenanschlägen auf Kliniken kam. Ein derart eskaliertes Klima ist in Österreich noch nicht auszumachen, doch Pro-Life läßt schon Vorträge mit dem Titel "Bomben vor der Abtreibungsklinik - gibt es moralische Grenzen im Kampf gegen die Abtreibung?" halten - unter Beteiligung von Weihbischof Laun.

Die Rolle der Kirche bei diesen jüngsten Auseinandersetzungen war relativ eindeutig. Vor dem Ambulatorium waren sie auf der Seite der AbtreibungsgegnerInnen zu finden, im Wiener Stephansdom zelebrierte Pro-Life am 3. August eine eigene Messe, die vom General-Vikar Schüller gelesen wurde.

Auch während dieser Messe kam es zu Auseinandersetzungen. Frauen, die sich ihr Recht auf Selbstbestimmung und das Recht auf ihren Körper nicht nehmen lassen wollten, protestierten im Kircheninneren lautstark und versuchten auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Die Konsequenz: Hinauswurf durch die bereits anwesende Staatspolizei. Drei Frauen wurden dabei verletzt, sieben perlustriert. Mit Anzeigen haben wohl alle zu rechnen.

In einer Presseerklärung unterstrichen die beteiligten Frauen ihr Recht auf Selbstbestimmung und empfahlen jenen Männern, die ihre Zeit damit verbringen, vor dem Ambulatorium aufzumarschieren, sich den viel lebensnäheren Tätigkeiten des Babysittens, Windelwechselns, Schulaufgabenmachens und Lebensunterhaltverdienens zu widmen.


aus: TATblatt Nr. plus 82 (,15/97) vom 11. September 1997
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