[BekennerInnenbrief] [Ulrichsberg - was ist das?]
In der Nacht auf den 17. August wurde am Ulrichsberg in Koroska die als Pilgerstätte von Alt- und Neonazis bekannte "Heimkehrergedenkstätte" bemalt und Gedenktafeln zerstört. Eine rege, mitunter dubiose öffentliche Diskussion war die Folge. Über die möglichen TäterInnen wird allerorts heftig spekuliert.
TATblatt
Ein vom Kärntner Landeshauptmann Zernatto (ÖVP) initiierter "Expertengipfel" war der vorerst letzte Akt einer Diskussion über die Wiederherstellung jener Stätte, in der bis zum 17. August auf zahlreichen Gedenktafeln verschiedenste SS-, Wehrmachts- und andere nationalsozialistische Verbände geehrt wurden. Unter der Leitung des "Kriegshistorikers", Gegners der Ausstellung über den Vernichtungskrieg der deutschen Wehrmacht und Mitinitiators des Wehrmachtdenkmals in St. Petersburg, Stefan Karner, diskutierten u.a. VertreterInnen von Ulrichsberggemeinschaft, Kärntner Heimatdienst, Kameradschaftsbund, Kärntner Landsmannschaft, Bundesheer, Geschichtsverein für Kärnten, Rat der Kärntner Slowenen, Bund sozialdemokratischer Freiheitskämpfer und Opfer des Faschismus, Zentralverband slowenischer Organisationen und Mauthausen aktiv. Ihr Ergebnis: Alles wird wieder so wie vor dem Anschlag. Eine Gedenkstätte gegen Krieg, Diktatur und Gewalt, bei der aller Opfer gedacht werden könnte, könne ja anderswo errichtet werden. Die Ulrichsbergtreffen werden weiter regelmäßig am ersten Sonntag im Oktober stattfinden.
Der Vorschlag des Innsbrucker Politologen Pelinka, am Ulrichsberg nicht nur der Nationalsozialisten, sondern auch der AntifaschistInnen zu gedenken - schön nebeneinander, damit nur ja nicht die Nationalsozialisten einseitig als Täter denunziert würden, was ja im Kärnten und Österreich von 1997 zu einer unerwünschten Polarisierung (Zernatto) führen würde - ist damit vom Tisch. Die Ulrichsberggemeinschaft hatte sich zu diesem Thema zuvor vorsichtig taktierend, aber doch ablehnend geäußert: bisher sei noch kein derartiger Antrag an sie gestellt worden, geredet könne aber über alles werden, jedoch: "Der Ulrichsberg ist ausschließlich eine Heimkehrergedenkstätte und soll es auch bleiben." (Leopold Guggenberger, Präsident der Ulrichsberggemeinschaft). Moderater gab sich der Kärntner Heimatdienst: "Aus meiner Sicht ist es denkbar, auch Tafeln für NS-Widerstandskämpfer anzubringen." (Josef Felder, KHD-Obmann), zynisch beschwichtigend der Kärntner Kameradschaftsbund: "Wir haben die Kärntner Slowenen, die in der deutschen Wehrmacht gekämpft haben, immer schon in unser Gedenken eingeschlossen." (Kärntner Kameradschaftsbundobmann und SPÖ-Politiker Rudolf Gallob; alle Zitate aus dem "Standard") Noch klarere Worte fanden kleinere Mitglieder der Ulrichsberggemeinschaft, die eine Öffnunf für "Widerstandskämpfer und andere Organisationen, die hinterrücks gegen uns gekämpft haben" dezidiert ablehnen, weil dem "lebenden Feind" nicht die Hand gereicht würde, "dem toten ja, aber nicht dem lebenden" (ehemaliger SS-Offizier Alois Warum im ORF-Report). Auch FPÖ-Obmann Haider stellte unmißverständlich klar, "daß jedes Abweichen von der bisherigen Tradition eine Verfälschung des Ulrichsberg-Gedankens darstelle und daher aus der Sicht der Freiheitlichen strikt abzulehnen sei" (FPÖ-Pressedienst). Und für den freiheitlichen Landesparteisekretär Helmut Prasch kommt "eine Teilnahme von Kräften, die ehemals für die Teilung Kärntens und damit gegen die Einheit der Republik Österreich eingetreten" seien - ganz im Gegensatz also zur Waffen-SS und zur deutschen Wehrmacht - ebenso nicht in Frage (FPÖ-Pressedienst).
Es blieb dem Kärntner KZ-Verband überlassen, die Diskussion als das zu bezeichnen, was sie war, eine "Alibi-Aktion, um den nationalsozialistischen Charakter der Feier auch für die Zukunft zu bewahren". (APA)
Die Frage, welche Leute hinter dem "kommando z.a.l.a.", das sich zu der Aktion bekannt hat, stecken, ist Gegenstand heftiger Spekulationen. Selbst eine 74jährige ehemalige Partisanin mit dem Decknamen Zala blieb dabei nicht verschont. Wieso sich das "kommando z.a.l.a." unbedingt nach ihr, die ja noch lebt, benannt hat, ist fraglich, und war offenbar nicht gerade wohl durchdacht. Der wirklichen Zala blieb nach unzähligen Anrufen nichts anderes über, als sich öffentlich zu distanzieren, um wieder Ruhe zu bekommen. Gelungen ist dem "kommando z.a.l.a." mit der Namenswahl jedoch, in Erinnerung zu rufen, daß es im Nationalsozialismus nicht nur Nazis, MitläuferInnen, KolaborateurInnen und solche, die von nichts gewußt haben und nichts dagegen machen konnten, gegeben hat, sondern auch Menschen, die sich gewehrt und bewaffnet gegen den Nationalsozialismus gekämpft haben - von den meisten DeutschkärntnerInnen und restlichen ÖsterreicherInnen bis heute ungedankterweise. (Die Geschichte Zalas findet sich u.a. in dem Buch "Sag nie, du gehst den letzten Weg", Frauen im bewaffneten Widerstand gegen Faschismus und deutsche Besatzung von Ingrid Strobl, erschienen im Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt am Main 1989.)
Im Versuch, den Behörden möglichst viele mögliche Verdächtige zu präsentieren, tat sich insbesondere der "Standard" hervor. Er wußte von einer "Anfang der 90er Jahre" gegründeten linken Frauengruppe mit dem Namen "ZALA - Zornige antifaschistische linke Aktion" zu berichten. Hier konnte offenbar einmal mehr der Standard-Redakteur "völ" von seinen guten Kontakten und der oft ungebremsten Spekulationsfreudigkeit von Teilen der radikalen Linken profitieren.
Andere Zeitungen konnten den Behörden weniger Hinweise liefern. Sie beschränkten sich zumeist auf Mutmaßungen über mögliche Parallelen zu den Aktionen gegen den Dichterstein Offenhausen im April dieses Jahres (siehe TATblatt Nr. +75 und +76). Die Kleine Zeitung bemühte zudem einen Sprachwissenschaftler - Heinz-Dieter Pohl -, um die "Bekenner-Diktion" als "feministisch" entlarven zu können. Pohl in einem etwas verwirrten Rundumschlag: "Der Brief ist in Feministen-Deutsch geschrieben. Dafür spricht etwa das Wort 'mensch' statt 'man' oder - wie es in den etwas verrückten Sprachrichtlinien des Frauenministeriums heißen könnte: 'frau'."
Die SpurensucherInnen der Polizei müssen sich hingegen mit Fragmenten eines Fingerabdrucks und Werkzeugspuren, die am Tatort sichergestellt wurden, begnügen. Die Behörden sollen allerdings zahlreiche Hinweise aus der Bevölkerung bekommen haben. Deren hätte es sicher noch mehr geben können, wäre nicht der eifrige Klagenfurter Stapo-Chef Schmiedmaier von höherer Stelle zurückgepfiffen worden. Schmiedmaier hatte die Bevölkerung aufgefordert, sie möge in bei der Polizei aufliegende Fotos von Personen aus dem "linken universitären Eck" (Klagenfurter Stapo-Chef Gerold Schmiedmaier) Einsicht nehmen, berichtete etwa die APA unter Berufung auf Aussagen Schmiedmaiers. Diese seien allerdings "irrtümlich ergangen" oder "mißinterpretiert" worden, stellte der Polizeidirektor Kampfer tags darauf fest.
Wenn auch von allen möglichen Seiten Distanzierungen von und Verurteilungen des angeblich terroristischen Anschlags eingegangen sind, so zeigten die ausgelösten Diskussionen doch, daß die halbamtlich-deutschnationale Geschichtsschreibung schon auch mal für ein paar Tage erschüttert werden kann, daß das ehrende Andenken an die angeblichen Helden aus Wehrmacht und Waffen-SS nicht unangreifbar ist - am Ulrichsberg, in Offenhausen oder vielleicht auch bei hunderten Kriegerdenkmälern im ganzen Land. Eines ist immer in Ihrer Nähe.
[BekennerInnenbrief] [Ulrichsberg - was ist das?]
aus: TATblatt Nr. plus 82 (,15/97) vom 11. September 1997
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