Durch einige jüngere Vorgänge in der Wiener Autonomen Szene ist der Anlaß gegeben, das Thema ANTI-FEMINISMUS genauer zu untersuchen. Phämomene, die die amerikanische Feministin Judith Stacey schon vor 10 Jahren beobachtet hat, scheinen nun endgültig auf Österreich (bzw. Wien) überzuschwappen. Nicht die patriarchalen Verhältnisse werden als das zentrale Problem wahrgenommen, sondern die Feministinnen, die sie zu bekämpfen versuchen.
TATblatt, Marburg Virus, Schwarzer Faden, Standard
In momentan gängigen Büchern, Filmen oder Fernsehserien wird nur vordergründig ein emanzipiertes Frauenbild präsentiert, das sich bei genauerer Betrachtung jedoch als Modernisierung herkömmlicher patriarchaler Projektionen erweist. Es wird der Eindruck erweckt, daß Menschen nicht mehr gewaltsam als Geschlechter konstruiert und als Frauen unterworfen werden. Vielmehr wird suggeriert, daß der vorgeblich authentische Wille selbstbewußter Frauen sich durchsetze und eine grundlegende Gesellschaftsveränderung daher nicht nötig sei. Der Feminismus als politisches Projekt wäre demnach überflüssig geworden, seine Ideale erreicht. Neu daran ist, daß rechts-populistische oder neo-liberale Argumentationsmuster, wenn sie unter anti-feministischen Vorzeichen präsentiert werden, in links-alternativen und autonomen Zusammenhängen als ausgesprochen "diskussionswürdig" wahrgenommen werden. Dies geht sogar soweit, daß Thesen der Neuen Rechten als konstruktive Anregungen empfunden werden: einige "Autonome" scheuen nicht davor zurück, wortwörtliche Aussagen von Mitgliedern der "Freiheitlichen" Partei provokativ in den Raum zu stellen. Daß "hier Politik gemacht wird, die gar nicht alle Frauen wollen" ist beispielsweise ein beliebtes Statement, wenn Frauen bzw. Frauengruppen Forderungen in gemischten autonomen Zusammenhängen stellen.
Neben Angriffen auf den FrauenLesben-Block bei der Anti-Kommers-Demonstration im November letzten Jahres, den Vorgängen in der Punk-Subkultur rund um`s E.K.H. und einigen sexistischen Äußerungen bei Vernetzungstreffen und Plena autonomer Gruppen, veranlassen vor allem die anschließenden Diskussionen und der Umgang mit rechts-populistischen Meinungen dazu, die Dimensionen eines - zum Teil - neuen Anti-Feminismus stärker zu thematisieren.
Indem der Anti-Feminismus aus der rechten Schmuddelecke geholt wird, kommt diese neuere Strategie der Bekämpfung von Frauen-Befreiungsbewegungen erst richtig zur Geltung. Vorher war der Umgang der Feminismus-GegnerInnen mit feministischer Theorie und Praxis durch Ignoranz und Lächerlichmachen gekennzeichnet. Feminismus wurde als intellektuelle Spinnerei einiger durchgedrehter Frauen abgetan, die niemand ernst nehmen könne. Nachdem dies nicht mehr zog, wurde die feministische Bewegung als einflußreiche, gefährliche Kraft dargestellt. Demokratische Entscheidungsverfahren, Meinungsfreiheit, der zivilisierte Umgang im alltäglichen Leben - all dies werde durch den Feminismus zerstört. Insgesamt würden seine Aktivistinnen die diktatorische Unterwerfung von Männern und auch der meisten Frauen unter ihre Dogmen anstreben. Diese Argumentationslinie dürfte bekannt sein - auch in der Diskussion um Ausschluß von SexistInnen aus autonomen Zusammenhängen kam es zu Unterstellungen dieser Art.
In jüngster Zeit ist aber nun die Deutungsmächtigkeit eines Diskurses wichtig, der sich zur Ausgrenzungsstrategie von linken und feministischen Positionen ausgeweitet hat.
Es handelt sich dabei um die Konstruktion eines PC-Terrors, der von Leuten ausgeübt werde, die angeblich unter völligem Realitätsverlust leiden. In diesem Diskurs wird vor allem Linken und Feministinnen vorgeworfen, Phobien zu haben, welche sich in gesellschaftskritischen Parolen ausdrückten - die bezogen auf westliche Gesellschaften oder gar autonome Strukturen einfach Unsinn seien. Die angeblichen Mißstände wären nur wahnhaft herbeifantasiert worden. Die Parolen seien daher auch nur Ausdruck sektiererischer Gruppen, die durch deren Verwendung ihre Gruppenidentität stabilisieren würden. Diese Identität beruhe vor allem auf Ausgrenzung von den Leuten, die die Möglichkeiten in der eigenen Gesellschaft richtiger einschätzten und für ihren Erhalt kämpften. Da die PC-TerroristInnen unfähig seien, Standpunkte anderer nachzuvollziehen und sich argumentativ mit ihnen auseinanderzusetzen, seien sie gezwungen, ihre GegnerInnen nicht zu Wort kommen zu lassen. Und das führe dazu, daß die Wahrheit nicht mehr ausgesprochen werden könne.
Indem die solchermaßen konstruierte PC-Bewegung als mächtige Kraft entworfen und ihr jegliche intellektuelle Substanz abgesprochen wird, kann die bloße Ablehnung linker und feministischer Positionen bereits als mutiger Tabubruch verkauft werden und das Daherreden von platten, herrschaftslegitimierenden Parolen als anregender, intellektueller Beitrag verkauft werden.
Dies ist leider nur allzu einfach, wie sich unlängst in einer Diskussion über Sexismus in der Kunst herausstellte. Frauen, die ein sexistisches Werbepickerl einer Gruppe kritisiert hatten, wurden mit folgenden Statements (und ähnlichen) eingedeckt: "Glaubt ihr wirklich, daß eure Meinung zu Sexismus allgemein gültig ist?" "Ist eurer Feminismus der einzig wahre oder könnt ihr akzeptieren, daß andere Frauen andere Methoden bevorzugen - z.B. Übernahme von Verantwortung in männlich dominierten Bereichen?" "Glaubt ihr, solidarisch gegenüber den Frauen aus der betroffenen Gruppe zu sein?"
Die Kritik an anti-feministischen Thesen und Aktionen soll keineswegs dazu dienen, feministische Theorie und Praxis gegen Kritik zu immunisieren. Ausgegrenzte und unterdrückte Menschen oder Gruppen entwickeln teilweise Erklärungsansätze und Verarbeitungsformen, die wenig emanzipatorisches an sich haben. Im PC-Diskurs werden allerdings die Verhältnisse, die ihm zugrundeliegen, zum Verschwinden gebracht. Außerdem werden einzelne Fälle zu einem generellen Trend (PC-"Bewegung") aufgebauscht und mit völlig anderen Befreiungsanstrengungen vermischt. Auch zielen die PC-kritischen Fragestellungen nicht darauf ab, zu einer präziseren Analyse und radikaleren Kritik des bestehenden zu kommen, sondern haben eher die Tendenz, die herrschenden Verhältnisse zu legitimieren und zu verharmlosen.
Bei den Ausprägungen, die der Begriff "Tabubruch" im PC-Diskurs angenommen hat, ist das Bestehen auf feministischen Positionen momentan wohl Gebot der Stunde - auch wenn dies gerne als Dogmatismus diffamiert wird. Dennoch ist es natürlich notwendig, bestimmte Schwächen feministischer Theorie und Praxis aufzuarbeiten - insbesondere an Punkten wie z.B. Gleichstellungspolitik, wo sie sich in unvermeidlichen Paradoxien verstrickt, mit denen bewußter umzugehen wäre. Generell läßt sich sagen, daß die Konstrukte, die zur Unterwerfung von Frauen führen, in Bezug gesetzt werden müssen zu grundlegenden Strukturen der Gesellschaft wie Lohnarbeit, Marktmechanismen, Familie, Nation und Staat. Ein Projekt der Befreiung kann daher nicht nur ein Projekt für Frauen sein, sondern radikaler Feminismus muß in Analyse und Praxis eine herrschaftsfreie Gesellschaft anstreben. Welche feministische Analyse hierfür am brauchbarsten wäre und welche praktischen Ansätze dafür am erfolgversprechensten sind, darüber ließe sich sicher trefflich streiten. Wichtig ist jedoch, auf jeden Fall Tendenzen, die einer positiven Bestimmung von Feminismus entgegenstehen und diese erschweren, also keine positiven Anknüpfungspunkte bieten, als klar anti-emanzipatorisch zu entlarven.
aus: TATblatt Nr. +83 (,16/97) vom 25. September 1997
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