Wie im letzten TATblatt kurz berichtet, hat der Sektionschef im Innenministerium, Manfred Matzka, am 29. Februar 1996 (nicht am 22.6.1996 wie im letzten TATblatt zu lesen war) eine Dienstanweisung erlassen, die seine BeamtInnen zur rascheren Erledigung von Beschwerden gegen Bescheide in aufenthaltsrechtlichen Verfahren anspornt, und zur Belohnung ab 20 "erledigten" Bescheiden Überstundenzahlungen verspricht.
TATblatt
Innenminister Schlögl und Manfred Matzka haben in ersten Reaktionen von einer kurzfristigen Maßnahme gesprochen, die aufgrund einer sehr hohen Zahl von Beschwerden in diesem Zeitraum notwendig gewesen wäre. (Die Beschwerden müssen innerhalb eines halben Jahres bearbeitet werden.) Welchen Stellenwert für Matzka aufenthaltsrechtliche Verfahren haben, wird deutlich, wenn er die Kritik am Verwenden von Textbausteinen für die Ausfertigung der Bescheide unter anderem damit rechtfertigt, daß bei FalschparkerInnen diese ebenso verwendet würden. Daß das Schicksal der Menschen, über deren Zukunft mit diesen Bescheiden entschieden wird, Leute wie Matzka nicht mehr interessiert als eine Geldstrafe fürs Falschparken, war fast zu erwarten. Doch es zeigt sich auch wieder einmal, daß rechtsstaatliche Grundsätze keinen Groschen wert sind, wenn sie bestimmten Leuten nicht in den Kram passen. Das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz schreibt nämlich vor, den Einzelfall zu prüfen, Akteneinsicht zu gewähren und das Recht auf Stellungnahme einzuräumen. Laut LIF kam es bei den 45.000 Bescheiderhebungen seit Juli 1993 zu weniger als 300 Einvernahmen. Die BeamtInnen des zuständigen Ressorts sahen sich offensichtlich aufgrund der Vorgaben Matzkas nicht mehr in der Lage diese Gesetze zu erfüllen, und spielten dem LIF einige seiner Dienstanweisungen zu, um auf den Mißstand aufmerksam zu machen. Die Anweisung vom 29. Februar 1996 ist nur eine von vielen, die Druck auf die BeamtInnen ausübt, die Beschwerden sehr rasch zu erledigen. Weitere Dienstanweisungen und Memos:
1. Juli 1994: "Von jedem Referenten sind mindestens 25 Berufungsentscheidungen pro Woche zu treffen."
4. August 1994: "Ich mache darauf aufmerksam, daß ich das ernst nehme und mich bei Beurteilungen an diesen Maßstab halten werde."
24. April 1995: "Aufgrund des Absinkens der Erledigungszahlen wird verfügt, daß von jedem Referenten pro Tag zehn Berufungen zu erledigen sind." Die ReferentInnen hätten also nicht einmal eine Stunde Zeit, um einen Einzelfall zu prüfen, Akteneinsicht zu gewähren und das Recht auf Stellungnahme einzuräumen.
Damit es bei einer Überprüfung zu keinen Problemen mit den nicht geleisteten, aber bezahlten Überstunden kommt, hat Matzka ein weiteres Memo verschickt: "Um eventuellen Prüfungen des Rechnungshofes standhalten zu können, sind in den Überstundenformularen unbedingt die genauen Zeiten anzugeben. Um genügend Spielraum zu haben, wäre die Zeit von 7 bis 21 Uhr sinnvoll." (Februar 1995). An der Akkordabfertigung der Beschwerden haben aber nicht nur die ReferentInnen, sondern auch die ReferatsleiterInnen verdient. JeneR ReferatsleiterIn, dessen/deren MitarbeiterInnen pro Kopf die meisten Berufungen erledigten, bekam - ohne auch nur eine einzige Überstunde geleistet zu haben - 25 Überstunden bezahlt, der/die LeiterIn des zweitschnellsten Referats 23 Überstunden und so weiter. So konnten die ReferatsleiterInnen ohne Mehraufwand an Zeit bis zu ATS 4000.- pro Monat mehr verdienen. Laut Volker Kier vom LIF widerspricht diese Vorgangsweise eindeutig dem Besoldungsrecht der BeamtInnen.
Wie gut die "Qualitätskontrolle" funktioniert, die es laut Matzka angeblich gibt, zeigen Zahlen des Verwaltungsgerichtshofes, der sich mit den Beschwerden über die Bescheide des Innenministeriums zu beschäftigen hat. 1996 wurden 51% aller Bescheide (446 von 872) des Innenministeriums, die aufenthaltsrechtliche Verfahren betreffen, aufgehoben. In keinem anderen Bereich sind die Prozentsätze auch nur annähernd so hoch. Insgesamt sind 1996 5.446 Beschwerden beim VwGH in Sachen Aufenthalts- und Fremdenrecht eingelangt. Insgesamt liegen mehr als 10.000 Beschwerden gegen Aufenthaltsbescheide beim Verwaltungsgerichtshof.
Mit der Reform der AusländerInnengesetze, die Anfang 1998 in Kraft tritt, werden alle beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen aufenthaltsrechtlichen Verfahren jedoch eingestellt und an die erste Instanz zurückverwiesen. Diese Maßnahme hat für den Staat den Vorteil, daß er sich den Kostenersatz, zu dem er verpflichtet ist, falls die BeschwerdeführerInnen Recht bekommen (und das passiert - siehe oben - in mehr als 50% der Fälle), erspart. Rechnet mensch den üblichen Kostenersatz (ca. 6-7000 Schilling laut Kier vom LIF) auf die anhängigen Verfahren hoch und geht von der 50% Aufhebungsquote aus, erspart sich der Staat also nun mindestens 30 Millionen Schilling. Die betroffenen AusländerInnen müssen nun, unabhängig davon, wie über ihre Beschwerde entschieden worden wäre, die Kosten selber tragen.
Fußnote
1) Matzkaspruch aus früheren Zeiten "als
er noch als Marxist aufgetreten ist": "Die Fremdenpolizei ist
der Feind der Arbeiterklasse." (Quelle: Max Koch, Leiter des Integrationsfonds)
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aus: TATblatt Nr. +84 (,17/97) vom 9. Oktober 1997
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