Unser Heer gibt sich wieder einmal die Ehre und lädt österreichweit in eine "Erlebniswelt Bundesheer" am 26. Oktober ein. Neben Angelobungsfeiern und Vorführungen verschiedener Einheiten können Panzer bestiegen und Rundflüge gewonnen werden - kurz: es locken Kriegsspiel und Spaß für jung und alt in allen Bundesländern.
KriegsspielverderberInnen sammeln sich in Wien um 13.30 am Maria-Theresien-Platz zwischen den beiden Museen zu einer Kundgebung. Anschließende dezentrale Aktionen sind nicht ausgeschlossen.
TATblatt
"Wie in den Jahren zuvor, werden Soldaten des Bundesheeres -diesmal in allen Bundesländern - die österreichische Bevölkerung über ihr Können und ihre Leistungsfähigkeit informieren", verkündet das Verteidigungsministerium und verspricht neben "Großangelobungen" "interessante, dynamische Vorführungen" mit "Teilnahmemöglichkeit für die Zuseher". Welche sich interessante, dynamische Menschenjagden auf Nicht-ÖsterreicherInnen nach Vorbild des prakizierten Schutzes der süd- und östlichen Schengengrenzen erwarten, werden aber möglicherweise enttäuscht. Stattdessen müssen sie mit Fallschirmspringen, Minensuchen und ABC-Abwehr sowie Gustostückerln aus der Gulaschkanone vorlieb nehmen. In Wien wird zudem ganz dynamisch die wenngleich arbeitsteilige, so doch gute Zusammenarbeit im Einsatz nach innen durch eine Vorführung der Wiener Polizei demonstriert. Was damit genau gemeint ist, ist unklar. Es dürfte sich jedoch um mehr als den routinemäßigen Einsatz gegen antimitaristische StörenfriedInnen handeln.
Eigentlich soll die antimilitaristische Gegenkundgebung ohnehin ohne Konfrontation mit bewaffneten Einheiten ablaufen. Die Kundgebung wurde bereits vor Wochen ordnungsgemäß angezeigt und bislang nicht untersagt.
Sie findet von 13.30 an am Maria-Theresien-Platz, zwischen Natur- und Kunsthistorischem Museum, also in unmittelbarer Nähe zur Erlebniswelt des Bundesheeres am Heldenplatz, beinahe auf der anderen Straßenseite, statt - mit Musik, Lesungen, Aktionen wie der feierlichen Enthüllung eines Deserteursdenkmals u.v.a.m.
Welche sich - mit welcher Intention auch immer - auf die andere Straßenseite begeben möchten, können dies, unter Maßgabe der Straßenverkehrsordnung und allfälliger Beschränkungen durch militärische Wachkörper aller Art, jederzeit tun - allerdings in eigener Verantwortung.
Der Aufruf zur Kundgebung wird von einem breiten Spektrum lieber und netter Organisationen unterstützt, die sich in ungewohnter Kooperationsfreudigkeit ohne größere Auseinandersetzungen sogar auf einen gemeinsamen Aufruftext einigen konnten. Hauptsache war, dass dem Militärspektakel was entgegengesetzt werde.
Begegnungen mit den Erlebniswelten des Bundesheeres sind von 10 bis mindestens 16 Uhr in allen Bundesländern möglich:
Am Beginn der Veranstaltungen stehen allerorts Großangelobungen, über deren Sinn sich der Militärkommandant von Wien, Divisionär Karl Semlitsch emphatisch ausläßt:
"Der Sinn der Angelobung ist das öffentliche Bekenntnis zu einem höheren Wert, den es zu verteidigen gilt". Auch wenn dieser Wert, wie Semlitsch nicht verborgen blieb, gelegentlichen Veränderungen unterworfen ist. "Die Gelöbnisformel hat sich von 'Gott, Kaiser und Vaterland' zu 'mein Vaterland, die Republik Österreich' gewandelt", weiss er zu berichten, wenngleich er da ein paar Gelöbnisformerln auszulassen geneigt war. Wie auch immer: "Für alle hörbar wird das Gelöbnis 'Ich gelobe' gesprochen und für alle sichtbar wird ein Zeichen der Demut vor höheren Werten gezeigt: war es früher das Niederknien oder das Heben der Hand zum Schwur, ist es heute das 'Helm ab', das Abnehmen der Kopfbedeckung", undsoweiterundsofort. Jedenfalls seien wir alle -"an der Spitze natürlich der Bundespräsident, herzlich willkommen!"
aus: TATblatt Nr. +85 (,18/97) vom 23. Oktober 1997
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