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Rassismus

ÖVP fordert StaatsbürgerInnenschaftsgesetz

Nach ziemlich genau einjähriger Pause unternimmt die ÖVP erneut den Versuch mittels Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes Einbürgerungswillige zur Assimilation zu zwingen und die Einbürgerungsbestimmungen weiter zu verschärfen.
 
 

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Letzes Jahr wurde der Kholsche Forderungskatalog bezüglich Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes zwar kontrovers diskutiert, doch mehrheitlich als Auswuchs des Wahlkampfes interpretiert. Der jetzige Vorstoß zeigt, daß es der ÖVP ernst ist, was nicht wirklich überraschen sollte, sieht mensch sich die Politik diverser ÖVP-Landeshauptleute an. Unübertroffen bleibt dabei die ÖVP-Oberösterreich, die angehenden StaatsbürgerInnen eine 23-seitige Broschüre mit der nachdrücklichen Empfehlung sich mit dieser "ernsthaft und eingehend" zu befassen, in die Hand drückt. Mögliche Fragen aus der Broschüre betreffen die Bundes- und Landeshymne, Grundzüge des Erbrechts und die Funktion des Grundbuches, obskure historische Thesen, die Zahl der Blasmusikkapellen oder der Name des Vertreters Oberösterreichs in der EU. Landeshauptmannstellvertreter Christoph Leitl (ÖVP) stellte anläßlich der Kritik an der Broschüre letztes Jahr lapidar fest: "Das ist wie bei der Führerscheinprüfung. Da müssen Sie auch vieles lernen, das Sie nie mehr brauchen..."

Der neue Forderungskatalog, den ÖVP-Klubchef Andreas Khol als Grundlage für weitere Verhandlungen mit dem Koalitionspartner vorgelegt hat, knüpft an die Verleihung der StaatsbürgerInnenschaft folgende Bedingungen:
 

  • Grundkenntnisse der deutschen Sprache,
  • Kenntnis der Grundzüge des österreichischen politischen Systems,
  • der Grundzüge der österreichischen Geschichte,
  • der Bürgerrechte und Bürgerpflichten sowie
  • über Behörden und ihrer Zuständigkeiten.
  • Der Nachweis dieser Kenntnisse soll durch die Besuchsbestätigung eines selbst zu bezahlenden, sechsmonatigen Kurses oder durch Ablegung eines Multiple-Choice-Testes erfolgen.

    Was die Details anbelangt, hält die ÖVP noch immer an ihrem im Oktober letzten Jahres im Nationalrat eingebrachten Antrag fest. Dieser sieht folgende Änderungen bzw. Ergänzungen des bestehenden Staatsbürgerschaftsgesetzes vor:
     

  • Der Staatsbürgerschaftsversagungsgrund des Aufenthaltsverbotes wird um den neuen Tatbestand ergänzt, wonach auch dann ein Staatsbürgerschaftsversagungsgrund vorliegt, wenn einE StaatsbürgerschaftswerberIn sich unrechtmäßig im Gebiet der Republik aufhält.

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  • In Hinkunft ist für die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft auch erforderlich, daß der Unterhalt für die Personen gesichert ist, für die der/die StaatsbürgerschaftswerberIn zu sorgen hat.

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  • Die Erstreckung der Staatsbürgerschaft auf EhepartnerInnen wird nunmehr als "Kann-Bestimmung" formuliert. Dasselbe gilt für eheliche und uneheliche Kinder, sowie Wahlkinder.

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  • EhepartnerInnen sollen nur dann ebenfalls die österreichische Staatsbürgerschaft erwerben können, wenn sie auch einen Mindestwohnsitz von vier bzw. drei Jahren in Österreich aufweisen können.

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  • Für die Ermessensentscheidung für die Verleihung der StaatsbürgerInnenschaft an eineN EhepartnerIn sollen ebenfalls grundlegende Sprachkenntnisse sowie die Integrationsfähigkeit und -willigkeit miteinbezogen werden.

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  • Zeiten in denen sich der/die StaatsbürgerschaftswerberIn nicht rechtmäßig im Gebiet der Republik aufgehalten hat, sind nicht in den Lauf der Wohnsitzfristen einzurechnen.

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  • Weiters sollen die Behörden bei der Verleihung der StaatsbürgerInnenschaft berücksichtigen, ob
  • Schon das jetzige StaatsbürgerInnenschaftsgesetz ist eines der restriktivsten in Europa. Die normale Verleihungsfrist liegt bei zehn Jahren, in der Mehrheit der EU-Staaten liegt sie bei fünf Jahren. Die Kosten liegen mit ATS 7000 - 8500 ebenfalls im absoluten Spitzenfeld. In Griechenland, Italien, Portugal und Spanien ist die StaatsbürgerInnenschaft z. B. gratis. Der Hinweis der ÖVP, daß in vielen Ländern Sprachkenntnisse gefordert werden, ist zwar richtig, dabei darf jedoch nicht vergessen werden, daß diese Länder die StaatsbürgerInnenschaft viel früher verleihen als Österreich. Nach 15 Jahren (ÖVP-Forderung) kann mensch wohl davon ausgehen, daß der/die AntragstellerIn sich in Österreich verständlich machen kann. Wie das deutsche beruht das österreichische StaatsbürgerInnenschaftsgesetz auf dem Abstammungsprinzip (ius sanguinis), das heißt entscheidend dafür, ob eine Person österreichischeR StaatsbürgerIn ist oder werden kann ist nicht, wie in vielen anderen Ländern, der Ort der Geburt, sondern unabhängig vom Ort der Geburt die StaatsbürgerInnenschaft der Eltern. In Österreich geborene Kinder von Eltern ohne österreichischen Paß haben also nicht nur nicht die Möglichkeit, sofort die österreichische StaatsbürgerInnenschaft zu erhalten, sondern haben auch mit Erreichen der Volljährigkeit kein Optionsrecht darauf, wie z.B. (jetzt wieder) in Frankreich, Belgien und den Niederlanden. Von der Möglichkeit der DoppelstaatsbürgerInnenschaft ist sowieso keine Rede. Im Ausland lebende Menschen mit österreichischem Paß haben im Gegensatz zu im Inland lebenden Menschen ohne österreichischen Paß in Österreich ein Wahlrecht, unabhängig davon ob sie von den Auswirkungen der österreichischen Politik auch nur im geringsten betroffen sind.

    StaatsbürgerInnenschaft funktionierte immer schon als ein Ausschlußverfahren, da ihr Besitz den BesitzerInnen theoretisch ein bestimmtes Maß an Rechten und eine Kontrollfunktion verspricht und sie damit in gewisser Weise zu Gleichberechtigten macht. So gab es immer Gruppen, die unter diesen "Gleichberechtigten" unerwünscht waren. Meist waren es Frauen und Sklaven (später Lohnabhängige, Dienstboten etc.)

    Die ÖVP tut mit ihrer Forderung nach Eingliederung in die Lebensverhältnisse des Landes, Einführung in die österreichische Kultur etc. so als wären die "Fremden" von sich aus so furchtbar anders und als müßten sie die "Fremdheit", die als "AusländerInnen" angeblich an ihnen haftet, erst abstreifen, damit sie in den Genuß der Gleichbehandlung mit ÖsterreicherInnen kommen dürfen. Etienne Balibar schreibt über diese Argumentationslinie: "Die Realität ist hier genau die Umkehrung der offiziellen Rechtfertigung: nicht weil diese Bevölkerungen irreduzibel anders sind, müssen sie vom Staat anders behandelt werden, sondern weil der Staat sie im Gegenteil rechtlich und faktisch anders behandelt, verdunkeln ihre kulturellen, beruflichen und ethnischen Unterschiede (die oft nicht bedeutender als andere innerhalb der `nationalen Gemeinschaft sind)(...)." Würden Unterschiede zwischen Individuen - egal ob In- oder AusländerIn - einfach als solche akzeptiert, anstatt ständig eine "österreichische Kultur", Moralvorstellungen und ähnliches zu fixieren und definieren, wäre eine Integration gar nicht erst notwendig.

    Bei der Forderung nach einer freizügigen Vergabe der StaatsbürgerInnenschaft darf mensch natürlich nicht vergessen, daß die StaatsbürgerInnenschaft zwar die Lebenssituation der Menschen stabilisiert, weil z.B. ihre rechtliche Stellung weitaus besser ist, aber nichts daran ändert, daß die meisten NeoösterreicherInnen trotzdem in miesen Jobs ausgebeutet werden und es in einer Klassengesellschaft immer welche geben wird, die gleicher sind.
     


    aus: TATblatt Nr. +88 (21/97) vom 12. Dezember 1997
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