TATblatt
Im steirischen Landtag stimmten kurz vor Weihnachten 41 Abgeordnete
von SPÖ, ÖVP und LIF gegen die gesammelte Riege aus Grünen
und F für den Verkauf von 25% der Estag an die EdF. Vor der Abstimmung
brachten Grüne und F gemeinsam (!) eine sogenannte Dringliche Anfrage
im Landtag ein; Hauptargument war, daß "Österreich seine Glaubwürdigkeit
als atomenergiefreier Staat verlieren" würde, außerdem wurde
wieder einmal das Argument des Ausverkaufs ans Ausland bemüht.
Der steirische Landtag entschied, 25% der Anteile an die bestbietende EdF um 5,6 Mrd. Schilling zu verkaufen. Damit unterlagen sowohl ein gemischt in- und ausländisches Konsortium unter Beteiligung der deutschen RWE, als auch "die österreichische Lösung" in Form einer Gemeinschaft von Verbundgesellschaft, der niederösterreichischen EVN und der Wienstrom.
Erstaunliche Worte der Kritik waren von Schüssel zu vernehmen: "Es ist ein Problem, daß die Eigentümer auf der Landesebene nicht ihre Eigentümerrechte wahrnehmen. Es ist mehrfach erkennbar gewesen, daß hingegen die Manager immer ihre eigenen Interessen in den Vordergrund rücken konnten. Es ist erstaunlich, daß hier die gesellschaftspolitischen Eigentümerinteressen zu kurz kommen". Mit einem Wort, Schüssel war baff, daß trotz der Beteiligung der tiefschwarzen EVN nicht die parteipolitische Schiene gewählt wurde, sondern das nach EU-Recht eindeutig vorgeschriebene Bestbieterprinzip zum Tragen kam. Ansonsten scheint ihn die gängige Politik ja nicht sehr zu stören.
Die Debatte selbst wurde auf reichlich niedrigem Niveau geführt. Dem Vorwurf des Atomstromimports entgegneten die steirischen Landesparteien der ÖVP und SPÖ gleichlautend damit, daß der Verkauf an die EdF mit Sicherheit nicht dazu führen werde, daß Atomstrom aus Frankreich importiert würde.
Die erste konkrete Reaktion nach der steirischen Entscheidung war ebenfalls nationalchauvinistisch geprägt: der Chef der oberösterreichischen SPÖ, Hochmair, kündigte einen Antrag im oberösterreichischen Landtag an, einen Kauf von Anteilen der Landeselektrizitätsgesellschaft OKA durch die Estag zu verhindern.
Nun ist es wahrlich nichts neues, daß in Österreich reichlich Atomstrom fließt, hauptsächlich aus Deutschland, aber auch aus der Schweiz, Ungarn und anderen Ländern, und das seit Jahrzehnten. Und von einer "österreichischen Lösung" ist auch erst seit kurzem die Rede, wo doch die Tiroler E-Wirtschaft schon seit den 40er Jahren zu zwei Dritteln für und mit der deutschen Stromwirtschaft arbeitet.
Doch abgesehen von den alten Geschichten, stoßen einige neuere Entwicklungen sauer auf. Zum einen hat die EdF schon vor zwei Jahren der Stadt Graz angeboten, mit Beginn der Stromnetzliberalisierung 1999 kostengünstigeren Strom als die bisherigen Anbieter zu liefern; weitere potentielle Abnehmer sind das AKH und die Opel-Fabrik in Wien. Gerade die Proponenten der "österreichischen Lösung", nämlich die Verbundgesellschaft und die Wienstrom, haben sich schon längst auf dieses eingestellt. Die Verbundgesellschaft baut munter an der 380 kV-Leitung in Niederösterreich (unbehelligt vom Land NÖ, das keine Einsprüche im Genehmigungsverfahren erhob hat) und im Burgenland. Die Wienstrom plant den baldigen Bau von Anschlüssen an das 380 kV-Verbundnetz in Floridsdorf. Selbstredend sind diese Leitungen dazu da, europaweiten Stromaustausch und Verkauf zu garantieren, damit etwa die EdF nach Wien oder Graz liefern kann.
Diesem nationalen Konsens ordnen die Grünen alle anderen Aspekte unter. Schon mehrfach haben wir darauf hingewiesen, daß die Grünen in Niederösterreich, Wien und auf Bundesebene seit dem Baubeginn der 380 kV-Leitung keine Stellungnahme mehr dagegen abgegeben haben. Offensichtlich dürfte eine solche "die österreichische Lösung" gefährden. Gegen den Wind spucken auch hier nur die SteirerInnen, wo die steirischen Grünen auf Gemeindeebene versucht, den Widerstand gegen die oststeirische 380 kV-Leitung zu bündeln, um diese selbst und nachfolgende Stromimporte von Großanbietern wie die EdF (aber nicht nur diese) zu verhindern.
Daß der nationalchauvinistische Konsens politisch opportun ist,
dafür sorgen die Medien. Die nationale Kampagne gegen die EdF - wie
schon zuvor die Kampagne von Global 2000 gegen die Slowakei - machten die
Medien in der Woche vor Weihnachten laut der Forschungsgesellschaft Mediawatch
zum Spitzenthema. War der EdF-Deal thematisch am wichtigsten, so erhielten
in dieser Woche die Abgeordnete Langthaler und der steirische Finanzlandesrat
Ressel im Fernsehen die größte Präsenz von allen PolitikerInnen.
Auch in anderen Medien wie dem Standard punktete Langthaler mit Hilfe ihres
persönlichen Mitarbeiters Hornbacher (ehemals Greenpeace) enorm, immer
gegen die EdF, stets ohne Kritik an der Verbundgesellschaft.
aus: TATblatt Nr. +89 (1a/98) vom 15. Jänner 1998
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