Wie in TATblatt +82 berichtet, wurde am 26. August letzten Jahres, der
laut ZeugInnenaussagen am Boden liegende rumänische Migrant A. von
einem Grenzgendarmen niedergeschossen. Der Grenzgendarm P. hatte nach Angaben
des Leiters des Landesgendarmeriekommandos gezielt und gewollt auf den
"Hauptangreifer" geschossen, weil er sich bedroht gefühlt hatte. Das
Verfahren gegen P. wurde inzwischen eingestellt, weil er angeblich aus
Notwehr gehandelt hat, obwohl er jetzt nicht mehr sagen konnte, ob es sich
bei A. um einen der vermeintlichen Angreifer gehandelt hat? Daß auch
P.s Kollegen keine klare Schilderung der Vorfälle liefern konnten
und sich durch ihre Aussagen in Widersprüche verwickelten, änderte
nichts daran, daß A. wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt in
Verbindung mit schwerer Nötigung zu einer neunmonatigen Haftstrafe
verurteilt wurde. A. hat die Strafe bereits in der U-Haft abgesessen und
wurde deswegen gleich in Schubhaft genommen. (Kurier, Standard)
Einem Bericht der Zeitschrift des Innenministeriums "Öffentliche Sicherheit" ist zu entnehmen, daß in den letzten fünf Jahren mindestens 23 Menschen beim Versuch illegal nach Österreich einzureisen gestorben sind. 1993 wurden fünf Singhalesen tot auf einem Autorastparkplatz in der Nähe von Leobersdorf in Niederösterreich gefunden, die nach Italien reisen wollten und im Gepäckraum eines Autobusses erstickt waren.
In einem bulgarischen LKW starben 18 Tamilen in der Nähe der österreichischen Grenze zwischen Hegyeshalom und Györ. Im März 1997 entgingen sieben Kurden, die ebenfalls versuchten im Laderaum eines Lkws nach Österreich zu kommen, nur knapp dem Tod. Einer der Kurden war bereits bewußtlos. Fast erfroren wären vier Chinesen, die am 15. Dezember 1997 versuchten an der tschechisch-österreichischen den Grenzfluß zu durchschwimmen.
Schuld daran sind natürlich die kommerziellen FluchthelferInnen,
die neuen Superbösen, und nicht etwa die Politik der Schengenmitgliedsländer.
In der aktuellen Ausgabe der "Öffentlichen Sicherheit" ist ihnen ein
vierseitiger Artikel gewidmet. Oberste Bekämpferin des "Schlepperunwesens"
ist die Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus (EBT), die vor
kurzem ihre zehnjähriges Bestehen feierte. Damit es nicht zu blöd
ausschaut, daß die EBT gegen die FluchthelferInnen vorgeht, müssen
die "Schlepperbanden" als furchtbare Bedrohung dargestellt werden. Dabei
hilft der Standard gerne mit und veröffentlicht eine eigene Serie,
die hauptsächlich von Informationen der EBT lebt. Aus dem Vorspann:
"Die großen Schlepperbanden sind nach Geheimdienstvorbild abgeschottet,
hierarchisch und arbeitsteilig organisiert und nutzen die Synergieeffekte
mit anderen Gruppen...". (Öffentliche Sicherheit, Standard).
In dem oben erwähnten Artikel in der "Öffentlichen Sicherheit" erfahren wir auch, daß einE TaxifahrerIn, der/die wissentlich einen illegal eingereisten Menschen, von z.B. einem Parkplatz in Grenznähe abholt und ihn oder sie gegen den üblichen Fuhrlohn(!) zum nächsten Hotel bringt, sich der "Schlepperei" schuldig macht. Die Definition der "Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Ausreise eines Fremden" wurde im Gesetz laut "Öffentliche Sicherheit" absichtlich sehr weit gefaßt, "damit auch Unterstützungshandlungen verfolgt werden können." "Schlepperei" wird als Verwaltungsübertretung mit bis zu ATS 50.000 bestraft. Im Wiederholungsfall oder bei Fluchthilfe für mehr als fünf Menschen wird aus der Verwaltungsübertretung eine gerichtlich strafbare Handlung mit einem Strafrahmen bis zu drei Jahren.
In Deutschland gibt es eine wahre Prozeßflut gegen TaxifahrerInnen,
die illegal Eingereiste befördern. Dabei ist es unerheblich, ob sie
darüber bescheid wissen, ob ihre Fahrgäste illegal eingereist
sind, oder nicht. Bisheriger Höhepunkt ist die Verurteilung eines
Taxifahrers zu zwei Jahren und zwei Monaten Haft am 1. Dezember. Im Landkreis
Löbau-Zwittau wird gegen 22 von 73 TaxifahrerInnen ermittelt. In Deutschland
haben sich die TaxifahrerInnen inzwischen organisiert, um gegen die Prozesse
zu protestieren. In einer Erklärung heißt es: "Die Beförderungspflicht
....gilt für alle Menschen. Gegen geltende Gesetze verstößt
nicht, wer alle Menschen befördert, sondern wer dazu aufruft, eine
bestimmte Gruppe von Menschen von der Beförderung auszuschließen.
(...) Wir werden auch in Zukunft Menschen ` ausländischen Aussehens,
mit schlechten Deutschkenntnissen, viel Gepäck und nasser Kleidung
zu den geltenden Beförderungsbedingungen zu ihrem Fahrziel bringen".
Bei einem Prozeß Mitte Dezember hielten TaxifahrerInnen eine Kundgebung
ab. (Öffentliche Sicherheit, Jungle World)
Mensch sollte es nicht glauben, aber es gibt doch tatsächlich Länder, die (kommerzielle) Fluchthilfe nicht bestrafen. Solche rechtsstaatlichen Skandale müssen natürlich bekämpft werden und wer ist dazu besser geeignet als - richtig - Österreich. Zu diesem Zweck hat Außenminister Schüssel mutig bei der letztjährigen UN-Generalversammlung einen Antrag eingebracht, der im Frühjahr bei der in Wien tagenden UN-Verbrechensverhütungskommission behandelt werden soll. Der Antrag enthält u.a. folgende Forderungen: "Schlepperei" soll als internationales Verbrechen definiert und qualifiziert werden und als völkerrechtlicher Straftatbestand etabliert werden. Die Vertragsstaaten sollen verpflichtet werden, Fluchthilfe innerstaatlich unter Strafandrohung zu stellen.
"Angesichts der Dringlichkeit und der Dimensionen des Problems ist damit
zu rechnen, daß die Bemühungen zur Bekämpfung des Schlepperwesens
an der Notwendigkeit internationaler Rechtsinstrumente nicht vorbeigehen
werden. Somit dürfte die österreichische Initiative als bisher
konkretester Vorschlag im weiteren Verhandlungsprozeß gute Chancen
haben", verkündet der Leiter des Völkerrechtsbüros im Außenministerium,
Franz Cede, stolz in einem Gastkommentar in der Presse.
Nachdem jahrelang vermieden wurde, den in Österreich lebenden BosnierInnen
eine langfristige Perspektive anzubieten und sie in rechtlicher Unsicherheit
gehalten wurden, hat sich die österreichische Regierung nun doch endlich
entschlossen, den noch nicht zurückgekehrten und noch in Lagern lebenden
5743 BosnierInnen einen Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen.
Sie müssen nun nicht mehr mit der ständigen Angst leben, jederzeit
deportiert werden zu können. (Kurier)
Sprachschulen bieten österreichischen Betrieben, die an SaisonarbeiterInnen
interessiert sind, ihre SchülerInnen für einen Hungerlohn von
(mindestens) ATS 4500.- als Arbeitskräfte, die Sprachschulen sprechen
von PraktikantInnen, an. Mit europaweiten Kontakten zu "Ausbildungszentren
aller Art" können sie "allen Bereichen der Wirtschaft" ihre SprachschülerInnen
für zwei bis neun Monate zur Verfügung stellen. Der durchschnittliche
Kollektivvertragslohn im Gastgewerbe, das wohl am ehesten für derartige
Angebote Interesse haben dürfte, beträgt elf- bis zwölftausend
Schilling. FerialpraktikantInnen (im vierten Ausbildungsjahr) erhalten
rund ATS 7600 im Monat.
Der Verfassungsgerichtshof stellte letztes Jahr fest, daß ausländische
EhepartnerInnen von ÖsterreicherInnen nicht gegenüber solchen
von anderen in Österreich lebenden EU-BürgerInnen benachteiligt
werden dürfen. Mit dem neuen Fremdengesetz wurde diese Ungleichheit
nun weitgehend beseitigt, was wiederum dazu geführt hat, daß
im Innenministerium eine "Scheinehenwelle" befürchtet wird. Deswegen
wurde ein sogenannter "Scheinehenpakt" beschlossen. Die Behörden sollen
die Möglichkeit erhalten, Personen, die sich zur Erlangung eines Aufenthaltes
zu Unrecht auf ein Eheleben berufen, zu deportieren bzw. mit einem Aufenthaltsverbot
zu belegen. Weiters ist die Einführung des Straftatbestands der "gewerbsmäßigen
Vermittlung von Scheinehen" vorgesehen. (Presse, "Öffentliche Sicherheit")
Laut Gunther Wolfram(FPÖ), dem stellvertretenden Bezirksvorsteher von Ottakring, sind die AusländerInnen am Verlust des Einkaufswerts der Thaliastraße schuld, weil sie durch ihre schwache Kaufkraft die Geschäftsstruktur verändern.
Laut Peter Weinmeister, wahlkämpfender FPÖ-BürgerInnenmeisterkandidat in Graz, sind die AusländerInnen daran schuld, daß ÖsterreicherInnen bei Arztbesuchen ungerechtfertigt lange warten müssen. Bei einer Diskussion der Spitzenkandidaten konnte er folgenden Skandal vermelden: "Mir sind Fälle bekannt, wo sich Ausländer in Ordinationen vorgedrängt haben..." Außerdem sind die AusländerInnen, vor allem die afrikanischen, daran schuld, daß sich alte Leute nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr in Parks trauen, und daß ÖsterreicherInnen an Drogen sterben. 300-350 der in Graz lebenden SchwarzafrikanerInnen gehören der Drogenszene an und sind deswegen "Mörder auf Raten".
Einen Klassiker hatte Thomas Chorherr am 17.1. in seiner wöchentlichen Presse-Kolumne "Was ich davon halte" zu bieten. Für die, wie er selbst schreibt, "antisemitischen Äußerungen" die im Umfeld der Diskussion um die Schiele-Bilder gefallen sind, hat er eine einfache Erklärung. "Warum man sich scheut, anzuprangern, daß das zumindest in einem Fall jetzt offenbar falsche Vorgehen der New Yorker Staatsanwaltschaft den zweifellos da und dort (aber nicht nur in Österreich) vorhandenen Antisemitismus hervorkitzeln kann, ist mir schleierhaft." Die Kronen-Zeitung war von dieser Argumentation so begeistert, daß sie einen Ausschnitt der Kolumne gleich am nächsten Tag auf Seite drei nachdruckte.
Weil wir gerade bei Herrn Chorherr sind: noch ein Zitat aus einer seiner
unglaublichen Kolumnen. Diesmal geht es um Franz Fuchs: "Daß er von
rechtsradikalem Gedankengut infiziert und unter Umständen sogar mit
einschlägigen Gruppen in Verbindung gewesen sei, ist füglich
aus gutem Grund bezweifelt worden." Franz Fuchs und rechtsradikal? Sowas
kann auch nur den bösen P.C.-TerroristInnen einfallen. (Salzburger
Nachrichten, Presse, Kronen Zeitung)
Die ersten Folgen des "Polizeigipfels" nach der "Kurdeninvasion" in Italien können bereits in den Tageszeitungen nachgelesen werden. Die italienische Marine zwingt Boote aus Albanien jetzt bereits unmittelbar vor der albanischen Küste zur Umkehr, wobei bei einem Einsatz auch geschossen worden sein soll. Illegalen EinwandererInnen werden die Fingerabdrücke abgenommen und an andere EU-Staaten weitergegeben. Die Türkei hat bei einer Großrazzia in Istanbul über tausend potentielle MigrantInnen gleich festgenommen.
Die Aktion Notruf Asyl, eine gemeinsame Aktion von ai und SOS Mitmensch, informiert in einer Aussendung über die Asylpraxis in Österreich, daß KurdInnen in Österreich keinen dauerhaften Schutz finden und die nordirakische Schutzzone als sicheres Gebiet betrachtet wird. Türkische KurdInnen werden in den meisten Fällen binnen kurzer Zeit in ihr Heimatland deportiert. Irakische KurdInnen werden zwar nicht deportiert, erhalten aber fast nie Asyl zuerkannt und auch keine Aufenthaltsgenehmigung, sondern Schubhaft.
Eine italienische Parlamentskomission diskutiert Neuerungen im Asylverfahren.
Alle Asylanträge sollen von einer Sonderkommission überprüft
werden. Während dieser Überprüfung sollen AsylwerberInnen
das Recht auf ärztliche Betreuung und Unterkunft haben. Bei einer
Annahme des Antrags können Flüchtlinge eine fünfjährige
Aufenthaltserlaubnis beantragen. Bei einer Ablehnung kann Rekurs beim Verwaltungsgericht
eingereicht werden. Reichen Flüchtlinge keinen Rekurs ein, sollen
sie innerhalb von 30 Tagen ausreisen müssen. Bei einer Flucht vor
Krieg oder Naturkatastrophen kann eine befristete Aufnahme, mit der Möglichkeit
den Flüchtlingsstatus zu beantragen, gewährt werden. (Aktion
Notruf Asyl, Presse, Standard, Kurier)
Als brave Anwärterin auf eine EU-Mitgliedschaft weiß die
polnische Regierung, was die einflußreichen EU-Staaten erwarten,
deswegen hat sie mit Beginn dieses Jahres etliche Einreisebestimmungen
radikal verschärft. Einfache Einladungen von PolInnen reichen für
WeißrussInnen und RussInnen nicht mehr aus, um nach Polen fahren
zu können. Fälschungssichere Formulare und die strenge Überprüfung
aller Angaben sind Standard. Lange Schlangen gibt es jetzt nicht mehr an
den Grenzen, sondern bei den Behörden, die Visa etc. ausstellen. Der
Reiseverkehr ist fast zum Erliegen gekommen. AusländerInnen müssen
mindestens einmal jährlich eine neue Aufenthaltsbewilligung beantragen.
Für die Abriegelung der Ostgrenze gibt es Geld von Deutschland und
der EU. (Presse)
Bisher waren Englisch- oder Französischkenntnisse nicht Voraussetzungen
um nach Kanada einwandern zu dürfen. Jetzt sollen sie es werden. ImmigrantInnengruppen
befürchten, daß Menschen aus Ländern, in denen weder Englisch
noch Französisch Landessprache sind, von der Einwanderung mehr oder
weniger ausgeschlossen sind. Die Ankündigung der neuen Bestimmung
passierte genau in der selben Woche, in der sich eine kanadische Provinzregierung
bei den UreinwohnerInnen für die zweihundertjährige Assimilationspolitik
und Unterdrückung von Sprache und Kultur entschuldigte. (Financial
Times)
aus: TATblatt Nr. +90 (2/98) vom 29. Jänner 1998
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