TATblatt


Kurznachrichten - Rassismus

Asylbilanz 1997

Nicht 460, wie im letzten TATblatt zu lesen war, sondern 639 Asylanträge wurden letzes Jahr positiv entschieden. Das sind um 77 weniger als ein Jahr davor. Die Anerkennungsquote sank von 8,2 auf 8,1%. 6719 Personen haben um Asyl angesucht. 7286 Anträge, die in den letzten Jahren gestellt worden sind, wurden abgelehnt. 2512 Anträge sind noch nicht entschieden. Anfang der 80er Jahre lag die Anerkennungsquote meist bei etwa 50%. (Presse, Salzburger Nachrichten).
 

Verurteilung des niedergeschossenen Migranten

Wie in TATblatt +82 berichtet, wurde am 26. August letzten Jahres, der laut ZeugInnenaussagen am Boden liegende rumänische Migrant A. von einem Grenzgendarmen niedergeschossen. Der Grenzgendarm P. hatte nach Angaben des Leiters des Landesgendarmeriekommandos gezielt und gewollt auf den "Hauptangreifer" geschossen, weil er sich bedroht gefühlt hatte. Das Verfahren gegen P. wurde inzwischen eingestellt, weil er angeblich aus Notwehr gehandelt hat, obwohl er jetzt nicht mehr sagen konnte, ob es sich bei A. um einen der vermeintlichen Angreifer gehandelt hat? Daß auch P.s Kollegen keine klare Schilderung der Vorfälle liefern konnten und sich durch ihre Aussagen in Widersprüche verwickelten, änderte nichts daran, daß A. wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt in Verbindung mit schwerer Nötigung zu einer neunmonatigen Haftstrafe verurteilt wurde. A. hat die Strafe bereits in der U-Haft abgesessen und wurde deswegen gleich in Schubhaft genommen. (Kurier, Standard)
 

Mindestens 23 Tote an Österreichs Grenzen

Einem Bericht der Zeitschrift des Innenministeriums "Öffentliche Sicherheit" ist zu entnehmen, daß in den letzten fünf Jahren mindestens 23 Menschen beim Versuch illegal nach Österreich einzureisen gestorben sind. 1993 wurden fünf Singhalesen tot auf einem Autorastparkplatz in der Nähe von Leobersdorf in Niederösterreich gefunden, die nach Italien reisen wollten und im Gepäckraum eines Autobusses erstickt waren.

In einem bulgarischen LKW starben 18 Tamilen in der Nähe der österreichischen Grenze zwischen Hegyeshalom und Györ. Im März 1997 entgingen sieben Kurden, die ebenfalls versuchten im Laderaum eines Lkws nach Österreich zu kommen, nur knapp dem Tod. Einer der Kurden war bereits bewußtlos. Fast erfroren wären vier Chinesen, die am 15. Dezember 1997 versuchten an der tschechisch-österreichischen den Grenzfluß zu durchschwimmen.

Schuld daran sind natürlich die kommerziellen FluchthelferInnen, die neuen Superbösen, und nicht etwa die Politik der Schengenmitgliedsländer. In der aktuellen Ausgabe der "Öffentlichen Sicherheit" ist ihnen ein vierseitiger Artikel gewidmet. Oberste Bekämpferin des "Schlepperunwesens" ist die Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus (EBT), die vor kurzem ihre zehnjähriges Bestehen feierte. Damit es nicht zu blöd ausschaut, daß die EBT gegen die FluchthelferInnen vorgeht, müssen die "Schlepperbanden" als furchtbare Bedrohung dargestellt werden. Dabei hilft der Standard gerne mit und veröffentlicht eine eigene Serie, die hauptsächlich von Informationen der EBT lebt. Aus dem Vorspann: "Die großen Schlepperbanden sind nach Geheimdienstvorbild abgeschottet, hierarchisch und arbeitsteilig organisiert und nutzen die Synergieeffekte mit anderen Gruppen...". (Öffentliche Sicherheit, Standard).
 

TaxifahrerInnen als Zwangshilfs-sheriffs?

In dem oben erwähnten Artikel in der "Öffentlichen Sicherheit" erfahren wir auch, daß einE TaxifahrerIn, der/die wissentlich einen illegal eingereisten Menschen, von z.B. einem Parkplatz in Grenznähe abholt und ihn oder sie gegen den üblichen Fuhrlohn(!) zum nächsten Hotel bringt, sich der "Schlepperei" schuldig macht. Die Definition der "Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Ausreise eines Fremden" wurde im Gesetz laut "Öffentliche Sicherheit" absichtlich sehr weit gefaßt, "damit auch Unterstützungshandlungen verfolgt werden können." "Schlepperei" wird als Verwaltungsübertretung mit bis zu ATS 50.000 bestraft. Im Wiederholungsfall oder bei Fluchthilfe für mehr als fünf Menschen wird aus der Verwaltungsübertretung eine gerichtlich strafbare Handlung mit einem Strafrahmen bis zu drei Jahren.

In Deutschland gibt es eine wahre Prozeßflut gegen TaxifahrerInnen, die illegal Eingereiste befördern. Dabei ist es unerheblich, ob sie darüber bescheid wissen, ob ihre Fahrgäste illegal eingereist sind, oder nicht. Bisheriger Höhepunkt ist die Verurteilung eines Taxifahrers zu zwei Jahren und zwei Monaten Haft am 1. Dezember. Im Landkreis Löbau-Zwittau wird gegen 22 von 73 TaxifahrerInnen ermittelt. In Deutschland haben sich die TaxifahrerInnen inzwischen organisiert, um gegen die Prozesse zu protestieren. In einer Erklärung heißt es: "Die Beförderungspflicht ....gilt für alle Menschen. Gegen geltende Gesetze verstößt nicht, wer alle Menschen befördert, sondern wer dazu aufruft, eine bestimmte Gruppe von Menschen von der Beförderung auszuschließen. (...) Wir werden auch in Zukunft Menschen ` ausländischen Aussehens, mit schlechten Deutschkenntnissen, viel Gepäck und nasser Kleidung zu den geltenden Beförderungsbedingungen zu ihrem Fahrziel bringen". Bei einem Prozeß Mitte Dezember hielten TaxifahrerInnen eine Kundgebung ab. (Öffentliche Sicherheit, Jungle World)
 

"Schlepperei" als völkerrechtlicher Straftatbestand?

Mensch sollte es nicht glauben, aber es gibt doch tatsächlich Länder, die (kommerzielle) Fluchthilfe nicht bestrafen. Solche rechtsstaatlichen Skandale müssen natürlich bekämpft werden und wer ist dazu besser geeignet als - richtig - Österreich. Zu diesem Zweck hat Außenminister Schüssel mutig bei der letztjährigen UN-Generalversammlung einen Antrag eingebracht, der im Frühjahr bei der in Wien tagenden UN-Verbrechensverhütungskommission behandelt werden soll. Der Antrag enthält u.a. folgende Forderungen: "Schlepperei" soll als internationales Verbrechen definiert und qualifiziert werden und als völkerrechtlicher Straftatbestand etabliert werden. Die Vertragsstaaten sollen verpflichtet werden, Fluchthilfe innerstaatlich unter Strafandrohung zu stellen.

"Angesichts der Dringlichkeit und der Dimensionen des Problems ist damit zu rechnen, daß die Bemühungen zur Bekämpfung des Schlepperwesens an der Notwendigkeit internationaler Rechtsinstrumente nicht vorbeigehen werden. Somit dürfte die österreichische Initiative als bisher konkretester Vorschlag im weiteren Verhandlungsprozeß gute Chancen haben", verkündet der Leiter des Völkerrechtsbüros im Außenministerium, Franz Cede, stolz in einem Gastkommentar in der Presse.
 

BosnierInnen können in Österreich bleiben

Nachdem jahrelang vermieden wurde, den in Österreich lebenden BosnierInnen eine langfristige Perspektive anzubieten und sie in rechtlicher Unsicherheit gehalten wurden, hat sich die österreichische Regierung nun doch endlich entschlossen, den noch nicht zurückgekehrten und noch in Lagern lebenden 5743 BosnierInnen einen Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen. Sie müssen nun nicht mehr mit der ständigen Angst leben, jederzeit deportiert werden zu können. (Kurier)
 

Arbeiten für ATS 4500 pro Monat

Sprachschulen bieten österreichischen Betrieben, die an SaisonarbeiterInnen interessiert sind, ihre SchülerInnen für einen Hungerlohn von (mindestens) ATS 4500.- als Arbeitskräfte, die Sprachschulen sprechen von PraktikantInnen, an. Mit europaweiten Kontakten zu "Ausbildungszentren aller Art" können sie "allen Bereichen der Wirtschaft" ihre SprachschülerInnen für zwei bis neun Monate zur Verfügung stellen. Der durchschnittliche Kollektivvertragslohn im Gastgewerbe, das wohl am ehesten für derartige Angebote Interesse haben dürfte, beträgt elf- bis zwölftausend Schilling. FerialpraktikantInnen (im vierten Ausbildungsjahr) erhalten rund ATS 7600 im Monat.
 

Innenministerium beschließt "Scheinehenpakt"

Der Verfassungsgerichtshof stellte letztes Jahr fest, daß ausländische EhepartnerInnen von ÖsterreicherInnen nicht gegenüber solchen von anderen in Österreich lebenden EU-BürgerInnen benachteiligt werden dürfen. Mit dem neuen Fremdengesetz wurde diese Ungleichheit nun weitgehend beseitigt, was wiederum dazu geführt hat, daß im Innenministerium eine "Scheinehenwelle" befürchtet wird. Deswegen wurde ein sogenannter "Scheinehenpakt" beschlossen. Die Behörden sollen die Möglichkeit erhalten, Personen, die sich zur Erlangung eines Aufenthaltes zu Unrecht auf ein Eheleben berufen, zu deportieren bzw. mit einem Aufenthaltsverbot zu belegen. Weiters ist die Einführung des Straftatbestands der "gewerbsmäßigen Vermittlung von Scheinehen" vorgesehen. (Presse, "Öffentliche Sicherheit")
 

Woran AusländerInnen schuld sind

Laut Gunther Wolfram(FPÖ), dem stellvertretenden Bezirksvorsteher von Ottakring, sind die AusländerInnen am Verlust des Einkaufswerts der Thaliastraße schuld, weil sie durch ihre schwache Kaufkraft die Geschäftsstruktur verändern.

Laut Peter Weinmeister, wahlkämpfender FPÖ-BürgerInnenmeisterkandidat in Graz, sind die AusländerInnen daran schuld, daß ÖsterreicherInnen bei Arztbesuchen ungerechtfertigt lange warten müssen. Bei einer Diskussion der Spitzenkandidaten konnte er folgenden Skandal vermelden: "Mir sind Fälle bekannt, wo sich Ausländer in Ordinationen vorgedrängt haben..." Außerdem sind die AusländerInnen, vor allem die afrikanischen, daran schuld, daß sich alte Leute nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr in Parks trauen, und daß ÖsterreicherInnen an Drogen sterben. 300-350 der in Graz lebenden SchwarzafrikanerInnen gehören der Drogenszene an und sind deswegen "Mörder auf Raten".

Einen Klassiker hatte Thomas Chorherr am 17.1. in seiner wöchentlichen Presse-Kolumne "Was ich davon halte" zu bieten. Für die, wie er selbst schreibt, "antisemitischen Äußerungen" die im Umfeld der Diskussion um die Schiele-Bilder gefallen sind, hat er eine einfache Erklärung. "Warum man sich scheut, anzuprangern, daß das zumindest in einem Fall jetzt offenbar falsche Vorgehen der New Yorker Staatsanwaltschaft den zweifellos da und dort (aber nicht nur in Österreich) vorhandenen Antisemitismus hervorkitzeln kann, ist mir schleierhaft." Die Kronen-Zeitung war von dieser Argumentation so begeistert, daß sie einen Ausschnitt der Kolumne gleich am nächsten Tag auf Seite drei nachdruckte.

Weil wir gerade bei Herrn Chorherr sind: noch ein Zitat aus einer seiner unglaublichen Kolumnen. Diesmal geht es um Franz Fuchs: "Daß er von rechtsradikalem Gedankengut infiziert und unter Umständen sogar mit einschlägigen Gruppen in Verbindung gewesen sei, ist füglich aus gutem Grund bezweifelt worden." Franz Fuchs und rechtsradikal? Sowas kann auch nur den bösen P.C.-TerroristInnen einfallen. (Salzburger Nachrichten, Presse, Kronen Zeitung)
 

Die Folgen des "Kurden-Gipfels"

Die ersten Folgen des "Polizeigipfels" nach der "Kurdeninvasion" in Italien können bereits in den Tageszeitungen nachgelesen werden. Die italienische Marine zwingt Boote aus Albanien jetzt bereits unmittelbar vor der albanischen Küste zur Umkehr, wobei bei einem Einsatz auch geschossen worden sein soll. Illegalen EinwandererInnen werden die Fingerabdrücke abgenommen und an andere EU-Staaten weitergegeben. Die Türkei hat bei einer Großrazzia in Istanbul über tausend potentielle MigrantInnen gleich festgenommen.

Die Aktion Notruf Asyl, eine gemeinsame Aktion von ai und SOS Mitmensch, informiert in einer Aussendung über die Asylpraxis in Österreich, daß KurdInnen in Österreich keinen dauerhaften Schutz finden und die nordirakische Schutzzone als sicheres Gebiet betrachtet wird. Türkische KurdInnen werden in den meisten Fällen binnen kurzer Zeit in ihr Heimatland deportiert. Irakische KurdInnen werden zwar nicht deportiert, erhalten aber fast nie Asyl zuerkannt und auch keine Aufenthaltsgenehmigung, sondern Schubhaft.

Eine italienische Parlamentskomission diskutiert Neuerungen im Asylverfahren. Alle Asylanträge sollen von einer Sonderkommission überprüft werden. Während dieser Überprüfung sollen AsylwerberInnen das Recht auf ärztliche Betreuung und Unterkunft haben. Bei einer Annahme des Antrags können Flüchtlinge eine fünfjährige Aufenthaltserlaubnis beantragen. Bei einer Ablehnung kann Rekurs beim Verwaltungsgericht eingereicht werden. Reichen Flüchtlinge keinen Rekurs ein, sollen sie innerhalb von 30 Tagen ausreisen müssen. Bei einer Flucht vor Krieg oder Naturkatastrophen kann eine befristete Aufnahme, mit der Möglichkeit den Flüchtlingsstatus zu beantragen, gewährt werden. (Aktion Notruf Asyl, Presse, Standard, Kurier)
 

Polen macht Ostgrenze dicht

Als brave Anwärterin auf eine EU-Mitgliedschaft weiß die polnische Regierung, was die einflußreichen EU-Staaten erwarten, deswegen hat sie mit Beginn dieses Jahres etliche Einreisebestimmungen radikal verschärft. Einfache Einladungen von PolInnen reichen für WeißrussInnen und RussInnen nicht mehr aus, um nach Polen fahren zu können. Fälschungssichere Formulare und die strenge Überprüfung aller Angaben sind Standard. Lange Schlangen gibt es jetzt nicht mehr an den Grenzen, sondern bei den Behörden, die Visa etc. ausstellen. Der Reiseverkehr ist fast zum Erliegen gekommen. AusländerInnen müssen mindestens einmal jährlich eine neue Aufenthaltsbewilligung beantragen. Für die Abriegelung der Ostgrenze gibt es Geld von Deutschland und der EU. (Presse)
 

Kanada verschärft Einwanderungsbedingungen

Bisher waren Englisch- oder Französischkenntnisse nicht Voraussetzungen um nach Kanada einwandern zu dürfen. Jetzt sollen sie es werden. ImmigrantInnengruppen befürchten, daß Menschen aus Ländern, in denen weder Englisch noch Französisch Landessprache sind, von der Einwanderung mehr oder weniger ausgeschlossen sind. Die Ankündigung der neuen Bestimmung passierte genau in der selben Woche, in der sich eine kanadische Provinzregierung bei den UreinwohnerInnen für die zweihundertjährige Assimilationspolitik und Unterdrückung von Sprache und Kultur entschuldigte. (Financial Times)


aus: TATblatt Nr. +90 (2/98) vom 29. Jänner 1998
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