Die Zahl der EmpfängerInnen von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe in Österreich hat sich, den Voraussagen der WirtschaftsforscherInnen Folge leistend, stabilisiert. Angesichts der Tatsache, daß die Stabilisierung auf entsprechend hohem Niveau stattfindet (nämlich bei etwa 305.000 Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt), wächst die Notwendigkeit, neue Erklärungsmuster für das Geschehen an sich sowie der Arbeit des AMS im Besonderen zu finden.
TATblatt
AMS-Boß Herbert Buchinger ist ein "Argumentations-Trendsetter":
In einem Referat über die arbeitsmarktpolitischen Strategien des AMS
veranschaulichte er am 4.Februar die positive Arbeit der ihm untergebenen
Behörde mit der Feststellung, daß mensch nicht immer nur die
hohe Zahl der Menschen sehen dürfe, die im Verlauf eines Jahres arbeitslos
würden (nämlich an die 700 000). Demgegenüber stünde
nämlich die Zahl derer, die jährlich einen neuen Arbeitsplatz
fänden, und das seien immerhin 400 000 Menschen. Gar so schlecht könne
daher die Arbeit des AMS gar nicht sein.
Der Hinweis auf die angeblichen Vermittlungserfolge des AMS (80% der
Neueinstellungen finden in der Realität ohne Mitwirkung des AMS statt)
führte interessierten BeobachterInnen vor Augen, daß das Vorgehen
der jeweiligen EU-einzelstaatlichen Arbeitsmarkt-Verantwortlichen neuerdings
koordiniert wird. Nur einen Tag nach Buchinger verwies nämlich auch
der Chef des deutschen Bundesamts für Arbeit auf die Tatsache, daß
in der BRD jährlich 4.8 Mio. Menschen Arbeit fänden. Ihm folgte
Freitags die von Arbeitslosenprotesten gebeutelte französische Sozialministerin
mit dem selben Argument. Der Amsterdamer EU-Arbeitslosen-Gipfel vom vergangenen
Herbst war also nicht ohne praktisches Ergebnis geblieben!
Zurück nach Österreich: Herbert Buchinger hat guten Grund, die Erfolge des AMS neu herauszustreichen. Über AMS-Strategien gegen Arbeitslosigkeit hatte er nämlich verdammt wenig zu sagen gehabt.
Die mit großem Trara letztes Jahr ins Leben gerufene Aktion "Comeback" wurde in Wien inzwischen eingestellt; nicht etwa, weil sie kein Erfolg gewesen wäre, sondern weil mensch zu berechnen "vergessen" hatte, daß sich die vom AMS übernommene Verpflichtung, neueinstellenden Unternehmen ein Jahr lang eine Beihilfe in Höhe des Notstandsbezugs einer/s Langzeitarbeitslosen zu bezahlen, weniger das Budget des laufenden, als vielmehr jenes des folgenden Jahres belastet. Die für 1998 vorgesehenen Mittel sind also schlicht und einfach bereits zu Jahresbeginn "verplant" gewesen.
Ähnliches gilt für die vergangenen Sommer von Bundeskanzler Klima ins Leben gerufene Lehrlingsaktion. Ganz abgesehen von ihrem leicht "realsozialistisch" anmutenden Grundtenor (sinngemäß: "jedeR kriegt irgendeine Arbeit, egal ob sie ihm/ihr paßt") mußten die AMS-ExpertInnen nun erkennen, daß zumindest ein Teil der letzten Herbst geschaffenen Lehrstellen nichts anderes als - durch staatliche Förderung ausgelöste - Vorgriffe auf die heuer zu besetzenden Lehrstellen waren. Das theoretische Lehrstellen-Plus des Jahres 1997 (in Wahrheit gab es keine Vergrößerung des Angebots, sondern eine "Reduzierung der Lehrstellenreduzierung") dürfte auf ein ganz praktisches Super-Lehrstellen-Minus 1998 hinauslaufen.
Welche nun 1998 keine Lehrstelle finden werden, brauchen sich nicht zu grämen. Auch jene, die 1997 noch "Glück" hatten, dürften mit ihrem Glück kein Glück haben. Denn dem "dualen Ausbildungssystem" (Neudeutsch für Lehrlingsausbildung) droht ohnehin das Ende. Für die in "klassischen Lehrberufen" Ausgebildeten wird es in Zukunft schwer werden, am Arbeitsmarkt einen Arbeitsplatz zu finden. Gefragt sind nunmehr "Allrounder", die mehrere Lehrberufe zu vereinen imstande sind. Buchinger empfiehlt daher, Weiterbildungskurse zu besuchen! Die dafür notwendigen Mittel des AMS werden dieses Jahr voraussichtlich bis Mitte März reichen ...
Ohne diese beiden Aktionen hätten gut 5000 Menschen mehr die Arbeitslosenstatistik
1997 belastet. Die Statistik wäre damit um 4500 über den historischen
Höchststand von 1996 (seit 1950) hinausgewandert. Aus Gründen
der Berechnungstechnik können sie nun frühestens wieder die Statistik
1999 belasten. Das ist dann nach der nächsten Nationalratswahl. Bundeskanzler
Klimas New-comer-Image wird also nicht frühzeitig angepatzt ...
Ausbildungskosten haben zukünftig entweder die öffentliche Hand oder die Betroffenen selbst zu bezahlen. Dies den Unternehmen zuzumuten, wäre ja schließ-lich schwer wettbewerbsverzerrend. Dankenswerterweise gibt es daher Organisationen, die Weiterbildungswilligen ein bisserl Geld zuschieben: etwa den WAFF (Wiener ArbeitnehmerInnen-Förderungsfonds). Der läßt nicht nur 2000 Öschis pro Person und Jahr für diverse Kursbesuche springen (was übrigens bei Beginn der Aktion promptestens zu einer Preissteigerung bei den verschiedenen KursanbieterInnen führte), sondern erarbeitet auch "langfristige Strategien" gegen Arbeitslosigkeit.
Eine solche Strategie heißt FAST: Frauen-Arbeitsstiftung. Schlecht ausgebildete arbeitslose Frauen sollen künftig nach einer dreimonatigen Orientierungsphase eine bis zu drei Jahren dauernde, arbeitsmarktrelevante Qualifizierungsphase absolvieren können. Was vorerst gar nicht schlecht klingt, hat gleich mehrere Haken:
Schon der Name "Stiftung" ist leicht fehl am Platz: Bisherige Arbeitsstiftungen
wurden von drei Seiten, nämlich den betroffenen Arbeitslosen (z.B.
aus deren Abfertigung), vom Staat (also AMS) und von den UnternehmerInnen
finanziert. Bei FAST fallen zumindest letztere aus. Die Mittel kommen vom
AMS sowie vom WAFF, der vom Bundesland Wien dotiert wird.
Da sich FAST an schlecht ausgebildete Frauen richtet, stellt sich die Frage, welche dreijährigen Ausbildungen in der Praxis wohl gemeint sein könnten. Die Matura nachzuholen wird wohl nicht als ausreichend arbeitsmarktrelevant durchgehen. Zum Thema Lehre wurde bereits weiter oben im Text einiges geschrieben. Kollegs etc fallen wegen der geringen Vorqualifizierung des Zielpublikums aus. Bleiben die diversen Kurzausbildungen und -kurse, die bereits jetzt von Organisationen wie bfi oder wifi angeboten werden (und deren Ausbildungswert angesichts der von ArbeitgeberInnen gewünschten "AllrounderInnen" eher mäßig ist).
Für FAST, das im Frühjahr die Arbeit aufnehmen soll, wurden allerlei Gelder des AMS umgeschichtet: Zum Opfer fielen etwa spezielle Kurse für WiedereinsteigerInnen nach dem Karenzurlaub und andere Kurse für Frauen. In der Praxis dürfte FAST also nicht viel anderes bringen als eine Reduzierung der Kosten fürs AMS ...
Besser ausgebildete arbeitslose Frauen dürfen dann selbst schauen,
wo sie (etwa nach der Rückkehr aus dem Karenzurlaub) bleiben. Am besten
bei Kindern, denn das gälte dann als Betreuungsverpflichtung, womit
das AMS jegliche Zahlungen einstellen könnte.
aus: TATblatt Nr. +91 (3/98) vom 12. Februar 1998
(c)TATblatt
Alle Rechte vorbehalten
Nachdruck, auch auszugsweise, nur in linken, alternativen
und ähnlichen Medien ohne weiteres gestattet (Belegexemplar erbeten)!
In allen anderen Fällen Nachdruck nur mit Genehmigung
der Medieninhaberin (siehe Impressum)