TATblatt


Frustrierte Gene

Pioneer, Novartis und einige andere Genfreaks sind frustig: nirgendwo, und schon gar nicht in Österreich, will die schöne neue Genwelt vielbejubelt vom fortschrittsgläubigen Volk anbrechen. In jüngster Zeit ging nicht nur wieder einmal ein Freisetzungsantrag hierzulande uns in die Hosen, nun sind sogar im ansonsten nicht sehr technikfeindlichen Frankreich High-Tech-Gene direkten Angriffen ausgesetzt. Die betroffenen Firmen reagieren mit Drohungen und Klagen.

div. Zeitungen, Die Bergbauern; TATblatt
Anfang Jänner glaubte der Saatgutmulti Pioneer vorpreschen zu müssen und beantragte die Freisetzung von Gen-Mais. Schon zuvor waren das Forschungszentrum Seibersdorf, die Raiffeisen-Firma Agrana und andere mit Freisetzungsanträgen gescheitert. Der Antrag war nach Meinung damit befaßter Behörden reichlich schludrig abgefaßt, weshalb ihn Pioneer nach kurzer Zeit wieder zurückzog. Noch vor dem Rückzug hatte die Kronenzeitung Greenpeace und Global 2000 vor die Werkstore von Pioneer zu einer Blockade geschickt, wo sich diese vereinbarungsgemäß kronenzeitunglesend abbilden ließen und auf "AktivistInnen" taten. Wichtig scheint gewesen zu sein, daß angesichts der Proteste (die sich am Land auch im Dorfwirtshaus kundtun) fünf von zehn Bauern, die den Gen-Mais anpflanzen wollten, ihre Zusage an Pioneer zurücknahmen.

Unmittelbar nach dem Zurückziehen dieses Antrages kündigte der Chef von Pioneer in Österreich, Felix Rudolph, an, demnächst einen weiteren Versuch starten zu wollen. Rudolph beklagte außerdem bezüglich Behördenverfahren: "Da könne man nicht mehr sicher sein, daß vertrauliche Fakten auch vertraulich behandelt werden". Der Abgesandte der Raiffeisen-Organisation in der Bundesregierung, Landwirtschaftsminister Molterer, meinte beiläufig zur Gentechnik-Diskussion in Österreich: "Aus der Emotionalität der Diskussion heraus ist uns möglicherweise eine Chance verbaut". Etwas weniger verschämt heißt dieses, daß im Moment nichts geht, auch nicht durch munkeln.

Wo die Dinge so stehen, da hilft nur der Holzhammer. "Bei den Versuchen geht es nur um 300 Körner", so Rudolph, und weiter "Es ist ein staatlicher Versuch. Der kann also nicht von einer Gemeinde abgelehnt werden". Außerdem gebe es "kein faires Verfahren" und falls dies wieder vorkomme, werden "sicherlich rechtliche Schritte" gesetzt.

Böse ist auch der Konzern Novartis (mit seinem Tochterunternehmen Biochemie in Kundl), der mit Absiedlung aus Österreich droht. Da aber bekanntlich nicht alles so heiß gegessen wird, agiert die Genindustrie vorerst mit Brachialpropaganda. "Gesundheit heißt das Motto von Novartis Austria" und "Die Gen-Illusion Österreichs" tönt es aus dem Raiffeisen-Blatt Kurier. Außerdem gebe es einen "Vormarsch der transgenen Pflanzen", und weiters führt uns der Kurier bei einem "Lokalaugenschein in den USA und im Elsaß" tollerweise vor, "Wo die Gentech-Pflanzen bereits sprießen". Geziert ist dieser "Lokalaugenschein" von Fotos über Roundup (von Monsanto) und irgendwelche Ciba-Geigy-Saaten. Weitere Stilblüten transgener Kurier-JournalistInnen: "Europa wird sich an das Gen-Essen gewöhnen" und "Bedarf der Chinesen muß gedeckt werden", ausgerechnet durch Gen-Mais von Novartis.

Sabotage in Frankreich

Gerade die Propaganda der Genindustrie, daß mit den Freisetzungen in Frankreich der Durchbruch in Europa geschafft wäre und damit sowieso alles weitere egal ist, könnte sich in kürze als Fehler erweisen. Am 8. Jänner d.J. drangen 100 AktivistInnen der BäuerInnengewerkschaft Confédération paysanne in die Lagerräume von Novartis im Ort Nérac in Südwestfrankreich ein, um den Verkauf von 30 Tonnen Saatgut für Genmais zu verhindern. Sie mischten herkömmlichen Mais unter das Saatgut und befeuchteten dieses, um es zum Verkauf unbrauchbar zu machen. Frankreich ist das erste Land Europas, das Genmais zum Verkauf zugelassen hat. Der Schaden von Novartis betrug angeblich 6 Millionen Francs (1 FF = 2,10 öS).

Drei der BäuerInnen wurden verhaftet und Anfang Februar vor Gericht gestellt. Sie wurden zu acht Monaten Haft bedingt und zu jeweils 500.000 FF unbedingt verurteilt.

Die Aktion war die erste gegen Genmanipulation in Frankreich überhaupt. Im Zuge des Prozesses fand eine Demo statt, im weiteren soll auch eine Debatte im Parlament bezüglich Freisetzungen und ein Freisetzungsmoratorium erreicht werden. Es ist wohl nicht schwer zu erkennen, daß die unmittelbare und reichlich ruinöse Bestrafung jeden weiteren Widerstand im Keim ersticken soll.

Angesichts des europaweiten erfolgreichen Widerstandes, der von generellen Freisetzungsverhinderungen wie in Österreich bis zu regelmäßigem Herumtrampeln und Umpflügen von Versuchfeldern in Deutschland und übergreifend auf Großbritannien, Irland und weitere Länder reicht, kann Gefahr vorerst nur von der selbsternannten "Umweltbewegung" Global 2000 kommen. Ende Jänner trafen sich vier Globalis mit vier Gentech-Firmenvertretern, je einer von Monsanto, Novartis, AgrEvo und Pioneer in der Novartis-Zentrale in Wien. Ausgegangen war die Initiative von Global-Geschäftsführer Lockl: "Wichtig ist, daß gegenseitige Wissensdefizite abgebaut werden - und auch stereotype Vorbehalte." Ein "Tauwetter bei Gentechnik" und "überraschende Wende" machte das Industriellnvereinigungsblatt "Die Presse" daraus. Wie Global 2000 Vorbehalte abbaut, kann derzeit in Lambach beobachtet werden, wo die OKA herumbaggert, nachdem Global im Namen der Umweltbewegung auf weitere Aktionen verzichtete.


aus: TATblatt Nr. +93 (5/98) vom 12. März 1998
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