TATblatt; Quellen: die Bergbauern, RAFI
Bereits im Dezember 1996 mußte das National Health Institute
der USA einen ganz besonderen Patentantrag zurücklegen. Es wollte
sich den genetischen Code eines Hagahai - eines Einwohners Papua-Neuguineas
- als Patent eintragen lassen. Öffentliche Proteste verschiedener
Regierungen und Nichtstaatlicher Organisationen ließen diesen Plan
damals platzen. Allerdings war damit ein Anfang gemacht, für den jetzt
anscheinend erst rechtliche Grundlagen geschaffen werden sollen.
Wie kommt es überhaupt zu solchen Möglichkeiten? Ein Beispiel
macht es deutlich: bisher konnten grundsätzlich nur "Erfindungen"
patentiert werden, nicht jedoch Entdeckungen. So kann zwar die "Erfindung
Teleskop" patentiert werden, nicht jedoch die damit entdeckten Sterne.
Im Laufe des letzten Jahres wurden allerdings überall auf der Welt
Bemühungen unternommen, diesen Grundsatz im Bereich Biotechnologie
auf den Kopf zu stellen. In Europa z.B. stehen die neuen "Europäischen
Patentrichtlinien" gerade vor dem endgültigen Abschluß. Danach
soll es nicht nur möglich sein, gentechnische Verfahren sondern auch
Pflanzensorten, Tiere und genetische Merkmale von Menschen patentieren
zu lassen. Es wird von Seiten der Pharma- und Biotechnikindustrie damit
argumentiert, daß die erfinderische Leistung des Entdeckens hier
derart hoch sei, daß in Folge auch die Produkte als Erfindung zu
gelten haben. PflanzenzüchterInnen meinen jedoch, daß der technologische
Aufwand im Vergleich zum pflanzenzüchterischen Bearbeiten im Verhältnis
1:5 stünde; somit die Tätigkeit im Labor durch die Patentierung
kraß überbewertet sei.
Aus ökonomischer Sicht ist es ziemlich klar, was vor sich geht.
Auf die Innovation folgt - wie in den meisten Gebieten mit einem enormen
Entwicklungspotential - das Monopol. Vor allem im Bereich "Nutzpflanzen"
wird dabei nicht nur wissenschaftlicher Vorsprung auf Jahrzehnte abgesichert,
sondern auch eine gewaltige Abhängigkeit der AbnehmerInnen von Saatgut
auf Jahre zementiert. Während der "Sortenschutz" bisher nur einzelne,
konkret existierende Sorten erfasste, ist das Patentrecht viel umfangreicher:
es umfasst von Anfang an alle Sorten, die jemals (zumindest in den nächsten
20 Jahren) aus den beanspruchten Pflanzen (Pflanzenteilen, patentierten
Genen oder gentechnischen Verfahren) hervorgehen werden. Was das bedeutet,
zeigt das Beispiel der sogenannten Anti-Matsch-Tomate: ihre Patentinhaberin
- die Firma CALGENE - erhebt Anspruch auch auf alle Pflanzensorten, in
die das bestimmte Gen theoretisch eingebaut werden kann. Sie nennt unter
anderem: "Getreide, wie Weizen, Gerste, Mais, etc.; Früchte, wie Aprikosen,
Orangen, Grapefruits, Äpfel, Birnen, Avocados, etc.; Nüsse (...);
Gemüse (...); Waldbäume (...); Zierblumen (...); oder andere
nutzbringende Pflanzen (...)." Die unglaubliche Reichweite und Breite solcher
Patente, bewirkt in der Folge eine Schlüsselstellung der patentinnehabenden
Konzerne. "Daß hier durch Patentierung tatsächlich eine völlig
neue Aufteilung des Saatgut- und Lebensmittelmarktes entsteht, zeigt das
Beispiel der Anti-Matsch-Tomate drastisch", schreibt Christoph Then in
der Zeitschrift "Die Bergbauern", und setzt fort: "Bei der Vermarktung
des unter die Reichweite des Patents fallenden "Flavr-Savr-Tomaten in den
USA wird vom Anbau über die Verarbeitung bis zur Vermarktung alles
über entsprechende Lizenzverträge geregelt." Bei Montsanto/Amerika
sieht das z.B. so aus: alle BäuerInnen, die Montsantos herbizidresistentes
Soja anbauen, MÜSSEN das von Montsanto vertriebene passende Herbizid
verwenden, sie dürfen kein Saatgut für eine neuerliche Aussaat
zurückbehalten, auch nicht für Eigenbedarf, Montsanto kann jederzeit
unangemeldet Kontrollen auf ihren Feldern durchführen.
Warum die Abhängigkeit der BäuerInnen im Vergleich zu früher
so viel höher ist, lässt sich leicht beschreiben: während
früher über den Umweg von Saatgut, dessen Pflanzen sich nicht
vermehren ließen, durch Druck über Pachtverträge, Maschinenmieten
und Kredite jahrelange Abhängigkeitsverhältnisse entstanden,
verhält sich die Sache nun so: mit den patentierten Sorten kann Landwirtschaft
nur noch über die erwähnten Lizenzverträge ausgeübt
werden.
In diesem Zusammenhang tat sich eine weitere Befürchtung auf: da
der Patentschutz bisher fast ausschließlich für gentechnologisch
erzeugte Pflanzen (oder Sorten) in Frage kam, ließ sich annehmen,
daß durch die zu erwartenden Gewinne für die biotechnische Industrie
konventionelle Sorten zunehmend vom Markt verdrängt würden. Allerdings
zeigt sich in letzter Zeit, daß auch vor diesen "konventionellen
Sorten" nicht halt gemacht werden soll.
Westliche Firmen, besonders in Amerika und Australien erkannten, welche
Möglichkeiten sich durch Patentierung bereits bestehender Pflanzenarten
und -sorten ergeben. Insbesondere in der sogenannten Dritten Welt und bei
indigenen Gesellschaften wurden sie fündig. So wird die Untersagung
der Patentierung von Kurkuma, einem Auszug der Gelbwurz, der in Indien
traditionell als Heilmittel verwendet wird, derzeit vor Gericht angefochten.
In Australien sollten in ähnlichen Verfahren die Weichen bereits gestellt
werden: so wurden z.B. zwei australischen Agrarbehörden von ihrem
Patentamt ein patentähnliches Sortenschutzrecht für zwei Kichererbsen
zugebilligt. Das Bemerkenswerte daran ist, daß die Erbsen in keiner
Weise verändert oder weitergezüchtet waren, sondern schlicht
vermehrt, wie sie von indischen BäuerInnen im Laufe der Jahrhunderte
hochgezüchtet worden waren. In diesem Fall hat die Welternährungsorganisation
der UNO (FAO) Druck ausgeübt. Die Rechtsansprüche mußten
auch hier zurückgezogen werden. Allerdings wird vermutet, daß
bereits 28 verschiedene Arten in solchen "Sortenschutzverfahren" allein
in Australien "patentiert" wurden.
heißt eine nichtstaatliche, kanadische Organisation, die sich vor allem um diese Fälle kümmert. Rafi zeigt in unzähligen Beispielen auf, wie westliche Firmen von indigenem Wissen profitieren, sich dieses Wissen aneignen, welch enormer ökonomischer Schaden bei den Betroffenen entsteht und vor allem wie ganzen Bevölkerungsschichten durch das Patentrecht die Lebensgrundlage entzogen wird.
Schon 1993 veröffentlichte RAFI einen Bericht, in dem aufgezeigt
wird, wie das uralte Wissen äthiopischer Frauen um die hilfreiche
Wirkung einer Beere im Kampf gegen eine tödliche Krankheit, sich in
einem Patent der Universität von Toledo/US wiederfindet. Sollte RAFIs
Intervention (auf Bitte der äthiopischen Regierung) fehlschlagen,
wären alle Maßnahmen zur Bekämpfung der Krankheit mittels
dieses Wirkstoffs fest in amerikanischen Händen.
Ein ähnlicher Fall beschäftigt schon seit Jahren internationale
Gerichte: der US-amerikanische Anspruch auf Produkte des Niem-Baumes. Diese
Produkte werden in Indien seit jeher als Medizin genutzt, ja darüberhinaus
als natürliche Kosmetika wie auch in der Zahnpflege. Die Patentanmeldungen
bedrohen dabei alle im Herstellungs- und Vermarktungsprozess involvierten
Bevölkerungsschichten; und im Endeffekt natürlich auch die EndverbraucherInnen,
die diese Produkte nicht mehr (oder nur aus amerikanischen Quellen) beziehen
könnten.
Die auf den ersten Blick aberwitzigsten Patentansuchen betreffen jedoch,
wie eingangs erwähnt, ganze Menschen selbst. Und zwar tatsächlich
einzelne ausgesuchte Personen. Hier wurden US-Institutionen vor allem auf
Papua-Neuguinea, in Panama und den Solomon-Inseln fündig.
RAFI fordert in Übereinstimmung mit einer großen Anzahl von nationalen Gesetzgebungen eine dreifache Einspruchsmöglichkeit gegen Patentansprüche: und zwar aus folgenden Gründen:
Der patentrechtliche Schutz von Genen oder Genteilen bietet eine ganze Palette von Profitmöglichkeiten, und eine dermaßen große Zahl an Gefahren in jedem Bereich der Gesellschaft, sodaß rechtlichen Neuerungen auf dem Gebiet besondere Bedeutung zukommt. Neben dem "US-Patent-and-Trademark-Office" ist das Europäische Patentamt eines der weltweit wichtigsten. Schließlich sind bereits über 10.000 Patente im Bereich Gentechnik/Biotechnik angemeldet.
Bereits im März 1995 hatte das Europäische Parlament erstmals eine Gesetzesvorlage zu den "Europäischen Biopatent-Richtlinien" abgelehnt, die es erlaubte, Gene, Pflanzen, Tiere und auch Teile des menschlichen Körpers zu patentieren. Allerdings schaffte es eine beispiellose Lobby-Kampagne der Pharmaindustrie - sie investierte laut eigenen Angaben mehrere Millionen ECU - die Abgeordneten innerhalb von zwei Jahren umzustimmen. So beschloß eine große Mehrheit im Juli 1997 eine neue Fassung der Patentrichtlinien, die im Inhalt mit der vor zwei Jahren abgelehnten fast ident war. Nach dieser Annahme und der ersten Stellungnahme des EU-MinisterInnenrates ging die weitere Beschlußfassung auf die "nationale Ebene" über: im EU-MinisterInnenrat mußten die Richtlinien noch einmal abgesegnet werden. Was im Großen und Ganzen im Herbst dann auch geschah. Besonders hingewiesen sei hier auf die österreichische Haltung: waren im Vorfeld von einigen österreichischen EU-ParlamentarierInnen noch massive Einwände gegen die Richtlinien erkennbar, was auch auf die große Zahl von UnterzeichnerInnen des Gentechnik-Volksbegehrens (1,2 Mio.) zurückzuführen gewesen sein dürfte, so stimmte der Wirtschaftsminister im entscheidenden MinisterInnenrat zugunsten seiner Lobby mit "Ja". In einer parlamentarischen Debatte zum Thema "Umsetzung von Volksbegehren", wird von Regierungsseite die Zustimmung zur Patentierung (obwohl deren Ablehnung Teil des Gentechnikvolksbegehrens war) praktisch ausgespart, wenn von einer Wortmeldung Maria Rauch-Kallats (ÖVP) abgesehen wird: "(es wurde behauptet,) daß die Volkspartei der Biopatentrichtlinie 'ohne Wenn und Aber' zustimmen würde (...). Das ist unrichtig. Tatsache ist, dass ich nie 'ohne Wenn und Aber' gesagt habe." (Abg. Langthaler: "Sie haben es gesagt; das ist sogar auf Tonband.")
Und das soll alles gewesen sein?
(Wenn wer mehr Interesse am Thema und insbesondere an
RAFI hat, und wenn die oder der dann auch noch eine Möglichkeit hat
ans Internet zu gelangen, so sei folgende Seite empfohlen: www.rafi.ca)
aus: TATblatt Nr. +93 (5/98) vom 12. März 1998
(c)TATblatt
Alle Rechte vorbehalten
Nachdruck, auch auszugsweise, nur in linken, alternativen
und ähnlichen Medien ohne weiteres gestattet (Belegexemplar erbeten)!
In allen anderen Fällen Nachdruck nur mit Genehmigung
der Medieninhaberin (siehe Impressum)