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Kuschelkurs:

Die Wiener SPÖ und der Rassismus

Die SPÖ versteht es seit Jahren eine Politik zu machen, die sich von den Forderungen der FPÖ inhaltlich nicht prinzipiell, sondern höchstens graduell unterscheidet, und sich trotzdem als so etwas wie das antirassistische Bollwerk gegen die FPÖ zu präsentieren. Beispiele für solch rassistische Politik sind die Weigerung, nichtösterreichischen StaatsbürgerInnen Gemeindewohnungen zu öffnen und sie an Wahlen auf Gemeindeebene teilnehmen zu lassen.

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Das Standardargument von SPÖ-PolitikerInnen gegen die Vergabe von Gemeindewohnungen an NichtösterreicherInnen lautet seit Jahren: "Die Leute wollen das nicht." Bürgermeister Häupl wird nicht müde, diesen Stehsatz anzubringen, weil es ihm an Argumenten fehlt, und erst vor wenigen Tagen gab der Wiener SPÖ-Klubobmann Hatzl von sich, daß "hinlänglich bekannt sei", daß die GemeindebaubewohnerInnen die Öffnung der Wohnungen für nichtösterreichische StaatsbürgerInnen "schlicht und einfach nicht wünschten". SPÖ-PolitikerInnen ist es offensichtlich wichtiger, die rassistischen Gefühle potentieller WählerInnen nicht zu verletzen als Menschen, die ihn Wien leben und durch ihre Steuern den Wohnbau genauso mitfinanzieren aber keinen österreichischen Paß haben, in Gemeindewohnungen einziehen zu lassen. In die Nähe welcher Maßnahmen sich die SPÖ mit dieser ordentlichen Wohnungspolitik begibt, ist ihr anscheinend egal, solange "die Leute das wünschen."

Ab 1938 wurden von den Nazis 2058 jüdische MieterInnen aus ihren Gemeindewohnungen delogiert. Nicht zuletzt, weil etliche der lieben NachbarInnen das so wollten. BewohnerInnen des Leopoldine-Glöckel-Hofs schrieben an die damals zuständige MA 21, daß sie sich "gegen ein Zusammenleben wehren", weil "es sich um eine derart unsaubere Familie handelt, deren Ungeziefer die benachbarten Wohnungen belästigt." Damals lautete der Kündigungsgrund "Nichtarier", heute lautet der Verweigerungsgrund "Nichtösterreicher". Eine Ausstellung mit dem Titel "Kündigungsgrund Nichtarier" fand vor kurzem in der Bezirksvorstehung Alsergrund statt und wurde von Caspar Einem eröffnet. Daß er in seiner Eröffnungsrede die SPÖ-Wohnungspolitik kritisiert hat, ist zu bezweifeln. Insgesamt wurden in Wien 70 000 Wohnungen von den Nazis "arisiert". Nach 1945 wurden ganze 100 Rückerstattungsanträge positiv erledigt.

Bürgermeister Häupl verfügt mittlerweile über ein zweites "Argument", das er verwendet, um gegen eine Öffnung der Gemeindewohnungen für alle in Wien lebenden Menschen zu wettern. In einem Standard-Artikel wird er folgendermaßen zitiert (wobei nicht 100%ig klar, aber sehr wahrscheinlich ist, daß er sich direkt auf die Frage der Öffnung der Gemeindewohnungen für NichtösterreicherInnen bezieht). "Ein kleiner Besuch in den Vororten von Paris zeigt, daß das zur Zerstörung des sozialen Wohnbaus führen kann." Damit tut er so als wäre nicht die französische Wohnungs- und Sozialpolitik oder die rassistische Klassengesellschaft an dem Elend der Banlieus schuld, sondern die EinwandererInnen. Für die Wiener Wohnungspolitik lautet Häupls Ziel "Dekonzentration". Mehr als die Hälfte der ZuwandererInnen lebt in sieben der dreiundzwanzig Wiener Bezirke und dort meist in den am schlechtest ausgestatteten Wohnungen. So leben z.B. 83% der TürkInnen in Wohnungen mit Gangklo, während 90% der ÖsterreicherInnen in Wohnungen mit Bad und WC wohnen. Gleichzeitig zahlen NichtösterreicherInnen trotz niedrigeren Einkommens im Schnitt viel mehr für ihre Wohnungen als ÖsterreicherInnen (NichtösterreicherInnen ATS 43,-/m2; ÖsterreicherInnen ATS 32,-/m2). Wie Häupl diesen Zustand ändern will, ohne NichtösterreicherInnen günstige Wohnungen anzubieten oder sie in diverse Förderprogramme einzubinden, bleibt ein Rätsel.

Kein Wahlrecht für Nicht-ÖsterreicherInnen

Ebenso wie gegen die Öffnung der Gemeindewohnungen wehrt sich die Wiener SPÖ seit Jahren gegen ein kommunales Wahlrecht für in Wien lebende AusländerInnen. Mit dem Beitritt zur EU wurden die SozialdemokratInnen gezwungen, zumindest EU-BürgerInnen auf Bezirksebene das Wahlrecht zu gewähren, ein Recht das in vielen anderen europäischen Städten schon seit langer Zeit existiert. Etliche EU-BürgerInnen haben gegen die Nichtzulassung bei den Gemeinderatswahlen 1996 rechtliche Schritte eingeleitet, weil sie der Meinung waren, daß ihnen nach EU-Richtlinien das Wahlrecht auf Gemeindeebene zusteht. Der zuständige Stadtrat Johann Hatzl argumentierte damals gegen ein Wahlrecht auf Gemeindeebene, indem er darauf hinwies, daß der Wiener Gemeinderat gleichzeitig Landtag und somit gesetzgebende Körperschaft sei, und das Recht gesetzgebende Körperschaften zu wählen, muß EU-BürgerInnen anscheinend nicht gewährt werden. Der Verfassungsgerichtshof hat unlängst die Beschwerden von EU-BürgerInnen über die Nichtzulassung zur Gemeinderatswahl abgewiesen. Nicht EU-BürgerInnen, ganz egal wie lange sie schon in Wien wohnen, dürfen nicht einmal auf Bezirksebene wählen. Was die Integrationsstadträtin Brauner vom kommunalen Wahlrecht für NichtösterreicherInnen hält, hat sie letztes Jahr beim ersten "MigrantInnengemeinderat" kundgetan: "Das polarisiert und bringt die Menschen auseinander."

Um das Thema "Wahlrecht für AusländerInnen" ein wenig beiseite zu schieben, schlägt die SPÖ jetzt "ZuwandererInnenbeiräte" vor. Es darf vermutet werden, daß es sich hier eher um eine taktische Maßnahme handelt, um die nichtrassistischen WählerInnen wieder etwas zu beruhigen. Wenn es der SPÖ nur um die Sache ginge, hätte sie nicht gemeinsam mit der FPÖ (im Gegensatz zur ÖVP), den zweiten von den Grünen organisierten "MigrantInnengemeinderat" boykottieren müssen. Bei einer Klubtagung Ende Februar in Rust wurde nun von der SPÖ ein Modell für "ZuwandererInnenbeiräte" beschlossen. Auf Bezirks- und Gemeindeebene sollen sieben bis fünfzehn Personen starke Beiräte beratend tätig sein. Für die Bestellung der Beiräte gilt das Listenwahlrecht. Parteien oder Gruppierungen sollen für zwei Wahlgänge (Bezirks- und Gemeindeebene) zugelassen werden, wenn KandidatInnen auf den Listen mindestens 50 Unterschriften pro Bezirk bzw. 300 auf Landesebene erhalten. Die Listen dürfen, was immer das auch konkret heißen soll, "nicht extremistisch sein", müssen den Grundprinzipien des Vereinsrechts entsprechen und sollen nach politischen und nicht nach nationalen Kriterien zusammengesetzt werden. Behandelt werden sollen nur kommunalpolitisch relevante Themen. Die BeiratsvertreterInnen sollen ein Rede- aber kein Beschlußrecht haben und an den Sitzungen der Gemeinderats-Fachausschüsse sowie der Bezirksvertretung teilnehmen dürfen. Aussagen von Integrationsstadträtin Brauner von Ende Jänner, wonach sie sich die erste Wahl der Beiräte für Herbst wünscht, sind offensichtlich nicht mehr aktuell. Derzeit spricht sie davon, daß sie sich "bewußt keinen zeitlichen Druck" machen will. Brauners Hinweis, daß die Beiräte kein Hindernis für ein kommunales Wahlrecht für AusländerInnen sind, war wohl deswegen notwendig, weil dieser Gedanke auf der Hand liegt.

VP-Vizebürgermeister Görg will über die Beiräte nur reden, wenn auch eine Öffnung der Gemeindewohnungen mitverhandelt wird, was die SPÖ in Schwierigkeiten bringen dürfte.

Die FPÖ hat die geplanten ZuwandererInnenbeiräte zum Anlaß genommen, eine aktuelle Stunde mit dem Titel "Überfremdung stoppen - Heimat bewahren" zu beantragen. Einige der FPÖ-Wortmeldungen, die dermaßen hinüber sind, daß sich wohl jeder Kommentar erübrigt: Durch die ZuwandererInnenbeiräte werde "Österreichern das Recht genommen, ihre Heimat zu gestalten" (Hilmar Kabas). "Sie sind es, die Kebabbuden und Chinarestaurants fördern. Wir retten die Wiener Hofstallungen." (Heinz Christian Strache) "Und das müssen unsere Kinder lesen ... Mißbrauch in den Schulen" (Derselbe über den Umstand, daß in Schulen auch fremdsprachige Texte verwendet werden). In ganzseitigen Inseraten in Wiener Bezirkszeitungen, die jeder Haushalt gratis zugestellt bekommt, wird Hilmar Kabas mit folgender Aussage zitiert: "Wehren wir uns gemeinsam gegen diese Politik von SPÖ und ÖVP und stoppen wir damit die Überfremdung. Damit uns Wien Heimatstadt bleibt." Das Modell der ZuwandererInnenbeiräte gibt und gab es in allen möglichen Varianten in vielen Ländern Europas. Konstruktiv sind sie aber meist nur dort, wo es auch ein kommunales Wahlrecht gibt, weil es nur so einen gewissen Druck gibt, die Vorschläge der Beiräte auch umzusetzen. In der Schweiz gibt es in einigen Städten Probleme, die Beiräte zu besetzen, weil die Alibifunktion zu offensichtlich ist und vielen NichtschweizerInnen ein Engagement sinnlos erscheint.


aus: TATblatt Nr. +93 (5/98) vom 12. März 1998
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