Öffentliche Förderungen für rechtsextreme Vereine sind in Österreich keine Seltenheit und verwundern angesichts des politischen Klimas hierzulande wohl keineN mehr. Erfreulich ist umsomehr, daß es junge Menschen gibt, die sich dagegen aussprechen und aktiv werden.
TATblatt; Quellen: Vorwärts, JRE, div. ÖTB-Publikationen
Der "Österreichische Turnerbund" (ÖTB) erhält jährlich
mehrere Millionen Schilling an öffentlichen Fördermitteln. Diskussion
löst dies nur selten aus. So z.B. in Wels, wo der Turnerbund trotz
zahlreicher Proteste weiterhin großzügig gefördert wird
- dies wohl nicht zuletzt aufgrund des sozialdemokratischen Bürgermeisters,
gegen den von Seiten der Sozialistischen Jugend aufgrund seiner fehlenden
Distanz zum rechten Rand schon einmal ein Parteiausschlußverfahren
angestrebt wurde. Bregartner ist immer noch BürgerInnenmeister von
Wels - und Sozialdemokrat. Die WählerInnenstimmen, die mit seiner
Person verbunden sind, waren der sich als antifaschistisch gebenden Partei
letztendlich doch wichtiger.
In Wien ist der ÖTB im Besitz mehrerer Turnhallen die meist noch aus der Zeit vor 1938 stammen. Diese stellt die TurnerInnenschaft, die für eine tägliche Turnstunde in Schulen eintritt, gerne Schulen zur Abhaltung des Turnunterrichtes zur Verfügung. Für den ÖTB ergeben sich dadurch zumindest zwei positive Aspekte. Einerseits kommen die SchülerInnen mit der rechtsextremen Organisation in Berührung - in manchen Fällen kommt es vor, daß SchülerInnen vom ÖTB als Mitglieder geführt werden und dessen Publikationen zugesandt bekommen. Andererseits kann dadurch ein großer Teil der anfallenden Betriebskosten aus öffentlichen Geldern finanziert werden.
Der "Erste Wiener Turnverein", Mitglied des ÖTB, erhält jährlich mehr als eine Mio. Schilling vom Stadtschulrat für Wien. 1978 wurden zusätzlich 3,7 Mio. Schilling zur Renovierung der Turnhalle in der Schleifmühlgasse zur Verfügung gestellt.
Für die SchülerInnen ist die rechtsextreme Gesinnung der TurnerInnenschaft nicht sofort ersichtlich. Nach außen hin versucht der ÖTB immer seriös zu wirken. Penibel wird darauf geachtet, daß Deutschlandfahne, Wimpel von "Gau-Turnfesten" oder die Bundesturnzeitung (BTZ) nicht unmittelbar auftauchen. Das vertretene Gedankengut ist aber auch in dieser Halle zu bemerken. Beitrittsformulare und andere Schriftstücke tragen eindeutige Slogans und die Hausfassade ist mit dem Spruch "Dem Deutschen kann nur durch Deutsche geholfen werden, Fremde Helfer bringen uns immer tiefer ins Verderben" verziert. Und genau darin liegt die Gefährlichkeit des ÖTB: Unpolitische Jugendliche kommen über permanente subtile Beeinflussung in den Dunstkreis von Deutschnationalismus und Rechtsextremismus.
Die SchülerInnen der Rahlgasse sind entschlossen, sich dagegen aufzulehnen. Sie verweigern bis auf weiteres den Turnunterricht in der besagten Halle. Dies führte u.a. dazu, daß der ÖTBler und Olympia-Burschengschaftler Helmut H. Anzeige gegen die Direktorin der Schule erstattete. Sie habe seiner Meinung nach durch "Nötigung" die SchülerInnen zu dieser Aktion gezwungen (Anzeige vom 13.2.98). Die InitiatorInnen der Kampagne sind jedoch eindeutig SchülerInnen, die ihre Kampagne gemeinsam mit "Jugend gegen Rassismus in Europa" (JRE) organisieren.
Die erste Reaktion des Stadtschulrates unter der Leitung von Kurt Scholz war die Aussage, daß mit dem "Ersten Wiener Turnverein" ein 50-jähriger Mietvertrag bestehe, welcher vor 20 Jahren abgeschlossen worden war. Mittlerweile wurde jedoch eine andere Strategie entwickelt, um sich der Angelegenheit zu entziehen. Die "Unruhegeister" aus der Rahlgasse werden demnach ab Ostern den ÖTB-Turnsaal nicht mehr benützen, was jedoch keine Kündigung des Vertrages bedeutet, da auch andere Schulen dort sporteln. Den Medien kann eine solche Lösung wohl besser verkauft werden, als den SchülerInnen, die sich dazu entschlossen haben, nicht bis Ostern zu warten. Anstatt in der ÖTB-Halle zu turnen, versuchen sie auf die Umstände hinzuweisen, die sie zu ihrer Entscheidung bewegten. Laut unseren letzten Informationen beteiligen sich alle Klassen des Gymnasium Rahlgasse am Boykott gegen den ÖTB.
Im Rahmen einer von JRE veranstalteten "antifaschistsichen Woche" zum
60. Jahrestages der Machtübernahme durch die Nazis in Österreich
an verschiedenen Wiener Schulen wurde auch der ÖTB thematisiert.
Der ÖTB sieht in seiner Arbeit nicht nur die Aufgabe der körperlichen Ertüchtigung. Sein Bestreben ist es, den "ganzen Menschen" zu erziehen: Körper, Geist und Seele. Dies leitet sich aus einer Ideologie ab, die vor fast 200 Jahren entstand und als eine der Brutstätten völkischen Denkens gewertet werden kann. Für Turnvater F. L. Jahn war Erziehung eine im Sinne "deutschen Volkstums". So stand bis vor kurzem noch in den Leitsätzen des ÖTB: "Jahnsches Turnen entspringt der deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft."
In diesem Sinne ist die Erziehungsarbeit des ÖTB zu sehen. Dem Turnen kommt dabei einerseits eine disziplinierende Funktion zu, Hintergrund der körperlichen Erziehung ist - zumindest historisch gesehen - jedoch die sog. Wehrhaftmachung des (deutschen) Volkes. Seine Breitenwirkung, MitgliederInnenzahl und lokale Verankerung brachten dem ÖTB die Bezeichnung als wichtigste Organisation des Deutschnationalismus und Rechtsextremismus in Österreich ein. Nicht zu Unrecht, sieht der ÖTB doch seine Aufgabe darin, bereits Kindern ein ideologisches Fundament mit auf den Weg zu geben. Die sogenannten DietwartInnen haben, wie ihr Name schon sagt, die Aufgabe, als "moralische Instanz" als "Hüter des Volkstums" zu agieren (diot, althochdt. für Volk, Anm.). So schreibt dies der ÖTB-NÖ in seiner Jugendzeitschrift Jahnbote (Nr. 23/Feb. 94). Und warnt in diesem Sinne vor: "Geburtenrückgang, Singledasein, 90 000 bis 100 000 Abtreibungen pro Jahr, Verfall von Werten und Sitten, Überfremdung ..., Ausuferung der Kriminalität, Förderung von abartiger Kunst ..." (ebd.) Diese Aufzählung entspricht nicht nur der Politik des ÖTB, sie weist auch deutlich auf dessen Traditionslinien hin. Galt der Vorläufer des ÖTB, der "Deutsche Turnerbund 1919" doch als einer der Wegbereiter der Machtübernahme durch die Nazis vor 60 Jahren, eine Tatsache, die nicht grundlos immer wieder ausgeblendet oder anders dargestellt wird.
Anfang der 80er-Jahre war für ein Wiener Gericht aufgrund der "Schreibweise
der Bundesturnzeitung im Sinne des Nationalsozialismus und Faschismus,
also auf eine neofaschistische Schreibweise" zu schließen. Seit damals
hat der ÖTB seine öffentliche Argumentation sehr wohl verändert
- und gleichzeitig das Verbotsgesetz immer wieder als Meinungsdiktatur
dargestellt. Doch warum?
Wenn der Ehrenobmann des ÖTB, Werner Pfannhauser, schreibt: "Jahn
ist unteilbar!" (BTZ 6/96), sollte er als Kenner der jahnschen Schriften
wissen, daß die Ideologie des Turnvaters eine der WegbereiterInnen
des Nationalsozialismus ist. Gezeichnet durch seinen Haß gegen die
"Verwälschung" (1) der Deutschen hetzte er nicht
nur gegen die "Franzosen", sondern auch gegen Juden und Jüdinnen wenn
er schrieb: "Je reiner ein Volk, je besser; je vermischter, je bandenmäßiger."
Rassismus ist eine der Grundlagen der völkischen Ideologie Jahns.
Eine Ideologie, die sich leider bis heute fortgesetzt hat.
Stefan Birek, seit 1993 Schriftleiter des ÖTB, warnte in seinem ersten Leitwort für die Bundesturnzeitung (BTZ) vor einer "Polarisierung der politischen und gesellschaftlichen Kräfte um ein Volksbegehren zu Wanderbewegungen und dem Verhältnis der Österreicher zu Ausländern im Inland." (Gemeint wird hier das Anti-"Ausländer-Volksbegehren" der F, Anm.) Wohl im Sinne der Leitsätze des ÖTB in denen es u.a. heißt, "für die Erhaltung, Pflege und Förderung des deutschen Volkstums" einzutreten. "Der ÖTB erachtet es als seine Pflicht, die Heimat zu verteidigen sowie Natur und Umwelt zu schützen."
Für Jahn war Erziehung "der Menschheit Edelstein, nur den Auserwählten war sie zu teil, allgemein war sie noch niemals." (Deutsches Volkstum, S. 89) Wenn der ÖTB die Jugend darüber aufklärt: "Treue erweist sich als der germanische Wesenszug schlechthin", dann stellt er das deutsche Volkstum auf eine "höhere" Stufe. Und so wird dem Rassenideologen H. St. Chamberlain das Wort erteilt: "Der Neger und der Hund dienen ihrem Herren, wer es auch sei: das ist die Moral der Schwachen (...) der Germane wählt sich seinen Herrn, und seine Treue ist daher die Treue gegen sich selbst: das ist die Moral des Freigeborenen." (zit. nach Jahnbote Nr. 7/Dez. 90) Es verwundert also nicht, wenn Herr Ekkehard Lenthe in der ÖTB-Jugendzeitschrift zum Schluß kommt: "'Am deutschen Wesen wird die Welt genesen': am deutschen Wesen, das TREUE heißt und dessen die Welt so dringend bedarf, wie nie zuvor." (ebd.)
Der ÖTB präsentiert sich als "Heimattreu - weltoffen", und Bruno Burchhart, langgedienter Bundesdietwart im ÖTB, warnt in der BTZ (7/94) davor, daß "überreichlich fremde, ferne Eindrücke über die Massenmedien auf jeden eindringen". Ihm geht es um die Vermittlung von "Liebe zu Heimat, Volk und Vaterland". Doch was heißt Heimat für den ÖTB?
Die Erziehungsarbeit des ÖTB soll heimatbewußte, vaterlandstreue und mutterliebende Menschen hervorbringen. Die Anstrengungen dafür sind groß. Regelmäßig werden Jugendlager abgehalten. Den Burschen und Mädchen, meist in getrennten Lagern, wird dabei sowohl eine turnerische als auch eine ideologische Schulung dargebracht. So kommt für Burschen neben Leichtathletik und Turnen "noch das typische Lagerleben mit Lagerfeuer, Grillen, Nachtwache und vielen anderen Dingen" (ÖTB-Werbefolder, 1996) wie z.B. Orientierungsmärschen hinzu. Eine gewisse militärische Ausbildung ist hier wohl nicht von der Hand zu weisen. Interessanterweise fehlen in der Bewerbung des Mädchenlagers diese militärischen Aspekte.
Als "ideologische Schulung" kann wohl ein Teil des Herbstlager 1993 in Niederösterreich bezeichnet werden. Der Begriff "Karriere" wurde von den Teilnehmern(Innen?) "bei Kerzenschein und flotter Musik erarbeitet". Ein Auszug aus dem Ergebnis, abgedruckt im Jahnboten (Nr. 22/Dez. 93) spricht für sich: "Viele Frauen bringen heutzutage das Wort Karriere in Zusammenhang mit Emanzipation. Sie können sich nicht vorstellen, daß man Selbständigkeit im Beruf und Familie miteinander vereinen kann. Die Aussage 'Frauen gehören hinter den Herd' finde ich allerdings nicht notwendig. Doch gewisse Aufgaben kann halt nur eine Frau erledigen und die sollte sie auch wirklich erfüllen."
Immer wieder zeigt die rechtsextreme Erziehung Wirkung, wie z.B. im
Fall Jörg H., der als wohl berühmtester lebender Turnbruder in
Österreich bereits mit 16 Jahren als Sieger des Redewettbewerbes beim
Bundesturnfest in Innsbruck hervorging. Dort wurde er vom damaligen FP-Chef
Peter entdeckt. H's Referat hatte den bezeichnenden Titel: "Sind wir Österreicher
Deutsche?". So wie der heutige F-Führer machten und machen viele RechtsextremistInnen
ihre ersten Erfahrungen mit Gedankengut im Geiste Jahn's beim ÖTB.
aus: TATblatt Nr. +94 (6/98) vom 26. März 1998
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