TATblatt


Prozess:

Brandanschlag in Wels

Nicht nur in Solingen, Lübeck und zahlreichen anderen deutschen Städten forderten Brandanschläge gegen MigrantInnen und Flüchtlinge bereits Tote. Auch in Österreich wurde im Mai 1997 ein 30jähriger Mazedonier Opfer eines neonazistisch motivierten Brandanschlages. Der Tatort war einmal mehr Wels, eine Stadt in Oberösterreich, die in den letzten Jahren immer wieder wegen brauner Umtriebe bis hinauf in die politischen Spitzen ins Gerede gekommen war.

Autonome Antifa Wels

In der Nacht vom 16. auf den 17. Mai 1997 verübte der 16jährige Neonazi Markus W. einen Brandanschlag auf ein von MigrantInnen bewohntes Haus in der Porzellangasse 38 (Stadtteil von Vogelweide). Die Folgen waren katastrophal. Das Feuer griff schnell um sich und der Brand verwandelte das Treppenhaus, den einzigen Weg ins Freie, in einen lodernden Kamin. Die BewohnerInnen - darunter auch zahlreiche Kinder - sahen sich gezwungen, aus den Fenstern zu springen oder kletterten auf das Dach, um sich von der Feuerwehr retten zu lassen. 11 Personen wurden dabei zum Teil schwer verletzt. Für den 30jährigen Mazedonier Shukri Arifi wurde dieser Abend zu seinem letzten in Österreich. Er verbrannte in den Flammen des Dachgeschoßes.

Im Juni 1997 kam W. wegen unbefugter Inbetriebnahme eines Autos auf die Polizeiwache und wurde dort auch zu dem Brand in der Porzellangasse 38 "befragt". Nach anfänglichem Leugnen gab er den Brandanschlag zu.

Die Welser Polizei versuchte daraufhin den politischen Hintergrund des Anschlages zu vertuschen und lies via Medien verbreiten: "Ausländerhaß scheidet als Motiv für die Brandlegung einwandfrei aus" (Welser Rundschau v. 19.6.97) - Dies zu einem Zeitpunkt, als W. seine "rechte Gesinnung" und seinen Haß auf sog. "Wirtschaftsflüchtlinge" bereits bekundet hatte! (Polizeivideo v. 14.6.97). Die Polizei mußte also sehr wohl über den politischen Hintergrund der Tat Bescheid gewußt haben, nicht zuletzt auch deswegen, weil sie schon am 14. Juni 1997 parallel zu W. zwei rechtsradikale Skinheads aus der sog. Vogelweider "Spielplatzszene" vernommen hatte.

Es gibt nur zwei Möglichkeiten, die diese Vertuschungspolitik der Welser Polizei erklären können: entweder wollte sie der Stadt Wels, die aufgrund der Vorkommnisse der letzten Jahre bereits ein dunkelbrauner Mief anhaftet, einen weiteren Imageverlust ersparen - oder aber sie hält Neonazis für unpolitische BürgerInnen.

Eine andere Einschätzung besitzt zumindest die Justiz. Ende Februar 1998 wurde W. vor einem Welser Jugendgeschworenengericht der NS-Wiederbetätigung mit tödlicher Folge für schuldig befunden. Das Urteil: 6 Jahre wegen NS-Wiederbetätigung mit tödlicher Folge. Davon 2 Jahre unbedingt und 4 Jahre bedingt auf 3 Jahre. Abzüglich einem halben Jahr Untersuchungshaft kommt W. somit in 18 Monaten wieder frei.

Für die Witwe und die kleine Tochter des umgekommenen Shukri Arifi gab und gibt es hingegen weder von Seiten der Stadt, noch vom Land oder dem Bund Hilfe irgendwelcher Art, keine Worte des Bedauerns, keine finanzielle Unterstützung. Erst auf eine Kampagne der "Welser Rundschau" hin signalisierten einige privaten Initiativen Unterstützungsbereitschaft, was von der Rundschau promt als "Hilfswelle" hochstilisiert wurde. Geradezu beschämend mutet in diesem Zusammenhang die Verlautbarung der bürgerlichen "Initiative Welser gegen Faschismus" an, ein Spendenkonto einzurichten. Mensch bekommt den Eindruck, daß diese Aktivitäten vor allem einem Zweck dienen: der Beruhigung des eigenen Gewissens bzw. der bloßen Aufrechterhaltung des Bildesvon einer sog. humanen Öffentlichkeit. Wie wenig dies mit der alltäglichen Realität in Einklang ist, bleibt ausgeklammert. Aktives Handeln und entschlossens Eintreten gegen alle faschistischen Umtriebe in der Region Wels sucht mensch auf der bürgerlichen Seite vergeblich. Im Gegenteil: dort übt mensch sich vor allem in Denunziationen gegen "autonome Jugendliche".

Daß aber die verstärkte Formierung neonazistischer Gruppen in ganz Österreich im Kontext einer sich immer weiter nach rechts bewegenden Gesellschaft steht, sollte dabei gerade in Wels jeder und jedem klar sein. Als exemplarisch kann betrachtet werden, wie mensch in Wels mit dem Holocaust umgeht. So wurde eine Gedenktafel in Erinnerung an die ermordeten Welser Jüdinnen und Juden an der Außenwand einer öffentlichen Toilette (!) angebracht. Dem nicht genug, wurde das Mahnmahl in den letzten Wochen zweimal mit schwarzer Farbe geschändet.

Auch ist es auffallend, daß in Wels das freundschaftliche Verhältnis mancher SP-Spitzen zu Neonazifinanziers und rechtsradikalen Cholerikern ohne Konsequenzen bleibt. Die Subvention eines ÖTB, die Duldung eines rechtsextremen Vereins "Dichterstein Offenhausen" und die Menschenjagden gegen Flüchtlinge am ÖBB-Terminal Wels passen da nur allzugut ins Bild.
 
 

Am Samstag, den 2. Mai 1998 findet in Wels am späteren Nachmittag eine antifaschistische Demonstration statt. (genaueres wissen wir leider noch nicht)
Terminlich fällt dies mit der mittlerweile alljährlichen Demo gegen den Dichterstein zusammen. So soll der Zusammenhang zwischen  rechtsextremen SchreibtischtäterInnen, rassistischen Gesetzen und den Menschenjagden im Bereich des Welser Verschubbahnhofes als Folge dieser aufgezeigt werden.


aus: TATblatt Nr. +95 (7/98) vom 9. April 1998
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