TATblatt
Die europäischen Rechten, und vor allem die, die sich gerne mit
dem Anstrich "Neue" Rechte versehen, haben bei ihrem Versuch in weitere
Gesellschaftsschichten einzudringen, 2 große Probleme: Zum einen
fehlen ihnen die Theoretiker, vor allem seitdem sie sich nicht mehr offen
auf diverse Nazigrößen berufen können und wollen. Zum anderen
ist auf dem Fundament einer starken nationalen Ausrichtung oft nur schwer
ein internationaler, ja sogar ein europäischer Zusammenhang und Zusammenhalt
herzustellen. Zahlreiche nationale Organisationen, die heute als Wegbereiter
der "Neuen" Rechten gelten, sind tatsächlich daran gescheitert, diesen
Widerspruch zwischen völkisch-nationaler Ausrichtung und dem Anspruch
ein "Großreich Europa" zu schaffen, gescheitert. Eine von ihnen -
GRECE - war bereits 1968 gegründet worden und sah als ihre wichtigste
Aufgabe die Entwicklung einer Europaideologie. Doch bereits die Zusammensetzung
der Gründungsmitglieder ließ die Gruppierung als fast rein französische
Angelegenheit scheitern. Dennoch ist es nicht überraschend, daß
genau aus diesem Eck nun ein weiterer Vorstoß unternommen wird: die
Gründung der Synergies Européennes unter anderem durch führende
Mitglieder von Grece. Seit der Gründung im Jahr 1993 sind die Rechten
vor allem im organisatorischen Bereich um einiges weitergekommen. Nicht
nur altgediente Kader des Grece und diesem nahestehende europäische
Strömungen haben sich den Synergien inzwischen angeschlossen. Auch
zahlreiche Aktivisten nationaler Gruppierungen süd- und westeuropäischer
Länder haben inzwischen bei den Synergies Européennes ihr Zuhause
gefunden. Ländersektionen existieren mittlerweile in Frankreich, Belgien,
Schweiz, Spanien, Portugal, Italien, Deutschland, Litauen, Lettland, Rußland,
Kroatien und Serbien, Stützpunkte gibt es bisher in Polen, Griechenland,
Ungarn und Österreich. Das angesprochene Treffen soll offensichtlich
auch dazu dienen die österreichischen Rechten hier vermehrt einzubinden.
Das Evola-Seminar wird in enger Zusammenarbeit mit der Wiener akademischen Burschenschaft Olympia durchgeführt. Außer zwei Referenten aus Italien und Ungarn wird der Generalsekretär der Synergies Européennes, der Belgier Robert Steuckers dort auftreten, sowie der Wiener Martin Schwarz, der im vorliegenden Folder avantgardistisch als multimedialer Julius-Evola-Exeget bezeichnet wird. Hinter dem Pseudonym Martin Schwarz verbirgt sich der wiener Philosophiestudent Robert S., der u.a. in der Dark-Wave-Szene in Erscheinung tritt und für die mystisch-esoterischen Zeitschriften Sigill (Dresden) und Aorta (Wien) schreibt. Über diese Druckwerke wird versucht, sog. neurechte Inhalte in die Gruftibewegung einfließen zu lassen.
Neben der Burschenschaft treten "Synergon Österreich" sowie die Deutsch-Europäische Studiengesellschaft auf.
Während sich Synergon Österreich also anscheinend erst richtig
im Begriff ist zu formieren, wurde die deutsche Sektion schon im Herbst
1995 ins Leben gerufen. Durch Synergons Tätigkeiten in Italien, Frankreich
und eben auch Deutschland läßt sich der theoretisch-ideologische
Background dieser Gruppe etwas erhellen.
Das Charta genannte Programm stützt sich vor allem auf die ökonomische
Krise, eine vermeintliche gesellschaftliche Dekadenz und eine angebliche
imperialistische Bedrohung durch die USA, wobei besonders dem Begriff des
Imperialismus eine kulturelle Kategorie zugeordnet ist. Besonders egalitäre
Positionen, sowie Gedanken zu universell gültigen Menschenrechten
werden dabei imperialistisch etikettiert. Das ganze wird dann noch gut
durchmischt mit einem Schuß Ökofaschismus, Esoterik und sogenannter
"Heiden"bewegung, dazu noch etwas Sozialpatriotismus und Kapitalismuskritik,
solange es um "vaterlandsloses" Kapital geht. Daß das ganze ernst
zu nehmen ist, zeigen vor allem die jährlichen Sommer- und Winteruniversitäten,
zu denen bekannte "Größen" des Rechtsextremismus vor gar nicht
kleinem Publikum auftreten. So kamen beispielsweise 200 TeilnehmerInnen
1996 in die Lombardei und lauschten den rund 40 ReferentInnen, darunter
auch zahlreichen ProfessorInnen aus Frankreich und Italien. Bei der fast
gleichzeitig stattfindenden Deutschen Sommeruniversität trat
ein breites Spektrum rechter Vordenker auf: vom Philosophieprofessor Reinhart
Maurer, über Autoren bei "Junges Forum" bis hin zu Horst Mikonauschke,
Berater des NPD-nahen Deutschen-Arbeitnehmer-Verbandes und dem DESG-Funktionär
Klausdieter Ludwig. Außerdem referierten noch der als antisemitisch
eingestufte Neonazi Reinhold Oberlechner aus Hamburg, Stefan Ulbrich von
der Wiking-Jugend und Alfred Mechtersheimer (selbsternannter "Streiter
für eine neue Deutschlandbewegung").
Die DESG gehört zu den ältesten Organisationen der sog. Neuen Rechten und gibt die "neurechte" Zeitschrift Junges Forum heraus mit Sitz in Hamburg. Zahlreiche Vordenker der sog. Neuen Rechten publizierten im JuFo, und besonders in den 70er Jahren hatte die Zeitschrift einen erheblichen Einfluß auf die neofaschistische "Intelligenz". Ideologisch waren DESG und JuFo besonders vom Solidarismus u.a. Ideen von Otto Strasser geprägt. Lothar Penz, Gesellschafter der DESG, prägte diese Orientierung besonders, erkannte auch schon früh die Bedeutung der Ökologiebewegung und versuchte mit einer von Solidaristen aufgebauten Grünen Liste Umweltschutz frühzeitig diese Bewegung von rechts zu infiltrieren.
Außerdem prägte der von Henning Eichberg entwickelte Ethnopluralismus und die damit verbundene Europakonzeption, das Abstand von abgeschlossenen Nationalstaaten nimmt, stark die Ideologie der DESG. Schon der Name drückt aus, daß sich die Hamburger Gesellschaft auf das Konzept der europäischen Waffen-SS bezieht. In dieser Tradition standen auch Seminare der DESG, welche sie bis 1993 unter dem Namen "Denkfabrik Europa der Völker" durchführte.
Durch die Zusammenarbeit mit "Synergon Deutschland" konnte die DESG
mit ihrem überalterten Mitgliederstamm jüngere Mitarbeiter für
ihre publizistischen Tätigkeiten gewinnen. Außerdem eröffnen
sich für die DESG nunmehr Kontakte zur europäischen Rechtsextremismusszene.
Für "Synergon Deutschland" bzw. die "Europäischen Synergien"
ergibt sich durch die Mitarbeit an den Schriften der DESG eine Publikationsplattform
für ihr Gedankengut. Die Zusammenarbeit beider Organisationen ist
ein weiterer Versuch, "neurechte Denkzirkel" zu vernetzen.
Der italienische Faschist Julius Evola kann wegen seiner kulturpessimistischen und antiliberalen Ansichten ohne Umschweife der Konservativen Revolution zugerechnet werden und wird von der "Neuen" Rechten häufig als Vordenker beansprucht. An die Stelle wissenschaftlicher Erkenntnisse, die er nicht akzeptiert, setzt er pseudoreligiöse Enstehungsmythen. Evolas Texte sind kaum verständlich, und Sätze wie die folgenden finden sich auf jeder Seite seines Hauptwerks "Erhebung wider die moderne Welt": "Als die nordische Rasse an diesem Pol (und Evola meint tatsächlich den Nordpol) ihren Ursitz hatte, war das Symbol Wirklichkeit und die Wirklichkeit Symbol, worin Geschichte und Übergeschichte zwei ungeschiedene Teile darstellten, ... So geht es weiter und endet mit der zentralen Quelle der verschiedenen Ausdrucksformen dieser Tradition in anderen Rassen und in späteren und schon niederen Kulturen....
Martin Schwarz, österreichischer Vertreter beim 100-jährigem Evola-Gedenktag, meint schlicht: "Evola stellt sich gegen die gesamte moderne Welt, er steht auf dem Boden der 'Tradition'. Tradition heißt bei ihm: Hierarchie, Form, Männlichkeit, Transzendenz, Autorität, Souveränität."
Wichtig an Evola dürfte aus heutiger rechtsextremer Perspektive sein, daß er sich unverfänglich zitieren läßt. Evolas Rassenlehre ist in einer Weise symbolisch überladen, die sie im Gegensatz zu Hitlers biologischem Rassismus unschuldig-naiv wirken läßt. Allerdings scheint sie nahe genug am Nationalsozialismus, um von dessen Nachfolgern akzeptiert zu werden.
Gerade dieses Muster ist es, daß die ideologische Seite der "Neuen"
Rechten so ungreifbar sein läßt, und vielleicht auch oft nicht
wichtig genug scheinen läßt, dagegen aufzutreten. Aber wie war
das doch gleich mit den Anfängen?
aus: TATblatt Nr. +98 (10/98) vom 22. Mai 1998
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