BANG!, TATblatt
Das Grab des "Unbekannten Soldaten" dient als Symbol für Krieg.
Es steht für all jene Soldaten, die im Krieg ihr Leben fanden, deren
Namen jedoch nicht bekannt wurde. Also symbolisiert es das Heer vaterlandstreuer
Männer, deren Namen sich nicht auf einem der zahlreichen Kriegsdenkmäler
befinden, die überall in Österreich - wie auch in Deutschland
- aufgestellt sind. Der Spruch von der "Treue bis nach dem Tode" kann im
Sinne völkischer Ideologie nur dann erfüllt werden, wenn die
Toten und ihre Taten in Erinnerung gehalten werden. Das Gedenken am Grab
des "Unbekannten Soldaten" im Burgtor stellt demnach eine Ehrung all jener
Namenlosen dar, die ihr Leben für völkische Ideale gaben. Daß
im Zuge dessen alle TäterInnen in Erinnerung bleiben sollen, ist klar.
Der Ritus, den derartige Feiern darstellen, bildet die Klammer von Geschichte
und Gegenwart - denn eines steht fest: Kamerad ist wieder (jederzeit) bereit,
mit der Waffe in der Hand für Volk und Vaterland zu kämpfen und
zu sterben. Der Treue ist mann sich gewiß. Im Moment seien die Umstände
nicht geeignet, diesen Kampf mit der Waffe zu führen, wie der Festredner
am 8. Mai es ausdrückte, doch beweist ein Blick auf den Südtirolterror
Ende der 50er-Jahre, bei dem die Tötung von Menschen bewußt
in Kauf genommen wurde, klar, wohin die völkische Zuspitzung des Deutschnationalismus
führt: Zum "Einsatz für das bedrohte Grenzlanddeutschtum" (Olympia).
Am 8. Mai wurde mit erhobenem Säbel eben diese Bereitschaft erneuert
- mann sei bereit, für völkische Ideale zu kämpfen. Klarer
kann eine Aussage wohl nicht ausfallen.
Doch es bedarf keinen Rückblick auf die vergangenen Jahrzehnte, um sich des bewaffneten Kampfes für das "deutsche Volk(stum)" zu erinnern. Der Bombenterror der Bajuwarischen Befreiungsarmee, der bereits vier Todesopfer und zahlreiche Verletzte forderte, ist gegenwärtig und zeigt diese Bereitschaft sehr deutlich. Zwar wird kolportiert, bei dem mutmaßlichen Bombenbauer Franz Fuchs handle es sich um einen Einzeltäter, doch ist diese Theorie sehr unglaubwürdig. Der "Volks-tumskampf" an den Grenzen Österreichs - implizit des "groß-deutschen Reiches" - ist Teil jener Bestrebungen, das Konstrukt einer "deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft" zu bilden bzw. zu festigen.
Und hier laufen die Fäden zusammen. Am Beginn der Ermittlungen zu den Briefbomben wurde mit Franz Radl keine unbedeutende Person verdächtigt. Als VAPO-Kader und Mitglied der Burschenschaft Teutonia stellt(e) er eine der Verbindungen der militanten Neonaziszene zum akademischen Rechtsextremismus dar. Von der Vermutung der Mittäterschaft in Sachen Briefbombenterror wurde er freigesprochen, für eine Verurteilung wegen Wiederbetätigung im Sinne des NS reichte die Anklage trotz aller Pannen bei den Ermittlungen allemal.
Die Rolle der Burschenschaft Teutonia als Bindeglied zur Neonaziszene darf auch nach dem Ausscheiden Franz Radls aus dem Lebensbund nicht unterschätzt werden. So wird die ARGE 1848, die die burschenschaftlichen Veranstaltungen anläßlich des Gedenkjahres der "bürgerlichen Revolution" organisiert, von der Burschenschaft Teutonia angeführt.
Mit der Burschenschaft Olympia und dem Wiener Akademischen Turnverein (WAT) haben zwei weitere Speerspitzen der völkischen Bewegung ihre Finger im Spiel. Der WAT veranstaltete im letzten Jahr die Gedenkveranstaltung zum 8. Mai. Heuer war dessen Verbindungshaus Treffpunkt für die deutschnationale Kundgebung am Heldenplatz (wohl auch aufgrund der günstigen Lage gegenüber der Universität).
Der WAT ist Mitglied des rechtsextremen Österreichischen Turnerbundes (ÖTB), der bei deutschnationalen Veranstaltungen selbst nie fehlt. In seinen Publikationen werden diese meist groß beworben - so findet sich eine Anzeige zum "Revolutionskommers" in der Bundesturnzeitung. Außerdem bestehen zahlreiche personelle Überschneidungen zwischen Burschenschaften und ÖTB. Der Burschenschafter Hans Göttl (Alemannia Graz) z.B. ist gleichzeitig Obmann des ÖTB Steiermark. Ihm wurde im Rahmen einer Gedenkveranstaltung der ARGE 1848 zur Erinnerung an die Märzrevolution 1848 am 13. März - Tag des "Anschlusses" Österreichs an Nazideutschland vor 60 Jahren! - die Aufgabe zuteil, eine "feurige Rede" (Zur Zeit 12/98) zu halten. Dabei "mahnte (er), das Erbe und den Geist der 1848er zu wahren." (ebd.) Mit Erbe hat er wohl die Sehnsucht nach einem Großdeutschen Reich gemeint. Vor einigen Jahren wollte er mit "Kleinstaaterei" aufräumen und fragte rhetorisch: "Wo ist es denn unser Vaterland, das wir besingen? Von der Maas bis an die Neiße? Oder Oder? Oder Memel? Was wäre dann mit jenen Deutschen an der Etsch, Donau, Bega, Timisch, Wolga usf.?" Für ihn gingen die am Burschentag der Deutschen Burschenschaft 1991 in Eisenach beschlossenen Forderungen scheinbar nicht weit genug. Der Rechte Rand (Sonderheft "Der deutsche Ritt nach Osten", Nr. 2, Sept. 1997) faßte diese sinngemäß zusammen:
1. Ausübung der Schutz- und Fürsorgepflicht für die 'deutsche Volksgruppe' in der Republik Polen durch die BRD.
2. Anerkennung der völkisch als "deutsch" definierten Polen als Gruppe.
3. Gewährung besonderer Volksgruppenrechte, nicht nur für die als deutsch definierten Polen, sondern auch für die sog. Vertriebenen.
4. Autonomie bezüglich der Sprache, Kultur und Religion, aber auch in Bezug auf Steuern, Wirtschaft- und Sozialpolitik.
Die Durchsetzung solcher Beschlüsse würde das bestehende Land, in diesem Falle Polen, vollständig destabilisieren, schließt der Rechte Rand.
1996 spitzte sich dieser Diskurs innerhalb der DB weiter zu, als einige gemäßigte Verbindungen nach der Wahl der Olympia zur Vorsitzenden des Dachverbandes diesen unter Protest verließen. Als Grund nannten sie, die B! Olympia hätte gefordert, "Österreich und Teile Polens in die Wiedervereinigung Deutschlands miteinzubeziehen." (zit. nach DÖW: Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus, Wien 1996)
Den Burschenschaften, die einen volkstumsbezogenen Nationsbegriff vertreten, geht es um die Einheit aller Deutschen - wer dazu gehört, bestimmen sie. Und sie sprechen sich deutlich aus gegen die momentanen Grenzen, wie z.B. der Olympe und freiheitliche Nationalratsabgeordnete Martin Graf im Spiegel 24/97: "Die heutigen Staatsgrenzen wurden willkürlich gezogen; das deutsche Volkstum muß sich frei entfalten können." Es kann deshalb nicht verwundern, daß am 8. Mai vor der "aufgezwungenen multikulturellen Gesellschaft" gewarnt und das "Selbstbestimmungsrecht der Völker" gefordert wurde. Und hier ist die Verbindungslinie zwischen 1848 und 1938 zu sehen. Denn 1848 war, so die Burschenschaften, der Traum vom "großdeutschen Reich" die Triebfeder der Revolution. Chefideologe Andreas Mölzer empfiehlt in Zur Zeit (Nr. 8/98), "sich anhand des Jahres 1848 endlich mit einem Datum zu identifizieren, welches nicht mit Völkermord und Diktatur gleichgesetzt wird." Und kritisiert: "Der vor 60 Jahren erfolgte Anschluß des Landes an das Deutsche Reich wird da von freiheitlicher Seite tunlichst ausgeblendet, obwohl der historische Kausalzusammenhang zwischen 1848 und 1938 eher Anlaß für Diskussion und Nachdenken sein müßte. die unvollendete demokratische Revolution von 1848 mit dem romantischen Traum von der gesamtdeutschen Republik und der 90 Jahre später vollendete großdeutsche Machtstaat unter totalitärem Vorzeichen haben natürlich miteinander zu tun. Traum und Tragödie sind nicht von einander zu trennen."
Am 8. Mai 1945 ging dieser Traum zu Ende. Die Burschenschaft Olympia sieht diesen Tag bis heute als "totale Niederlage" (Wahr und Treu, S.79). Und in diesem Zusammenhang ist das immer wieder geforderte "Selbstbestimmungsrecht der Völker" zu sehen. Die Aula stellte 1988 in der Sonderausgabe "1938. Lüge und Wahrheit. Weder Opfer noch Schuld" fest, "daß der Anschluß Österreichs einen Paradefall für die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts der Völker darstellt, und Österreich durch ihn rechtswirksam Bestandteil des Deutschen Reiches wurde."
Doch die Burschenschaften stehen nicht isoliert da. Nicht nur sie legen
Kränze am Grabe des "Unbekannten Soldaten" nieder. Auch jene des Generalinspekteurs
der deutschen Bundeswehr und der ÖVP zier(t)en das symbolische Grab.
In den letzten Jahren waren die rechtsextremen Feiern anläßlich der militärischen Niederlage Nazideutschlands in Form der Kapitulation der Wehrmacht ohne antifaschistischen Widerstand über die Bühne gegangen. Für heuer wurde eine Gedenkveranstaltung zum "53. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus" für den 8. Mai angesetzt, um den Kameraden den Zugang zur Universität Wien und dem in deren Aula befindlichen antisemitischen Schandmal Siegfriedskopf zu verwehren. Die Burschenschaften verzichteten in der Folge darauf und begaben sich in "geordneter" Formation (nahezu 30 bewaffnete Burschen begleitet von rund 30 weiteren und ca. sechs (!) Exekutivbeamten) zum Heldenplatz, um dort ihr Totengedenken abzuhalten. 30 bis 35 AntifaschistInnen folgten ihnen. Der Erfolg dieser Aktion lag nicht nur darin, daß Aufmerksamkeit auf das rechtsextreme Treiben erzeugt wurde, es konnte auch die Wirkung des symbolischen Aktes, welche eine wichtige Funktion innerhalb rechtsextremer Praxis hat, geschwächt werden.
Die Aktion kann jedoch nur als Teilerfolg betrachtet werden. Die Veranstaltung wurde nicht verhindert und in der Folge kam es zu zwei vorübergehenden Festnahmen. Die Polizisten zeichneten sich durch ihr aggressives Auftreten aus und griffen die zur Universität zurückgehenden AntifaschistInnen an. Sie zeigten sich sichtlich überfordert, da die Verstärkung inoffiziellen Gerüchten zufolge im beginnenden Freitagnachmittagsverkehr steckte. Den Festgenommenen wurde nicht nur das ihnen rechtlich zustehende Telefonat verwehrt, sie wurden auch fünf Stunden festgehalten. Vor dem Kommissariat wartenden AntifaschistInnen wurde die Kontaktaufnahme mit den Inhaftierten verweigert.
Ein weiteres Manko der Aktion stellte der Umstand dar, daß keine Flugblätter vorhanden waren, die herumstehende PassantInnen und TouristInnen über den Inhalt des rechtsextremen Gedenkfeier aufgeklärt hätten.
Die größte Kritik richtet sich in diesem Zusammenhang an die OrganisatorInnen der Veranstaltung, dem KSV in Kooperation mit der ÖH. So wurde die Konzeption der Veranstaltung von vornherein nur auf universitären Boden beschränkt, eine tatsächliche Verhinderung der rechtsextremen Feierlichkeiten zum 8. Mai, den die korporierten Verbände nach wie vor als Niederlage auffassen, nicht ins Auge gefaßt. Als die Burschenschafter - wie schon im Vorhinein vermutet werden konnte - zum Burgtor marschierten, forderten die VeranstalterInnen der Gedenkkundgebung in der Uni die anwesenden AntifaschistInnen dazu auf, die Burschenschafter nicht zu begleiten. Diese Haltung muß schon aus dem Grund kritisiert werden, da das Ziel, den Burschenschaften den Zugang zur Aula zu verhindern, zu diesem Zeitpunkt bereits erreicht war und so etliche AntifaschistInnen anstatt aktiv gegen die rechtsextreme Kundgebung zu demonstrieren, in der Universität verweilten. Als klar war, daß es zu zwei Verhaftungen gekommen war und die Burschenschaften gegenüber der Universität ihre Veranstaltung beendeten, versteckten sich die TeilnehmerInnen der antifaschistischen Kundgebung innerhalb der Universität, anstatt den Burschis einen gebührenden Abschied zuteil werden zu lassen.
Erwähnenswert erscheint noch, daß die zuspätgekommenen
Beamten der paramilitärischen Sondereinheit WEGA doch noch Gelegenheit
fanden, ihre Gesinnung zum Ausdruck zu bringen. Nachdem die Burschenschafter
weg waren, verabschiedeten sich die Insassen eines Einsatzfahrzeuges von
ihren KollegInnen mit zum Gruß erhobenem rechten Arm.
aus: TATblatt Nr. +98 (10/98) vom 22. Mai 1998
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