Timur und sein Trupp: Interim 343/1995 [ zurück ]
"Vielleicht das konkret der 90er? meinte ein Bekannter. Er lag falsch. Was "Die "Beute"" werden könnte, wäre eine Art Neuauflage des konformistischen Kuteht man sich als "Zeitschrift für radikale linke Kritik", die theoretische Reflexion und politische Aktivität zu vermitteln sucht." Gegen derlei Absichtserklärungen läßt sich wenig sagen, wohl aber gegen den obsolet selbstgewissen und hübsch verquasten Ton, in dem sie vorgetragen werden." W. Höbel, Süddeutsche Zeit. 21.3.1994
Die Gründung einer Zeitschrift namens "Die "Beute"" kommt zu einem Zeitpunkt wo offenkundig ist, daß sich das asbach-uralt-linke Intelligenzblatt Konkret nicht mehr aus seinen realsozialistisch fundierten Stereotypen und Schablonen wird lösen können. So ist die "Beute" ein Forum für eine neue, zuweilen schreibwütige 80er-Jahre Generation linker Intelligenzler die sich ihren auf Sozialhilfesatz entlohnten Platz auf einen zunehmend kleiner werdenden Konsumentenmarkt suchen.
Die "Beute" bemüht sich in ihrer Konzeption darum den Anschein zu erwecken, als würde sie sich wie eine Spinne im Netz verschiedener Subszenen, darunter auch das was von ihnen als "Autonome" verstanden wird, zu bewegen. Das ist eigentlich schon prekär genug, aber immerhin auch ein Ausdruck davon, daß das was die "Autonomen" in den 80er Jahren einmal waren, zumindestens eines erreicht hat: Sie haben in der Publizistik ein neues Label als Marktsegment eröffnet, eine im florierenden Metropolenkapitalismus völlig normale Innovation", nicht mehr. Das Titelcover mit dem programmatischen Untertitel eine Zeitschrift für "Politik und Verbrechen" sein zu wollen, soll dabei wahrscheinlich gefährlich klingen. Ob sich denn bisher überhaupt "Politik" oder wenigstens ein bißchen "Verbrechen" in dieser Zeitschrift ereignet hat ?
Eine flüchtige Durchsicht der bisher vorliegenden "Beute"-Ausgaben zeigt uns zunächst einmal, daß natürlich nicht alles Müll ist was dort so geschrieben steht. Immer mal wieder läßt sich in der ein oder anderen Ausgabe eine journalistisch-feuellitonistische Perle finden. Doch kann dieser Sachverhalt nicht darüber hinwegtäuschen, daß diese Zeitschrift bislang weder ein in sich stimmiges Konzept, geschweige denn eine eigenständige politisch-bissige Idee besitzt. Da wechselt sich an Themen so alles im Geratewohl munter wie beliebig ab; da weiß das in aller Regel so borniert wie selbstgefällig daher kommende Editorial nicht, was auf den folgenden 100 Seiten noch folgt, geschweige denn warum. Es steht zu vermuten, daß die schlichte Nachfrage nach dem politischen Anliegen der "Beute" seitens der Blattmacherinnen nur als eine unterträgliche Provokation empfunden werden kann.
Den Gesetzen des Marktes folgend, gehört es zur Grundkonzeption dieser Zeitschrift, daß darin keine Genossen/innen sondern "Autoren" schreiben, die nach Möglichkeit schon einen "Namen" (wie z.B. W. Droste) haben oder sich mit dieser Zeitschrift einen machen wollen. Immerhin haben sich ja auch schon zwei "Beute"-"Autoren" in die Spalten des völkischen SPIEGEL plazieren können. Das Unangenehme, ja geradezu skandalöse an der "Beute"-Praxis besteht im wesentlichen darin, daß sich unter ausdrücklicher Bezugnahme auch auf die autonome Scene eine demonstrative Form der konkurrenz-kapitalistischen Vergesellschaftung vollzieht. Die dabei vorausgesetzte mühsame solidarisch-politische Assoziation von Anderen ist darin für einige "Beute"-"Autoren" ganz sicher nur eine bloße Ressource des eigenen privaten, auch materiell interessierten Renomee- und Platzvorteils. Die kontinuierlich im redaktionellen Umfeld der "Beute" betriebene Pose eines aufdringlich klappernden Solidaritätsressourcenmanagements ist dafür ein beredter Ausdruck: "Linksradikalität" antäuschen, um dann doch nur Marktradikalität zu praktizieren.
Die in einigen "Beute"-Texten vorgenommene Kritik an dem PC-Gebaren von "Anderen" speist sich dabei immer nur aus der schlichten Perspektive, selber die PC-Punkte verteilen zu wollen. Eine klägliche Politik des "nun wirklich Hip-Seins" und "Recht-haben" wollens, in der auch der geschäftstüchtige Opportunismus seinen ihm angemessenen Platz hat. Und in diese Konzeption gehört die zuweilen aufdringliche Selbstgewißheit, vor allem "Anderen" etwas vorzuwerfen, was sich einem selbst noch nicht einmal als zu reflektierende Frage stellt.
Nachdem schon der inhaltliche Schwerpunkt der Frühjahr-95 Ausgabe "Autonomie und Bewegung" mit beliebig zusammengeramschten Texten konzeptionell völlig in der Luft hing, wurde auch noch in der nachfolgenden Sommer-Ausgabe ein nun wirklich von Kenntnis ungetrübtes, gehässiges Vorwort über den Verlauf des Autonomie-Kongresses nachgeschoben. Wovon man nicht sprechen kann, davon soll man lieber schweigen. Wenn sich aber Ahnungs- und Prinzipienlosigkeit selbst auch noch als politische Position feiert, dann stellt sich das tatsächlich als ein Verbrechen dar; und daß nicht nur an einem Maßstab intellektueller Redlichkeit und Vernunft, sondern auch am einem Milieu, mit dem man öffentlich kokettiert, und dessen Strukturen man zugleich kalt auszubeuten beabsichtigt. Ein Mythos ist es zu glauben, daß der Räuber so dumm sei, sich an den Mächtigen zu vergreifen. Gemein und voller Heimtücke schnappt er sich seine "Beute" allemal lieber von den Beherrschten, denn dort ist sie bekanntlich erheblich billiger zu haben.
Vielleicht kann es dieser Zeitschrift in absehbarer Zukunft doch gelingen, besser zu werden als ihr fragwürdiger Titel. Bislang jedenfalls besitzt die "Beute" esoterisch gesprochen - "wirklich keinen guten Geist". Sie ist ja noch nicht einmal interim, nur ephemer.
Timur und sein Trupp
Interim 343/1995