Dieses Dokument ist Teil des Buches Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg, 1998
Kapitel 3.4
Die Financial Times meldet, dass die britische Schiffbauindustrie(Vosper Thornycroft) einen argentinischen Auftrag für den Bau von sechs Fregatten an B + V verloren habe. B+V-Vorstandsmitglied Dr. Budczies wiegelt ab,es werde um den Bau lediglich einer Fregatte verhandelt, räumt allerdings ein, dass gegebenenfalls noch fünf weitere Fregatten in Argentinien gebaut werden sollen.1
B + V erhält von der Prefectura Naval Argentina den Auftrag zum Bau von 20 kleinen ,Zollkreuzern" des Typs Z-28.
Die argentinische Marine bestellt sechs Fregatten des Typs MEKO 360, von denen zwei in Hamburg und vier in Argentinien gebaut werden sollen. Bei der Vertragsunterzeichnung in Buenos Aires wird B + V durch die Vorstandsspitze (Bartels und Budczies) vertreten.
Der Auftrag vom 11.12.1978 wird dahingehend abgewandelt, dass nunmehr vier Fregatten MEKO 360 in Hamburg und sechs Korvetten MEKO 140 mit Hilfe von B + V auf einer argentinischen Staatswerft gebaut werden sollen.
Der "Zollkreuzer"-Auftrag dürfte einen Wert in der Grössenordnung von ca. 100 Mio. DM gehabt haben. Den Lieferwert für die zunächst geplanten sechs Fregatten gab die Financial Times mit über 500 Mio. Pfund Sterling (über 1,9 Mrd. DM) an. Die Kosten pro Fregatte MEKO 360 lagen nach Preisen von 1978 bei deutlich über 300 Mio. DM. 1983 wurde der Wert der vier Fregatten bereits mit rd. 1,5 Mrd. DM beziffert.2 Rechnet man - vorsichtig geschätzt - 600-700 Mio. DM für die sechs in Argentinien zu fertigenden Korvetten hinzu, ergibt sich ein Gesamtauftragswert von weit über zwei Milliarden DM.3
Die Grundvoraussetzung für das Geschäft schuf der Staatsstreich des argentinischen Militärs am 24. März 1976. Zwei Hauptlinien waren seitdem in der Politik der Militärdiktatur zu erkennen: nach innen rücksichtslose Liquidierung revolutionärer, gewerkschaftlicher und sonstiger oppositioneller Kräfte, nach aussen forcierte Aufrüstung der Armee.
Von den Aufträgen der argentinischen Armee profitierten zahlreiche deutsche Rüstungsunternehmen, aber die allergrössten Brocken gingen auffälligerweise an Töchter des Thyssen-Konzerns.4 Es handelte sich dabei um Grossprojekte, bei denen jeweils auch neue Rüstungskapazitäten in Argentinien aufgebaut werden sollten: die Fertigung des mittelschweren Kampfpanzers TAM und des Schützenpanzers VCI (Thyssen Henschel, Kassel und Thyssen Edelstahlwerke, Düsseldorf), den Bau von U-Booten (Thyssen Nordseewerke, Emden) und die Produktion von Überwasserkriegsschiffen (B + V, Hamburg). Es ist eine naheliegende, aber bisher nicht belegte Vermutung, dass die mit Argentinien stark verbundenen Haupterben und Grossaktionäre des Thyssen-Konzerns, Anita Gräfin Zichy-Thyssen und ihre dort als Grossgrundbesitzer lebenden Söhne Federico und Claudio Graf Zichy-Thyssen, bei der Akquisition persönlich mitgeholfen haben.
Die Vorstände von Thyssen und B + V hatten keinerlei Hemmungen, mit dem kriminellen Militärregime in Verhandlungen zu treten. Es kann ihnen nicht entgangen sein, mit wem sie es zu tun hatten. Seitdem im April und Mai 1976 die verstümmelten Leichen von Folteropfern an der Küste Uruguays angeschwemmt worden waren5 war davon auszugehen, dass im Nachbarland Staatsterroristen am Werke waren. Amnesty international berichtete regelmässig über die Übergriffe gegen Zivilpersonen, und der erschütternde Bericht der argentinischen Menschenrechtskommission wurde 1977 auch in Deutschland veröffentlicht.6
Aussenpolitisch heizte Argentinien in dieser Zeit den Konflikt mit Chile um die Beagle-Inseln bei Kap Horn durch provokative Flottenmanöver (Ende 1977), die Ablehnung eines internationalen Schiedsspruchs (Januar 1978) und das Scheiternlassen weiterer Vermittlungsbemühungen (November 1978) systematisch an. Die Spannungen erreichten im Dezember 1978 ihren Höhepunkt; Argentinien und Chile standen am Rande eines Krieges (der dann in letzter Minute durch eine Intervention des Papstes verhindert wurde).7 Die Unterzeichnung des Fregattenvertrags am 11. Dezember 1978 hatte im Rahmen dieses Konflikts selbst den Charakter einer Drohgebärde gegenüber Chile. Im Grunde war die Bereitschaft von Thyssen und B + V, die argentinische Aggressionspolitik zu unterstützen, nach Artikel 26 des Grundgesetzes verfassungswidrig und hätte bestraft werden müssen.
Schlüsselfigur sowohl bei dem ,schmutzigen Krieg" nach innen als auch bei den Verhandlungen um die Kriegsschiffsaufträge war Admiral Emilio Massera, von 1976 bis Ende 1978 Marineoberbefehlshaber und Mitglied der dreiköpfigen Junta. Massera war innerhalb der Regierung Exponent des nationalistischen Hardliner-Flügels und drängte 1977/78 mit Nachdruck auf einen Krieg gegen Chile wegen der Beagle-Inseln. Wegen seiner Brutalität war Massera selbst in den eigenen Reihen gefürchtet. Besonders berüchtigt war das unter seiner Leitung eingerichtete Folterzentrum in der Technischen Marinehochschule (ESMA), in dem mehrere tausend Gefangene sadistisch gequält und sehr viele umgebracht wurden.8 1985, nach der Rückkehr Argentiniens zur parlamentarischen Demokratie, wurde Massera wegen der Mordexzesse zu lebenslanger Haft verurteilt (1990 durch Generalamnestie begnadigt).
Derselbe Admiral Massera hielt sich während seiner Amtszeit als Marinechef auch verschiedene Male diskret in Europa auf. Ende Oktober 1978 wurde er in der Thyssen-Zentrale in Düsseldorf empfangen, wo er mit Konzernchef Dieter Spethmann Einzelheiten der bevorstehenden Kooperation beim Fregatten- und U-Boot-Bau besprach.9 Es gibt Hinweise darauf, dass bei den vorangegangenen Verhandlungen um die Kriegsschiffsaufträge höchst dubiose Einflusskanäle im Spiel waren. Massera war selbst Mitglied der italienischen Geheimloge P 2 und unterhielt enge persönliche Beziehungen zu dem ,Grossmeister" dieser kriminellen Vereinigung, Licio Gelli.10 Dieser besorgte Massera z.B. 1977 eine offizielle Einladung zum Besuch des italienischen Rüstungskomplexes in La Spezia. Berichten zufolge verdankte die italienische Firma Selenia der Vermittlungstätigkeit Gellis den Auftrag zur Lieferung von Raketensystemen für die argentinischen Fregatten. Im Zusammenhang mit der Vertragsunterzeichnung soll der Chef von Selenia ebenfalls Mitglied der Loge P 2 geworden sein. Aber auch für die Beziehungen Argentiniens zu anderen westeuropäischen Ländern war nach Recherchen des renommierten amerikanischen Journalisten Martin Edwin Andersen die Schiene Massera - Gelli von massgeblichem Einfluss.11 fast zwangsläufig schliesst sich die Frage an : hatte Gelli seine Hände auch bei der Auftragsvergabe an Thyssen/B + V im Spiel? Und wenn nicht, mit welchen ,Argumenten" konnten die Deutschen dann die Konkurrenz ausstechen? Technische Kriterien geben bei solchen Rüstungsgeschäften nach aller Erfahrung selten allein den Ausschlag...
Zu dem Nachfolger Masseras im Amt des argentinischen Marineoberbefehlshabers, Konteradmiral Armando Lambruschini, unterhielt B + V ebenfalls gute Beziehungen; unter ihm erfolgte 1979 die Modifizierung und Erweiterung des Auftrags. Im Dezember 1980 hat Lambruschini Deutschland und dabei offenbar auch B + V besucht.12 Weil unter ihm bei der Marine mindestens ein Haftzentrum, in dem systematisch gefoltert wurde, weiterbestand, wurde er 1985 zu acht Jahren Haft verurteilt.13
Ungeachtet der eklatanten Menschenrechtsverletzungen, ungeachtet des sich gefährlich zuspitzenden Konflikts zwischen Argentinien und Chile um die Beagle-Inseln, auch trotz der weiterschwelenden argentinisch-brasilianischen Rivalität glaubte die sozialliberale Regierung in Bonn, die deutsche Industrie bei ihren Rüstungsexporten nach Argentinien unterstützen zu müssen. Der damalige Staatsminister im Auswärtigen Amt, Klaus von Dohnanyi, Hamburgs späterer Bürgermeister, nannte bereits im Juni 1977 ein geostrategisches Motiv, das die Regierung Kriegsschiffslieferungen an die argentinische Diktatur positiv bewerten liess: ,Hier dürften wir im Hinblick auf die verstärkte Flottenpräsenz der Sowjetunion im Südatlantik eher ein Eigeninteresse an der Stärkung der argentinischen Flotte haben."14
Konkrete Informationen über das B+V-Geschäft hielt die Regierung solange zurück, bis die Unterschriften unter den Verträgen trocken waren. Als der SPD-Abgeordnete Norbert Gansel, der schon früh über die laufenden Verhandlungen informiert war, am 9. Juni 1978 die Bundesregierung fragte, ob sie den Fregattenexport nach Argentinien genehmigen würde, gab sich diese ahnungslos: Es liege nicht einmal eine Voranfrage über etwaige Genehmigungsaussichten vor, und gegebenenfalls würde ,die Entscheidung im Einklang mit den rüstungsexportpolitischen Grundsätzen der Bundesregierung getroffen werden" (Staatssekretär Grüner).15 Da die angesprochenen Grundsätze bekanntlich besagten, dass ,der Export von Kriegswaffen in die Länder ausserhalb des atlantischen Bündnisses grundsätzlich unterbleiben" sollten (und in Spannungsgebiete sowieso), konnte die Antwort nur so verstanden werden, dass die Bundesregierung das Geschäft untersagen würde. Ein Trick, wie sich bald herausstellte. Ein halbes Jahr später war der Liefervertrag unterzeichnet. Auf die im Februar 1979 erneut gestellte Frage des SPD-Abgeordneten Jungmann, ob die Regierung dem Fregattenexport die erforderliche Genehmigung erteilen werde, stellte Staatsminister von Dohnanyi klar, dass dies bereits geschehen sei. ,Nach Abwägung aller relevanten Gesichtspunkte", so lautete die Formulierung nun, sei dem Antrag deutscher Werften auf Ausfuhr von Fregatten nach Argentinien stattgegeben worden. Die rüstungsexportpolitischen Grundsätze der Bundesregierung würden ,bei Vorliegen besonderer Gesichtspunkte" durchaus Ausnahmen zulassen.16
Auf die von der Bundesrepublik 1980 erwirkte Aufhebung der exporthemmenden WEU-Tonnagebeschränkung beim Bau von Kampfschiffen ist bereits im Zusammenhang mit dem Nigeria-Geschäft hingewiesen worden.
Ob Bonn das Argentinien-Geschäft von B + V sogar durch Hermes-Bürgschaften absicherte, ist aufgrund der verwirrenden Informationspolitik der Bundesregierung unklar geblieben. Die Auskunft des Parlamentarischen Staatssekretärs Riedl vom 24. Mai 1989 klingt zwar eindeutig: ,Für Exportgeschäfte von Rüstungsgütern und Waffen nach Argentinien wurden keine Ausfuhrbürgschaften übernommen."17 Doch überzeugen konnte diese Aussage nicht, denn die Bundesregierung hatte zumindest im Falle des U-Boot-Geschäfts mit Argentinien am 30.11.1977 die Gewährung einer Bundesbürgschaft über 340 Mio. DM beschlossen und dies auch offiziell zugegeben.18 Wenn aber für U-Boot-Lieferungen Bundesbürgschaften gewährt wurden, warum dann nicht auch für die ein Jahr später zwischen denselben Geschäftspartnern vereinbarten Fregattenlieferungen? Im 1983 erschienenen ,Schwarzbuch Hamburg - Dritte Welt" findet sich folgende Einschätzung: ,Bei den Kriegsschiffen für Argentinien kann ebenfalls von einer Bundesbürgschaft ausgegangen werden, zumal Argentinien das am dritthöchsten verschuldete Land der Welt ist und ein reibungsloser Ablauf der Zahlungen daher nicht gesichert ist."19
Die Produktion der 20 sog. Zollkreuzer, die im Nachschlagewerk "Jane's Fighting Ships" als "Coastal Patrol Craft" aufgeführt werden, zog B + V in enormer Geschwindigkeit durch. Die ersten Boote wurden im April 1979 auf Kiel gelegt; und schon im Dezember 1979, ein gutes Jahr nach Auftragsvergabe, waren alle 20 fertig.20 sie erhielten Dieselmaschinen von MTU. Von einer Bewaffnung der Boote war beim Bau auf der Werft nichts zu sehen - mit Kanonen von Örlikon und Browning-Maschinengewehren wurden sie erst im Anschluss an ihre Verschiffung nach Argentinien ausgerüstet.
Waren die Patrouillenboote quasi der "Appetithappen" des Gesamtgeschäfts gewesen, stellten die vier in Hamburg zu fertigenden Fregatten das "Hauptgericht" dar, dem mit den Korvetten noch ein überreichlicher "Nachtisch" folgen sollte. Für den Bau der Fregatten (von den Argentiniern als ,Destructores" = Zerstörer bezeichnet) etablierte der Kunde bei B + V eine ,Subcomisión Naval" (Marine-Unterkommission). Dieser Bauaufsicht gehörten rd. 30 argentinische Ingenieure und Techniker an. Arbeitsrechtliche Probleme räumten Hamburgs Behörden aus dem Weg: Sie gestatteten den Argentiniern per Eintragung in den Pass ,die Tätigkeit als Informant bei Blohm + Voss".21
Name |
Kiellegung |
Stapellauf |
Indienststellung |
Almirante Brown (D 10) |
08.07.80 |
28.03.81 |
02.02.83 |
La Argentina (D 11) |
30.03.81 |
25.09.81 |
04.05.83 |
Heroina (D 12) |
24.08.81 |
17.02.82 |
31.10.83 |
Sarandi (D 13) |
09.03.82 |
31.08.82 |
26.04.84 |
Verdrängung: 3.630 t, Länge: 119 m, Höchstgeschwindigkeit: 30 Knoten, Besatzung: 200
Hersteller der Waffensysteme
aus Frankreich: Ärospatiale (Exocet-Raketen), ...
(Bordhelikopter Aloütte III);
aus Italien:
Selenia/Elsag (Flugabwehrraketensystem Albatros), Oto Melara
(Hauptgeschütz), Breda Meccanica (vier Zwillingsgeschütze
und Täuschraketenwerfer), Whitehead (Torpedos)
Weitere Zulieferfirmen
aus Deutschland: AEG-Telefunken (elektr. Ausrüstung,
Peilsysteme), Siemens (Generatoren, Schaltanlagen u.a.), Krupp Atlas
Elektronik (Sonar), Hagenuk (Kommunikationssysteme), Anschütz
(Navigationssysteme), Escher Wyss (Verstellpropeller), -> C. Plath
(Kompass), -> VSG Verfahrenstechnik für Schiffsbetrieb
(Kühleinheiten), -> Fritz Barthel Armaturen (Ventile u.a.)
aus Grossbritannien: Rolls Royce (Gasturbinen), Hawker
Siddely (Antriebstechnik);
aus den Niederlanden: Hollandse
Signaalapparaten (Feuerleit- und Radaranlagen)
Zu den Stapelläufen, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden, lud B + V jeweils hochrangige Vertreter der argentinischen Diktatur ein. Offizielle Taufpatin für die erste Fregatte war die Frau des erwähnten Marineoberbefehlshabers Lambruschini; sie wurde dann aber durch die Frau des Konteradmirals Allara vertreten.22 Die Taufe des zweiten Schiffs "La Argentina" übernahm am 25. September 1981 die Gattin von Admiral Anaya, der gerade als Lambruschinis Nachfolger neuer argentinischer Marinechef geworden war. Anaya spielte bei der Vorbereitung des Falkland-Abenteuers eine zentrale Rolle und wurde später wegen der im Zusammenhang mit diesem Krieg begangenen militärischen Fehler zu 14 Jahren Haft verurteilt.23
Die Namen der Fregatten erinnern an Personen und Begebenheiten aus den Anfängen der argentinische Militärgeschichte, teilweise mit aktuellen Hintergedanken.24 Die "Almirante Brown" ist nach einem Seekriegshelden benannt, der den Spaniern 1814 vor Montevideo eine Niederlage beibrachte und im Krieg gegen Brasilien 1825-28 Befehlshaber der argentinischen Kriegsflotte war. Die Fregatte "La Argentina" hat eine berühmte Vorläuferin gleichen Namens, die auf ihren Abenteuerfahrten um 1818 bis nach Afrika und Hawaii vorstiess. Auch Fregatten mit den Namen "Heroina" (Die Heldische) und "Sarandi" hat es schon einmal gegeben: sie kamen 1820 und 1832 bei frühen argentinischen Versuchen zum Einsatz, die Falkland-Inseln zu erobern. Ursprünglich nimmt der Name "Sarandi" Bezug auf eine brasilianische Niederlage in der Schlacht von Sarandi im Jahr 1825.
Zum Produktionsort für die sechs MEKO-140-Korvetten (von den Argentiniern Fregatten genannt) wurde die Staatswerft Astilleros Fabricas Navales des Estado (AFNE) in der Marinebasis Rio Santiago unweit der Stadt La Plata bestimmt. Die Schiffe wurden, wie B + V nicht ohne Genugtuung vermerkte, "nach unseren Plänen und Arbeitsunterlagen mit dem von uns gelieferten Material und mit unserer technischen Assistenz" gebaut.25 Die Konstruktionsarbeiten hatte B + V 1980 "im wesentlichen abgeschlossen". Ende 1980 nahm das Beraterteam von B + V auf der AFNE-Werft seine Tätigkeit auf. Für die Korvetten lieferte das Hamburger Unternehmen auch die Dieselmotoren vom Typ S.E.M.T.-Pielstick aus der eigenen Maschinenbau-Produktion.26
Name |
Kiellegung |
Stapellauf |
Indienststellung |
Espora (41) |
03.10.80 |
23.01.82 |
05.07.85 |
Rosales (42) |
01.07.81 |
04.03.83 |
14.11.86 |
Spiro (43) |
04.01.82 |
24.06.83 |
21.11.87 |
Parker (44) |
02.08.82 |
31.03.84 |
17.04.90 |
Robinson (45) |
06.06.83 |
15.02.85 |
..... |
Gomez Roca (46) |
01.12.83 |
14.11.86 |
..... |
Verdrängung: 1700 t, Länge: 86,4 m, Höchstgeschwindigkeit: 27 Knoten, Besatzung: 93
Hersteller der Waffensysteme
aus Frankreich: Aerospatiale (Exocet-Raketen); aus Italien: Oto Melara (Hauptgeschütz), Breda Meccanica (Zwillingsgeschütze), Whitehead (Torpedos)
Am 2. April 1982 besetzten argentinische Kommandotruppen im Handstreich die seit 1833 von Grossbritannien verwalteten Falkland-Inseln, die von den Argentiniern "Islas Malvinas" genannt werden. Damit begann ein absurder Krieg, der über 1.000 argentinischen und britischen Soldaten das Leben und am Ende der argentinischen Militärdiktatur die Macht kosten sollte. Zu den schwimmenden Einheiten, die bei der Besetzung eingesetzt wurden, gehörten zwei der von B + V gelieferten Patrouillenboote: "Rio Iguazu" und - welche Symbolik - "Islas Malvinas". Beide wurden im Laufe des Kriegs beschädigt und dann von den Briten erbeutet; die "Islas Malvinas" hiess fortan "Tiger Bay".27
Von den anderen bei B + V und TNSW bestellten Kriegsschiffen war zum Zeitpunkt der Falkland-Eroberung noch keines an die argentinischen Streitkräfte abgeliefert. Es erscheint unerklärlich, warum die Junta schon vor der Indienststellung der Fregatten, Korvetten und U-Boote losschlug. Hätte sie gewartet, bis all diese hochmodernen Kriegsschiffe zur Verfügung standen, wäre die argentinische Flotte nach Ansicht des deutschen Militärexperten Jürg Meister "beinahe ebenbürtig" gewesen 28, mit anderen Worten: die Zahl der britischen Kriegstoten wäre wesentlich höher gewesen. Doch die argentinische Militärführung wollte den Coup nicht länger aufschieben, da sie glaubte, mit einem erfolgreichen Feldzug von der schweren sozialen Krise des Landes ablenken und ihre innenpolitisch angeschlagene Machtstellung wieder festigen zu können.
Bei Thyssen und B + V löste der Krieg vorübergehend grosse Verunsicherung aus; das Riesengeschäft schien gefährdet. Am 7. April 1982 beschloss die deutsche Regierung zugunsten von NATO-Partner Grossbritannien ein Waffenembargo gegen Argentinien. B + V sah allerdings keinen Anlass, den Bau der Fregatten einzustellen. Für den Fall, dass sich die öffentliche Meinung nun generell und dauerhaft gegen die Auslieferung der Kriegsschiffe an Argentinien wenden sollte, drohte das Unternehmen vorsorglich mit der Keule des Arbeitsplatzarguments. Sollte politischer Druck das Argentinien-Geschäft gefährden, so erklärte man, " wären schwere Beschäftigungseinbrüche unvermeidlich, denn dieser Bauauftrag macht fast zwei Drittel des Fertigungsvolumens von Blohm + Voss aus".29
Eine zusätzliche Schwierigkeit für B + V ergab sich daraus, dass der britische Turbinenhersteller Rolls-Royce die Mitarbeit beim Bau der für den Feind bestimmten Fregatten auf Weisung der Thatcher-Regierung sofort einstellte.30 Ohne die Spezialisten dieser Firma konnten die geplanten Probefahrten der ersten Fregatte "Almirante Brown" nicht stattfinden. Vor allem aber konnte B + V auf absehbare Zeit nicht damit rechnen, dass Rolls-Royce die noch ausstehenden Turbinen für die Fregatten "Heroina" und "Sarandi" liefern würde.
Doch bei Rüstungsgeschäften geschehen immer wieder wundersame Dinge. Bereits wenige Wochen nach der argentinischen Kapitulation hob die britische Regierung ihr Verbot von Zulieferungen für die Fregatten wieder auf (während ihr generelles Waffenembargo gegen Argentinien noch viele Jahre in Kraft blieb). Und am 22. September 1982 gab auch die Bundesregierung grünes Licht für die Auslieferung der Kriegsschiffe! Als wäre nichts geschehen, konnte B + V die vier Fregatten 1983/84 der argentinischen Marine übergeben. Im April 1984 verliess die "Sarandi" als letzte der vier Fregatten Hamburg mit Kurs Rio de la Plata.
Als wesentlich schwieriger erwies es sich für den Thyssen-Konzern und seine Töchter, die in Argentinien begonnene Korvetten- und U-Boot-Produktion weiterzuführen. Diese militärischen Prestigeprojekte vertrugen sich nicht mit der Demokratisierung des Landes. Die aus den Wahlen vom 30. Oktober 1983 hervorgegangene Zivilregierung sah sich angesichts der geplünderten Staatskasse und der gewaltigen Auslandsschulden in Höhe von 44 Mrd. US-Dollar (1984) nicht in der Lage, die Korvetten und U-Boote zu bezahlen. Gerne wäre sie von den Verträgen zurückgetreten; Bundeskanzler Kohl bestand aber bei seinem Besuch in Bünos Aires 1984 auf ihrer Einhaltung. Die Bundesregierung erklärte sich nur dazu bereit, alle argentinischen Kredite umzuschulden, was wohl einer "nachträglichen Subventionierung der Rüstungsexporte" gleichkam.31 Die argentinische Regierung gab sich in den folgenden Jahren der Hoffnung hin, die Korvetten wie auch die U-Boote32 an andere Länder verkaufen zu können und damit die Auslandsschulden zu verringern. Man baute also langsam an den Schiffen weiter. Nach dem ursprünglichen Zeitplan hatten alle sechs MEKO-140-Korvetten 1986 fertig sein sollen. Drei Korvetten ("Espora", "Rosales" und "Spiro") wurden 1985-87 tatsächlich in Dienst gestellt, im Jahr 1990 folgte noch eine vierte ("Parker"). Doch die Suche nach anderen Abnehmerstaaten, bei der hinter den Kulissen die deutsche Bundesregierung mitwirkteh, blieb erfolglos. Auch der Gedanke, die vier Korvetten an Taiwan zu verkaufen, liess sich nicht realisieren.34 Mit dem Weiterbau der zwei übrigen Korvetten hat sich Argentinien noch jahrelang herumgequält. 1992 hiess es, sie seien womöglich Ecuador, Griechenland und Portugal zum Kauf angeboten worden.35 1993 erklärte der argentinische Verteidigungsminister Gonzalez, mit den bisher fertiggestellten Korvetten sei das Bauprogramm beendet.36 Doch im Juli 1994 wurden die Arbeiten an den beiden Schiffen wieder aufgenommen, um 1995 erneut gestoppt zu werden. Wahrscheinlich würden sie verschrottet, meldete eine Fachzeitschrift 1995.37 Die Geschichte der Korvetten ist ein Musterbeispiel dafür, wie lange die Herrschaft verschwendungssüchtiger Militärs ein Land noch belasten kann und wie Rüstungskäufe statt zu dem angestrebten nationalen Machtgewinn eher zu verstärkter Abhängigkeit vom Ausland führen. Die Auslandsverschuldung Argentiniens erreichte 1994 eine Höhe von 75 Mrd. US-Dollar.
Als einziges Land Lateinamerikas stellte Argentinien 1990 Kriegsschiffe für den Golfkrieg gegen den Irak bereit. Präsident Menem entsandte die MEKO-360-Fregatte "Almirante Brown" und die MEKO-140- Korvette "Spiro" an den Golf - beide hervorgegangen aus der Kooperation mit B + V. Die argentinische Regierung bestritt, dass die Beteiligung an der von den USA geführten Militärstreitmacht darauf abzielte, die internationale Finanzgemeinschaft zu einem Entgegenkommen beim Abtragen des Schuldenbergs zu bewegen. Das Dementi bestärkte aber eher den Verdacht, dass es genau darum ging.38 B + V schlachtete den argentinischen Golfeinsatz indessen gleich dazu aus, um auf die Überlegenheit der MEKO- Technologie hinzuweisen: Die kurzfristig erforderlich gewordene Auswechslung eines Breda-Geschützes auf der "Almirante Brown" habe dank des MEKO-Container-Prinzips nur einen Tag gedauert.39 Die getarnte Ansiedlung einer argentinischen Waffeneinkaufsorganisation Zu dem Themenkomplex "Der Falklandkrieg und seine Folgen" gehört noch ein weiteres Kapitel, das auf die Zusammenarbeit zwischen B + V und der argentinischen Marineführung ein besonders grelles Licht wirft.40 Unmittelbar nach Beginn des Falklandkriegs verwies die britische Regierung die in London ansässige Waffeneinkaufsorganisation der argentinischen Marine (Comision Naval Argentina en Europa = CMNE) des Landes. Auf der Suche nach einem Ausweichquartier wurden die Argentinier in Hamburg fündig. Der Leiter der CMNE, Konteradmiral Gonzales, etablierte Ende April 1982 einen ersten Stützpunkt in Hamburgs Innenstadt, in der Mönckebergstrasse 27. Später stellte B + V der vielköpfigen argentinischen Kommission per Untermietvertrag einen Bürokomplex am Hafenrand (Vorsetzen 50) zur Verfügung. Darüber hinaus ermöglichte B + V es der CMNE, ihre Geschäfte mit anderen europäischen Rüstungsproduzenten ungeachtet des Waffenembargos in getarnter Form fortzusetzen. Die mit der Waffenbeschaffung befassten Offiziere wurden kurzerhand zu Mitgliedern jener Bauaufsicht ("Subcomision Naval") ernannt, die seit 1979 mit behördlicher Genehmigung den Fregattenbau bei B + V begleitete. Für das zivile Hilfspersonal der CMNE trat nach aussen B + V als Arbeitgeber auf. Dabei hatten viele Aktivitäten dieser Marinekommisssion nichts mit dem Fregattenprogramm zu tun. So bezog sich die später dem "Stern" in die Hände gefallene Korrespondenz der CMNE vom Oktober 1982 z.B. auf die Lieferung von 38.000 Stück 30-Millimeter-Granaten durch die ranzösische Munitionsfabrik "Manurhin Cusset". Der italienische Landminenproduzent Misar bedankte sich in einem Schreiben an die argentinische "Waffenabteilung" in Hamburg für die "prompte Zahlung der letzten Lieferung" - mit Produkten dieser Firma, der Antipersonenmine Misar-SB-83 und der Antipanzermine Misar-SB-81, hatte die argentinische Armee wenige Monate zuvor Landstriche auf den Falkland-Inseln vermint.41
Während die eigentlichen Mitglieder der Bauaufsicht ("Subcomision Naval") nach Abschluss des Fregattenprogramms 1984 nach Argentinien zurückkehrten, betrieb die übergeordnete CMNE ihre dunklen Geschäften von Hamburg aus weiter (vgl. auch den Abschnitt über die Torpedoproduktion von -> AEG). Wohl erst 1985/86 gingen die Hamburger Kripo und das BKA in Wiesbaden den Aktivitäten der argentinischen Marinekommission nach.
Durch eine vom "Stern" zitierte Aussage einer ehemaligen CMNE-Sekretärin entstand 1986 der Eindruck, dass Hamburgs Innensenator und Zweiter Bürgermeister Alfons Pawelczyk die Tätigkeit der argentinischen Kommission in aufenthaltsrechtlicher Hinsicht bisher abgedeckt hatte. B+V-Personalchef Tepel habe gegenüber dieser Mitarbeiterin in diesem Zusammenhang von einem "Sonderkanal Pawelczyk" gesprochen. Der Innensenator war seit 1981 Vertreter des Senats im Verwaltungsrat von B + V. Der Senat, von der GAL-Bürgerschaftsfraktion auf den "Stern"-Bericht angesprochen, wies Verdächtigungen, dass Pawelczyk "illegale Waffengeschäfte unter Verletzung seines Amtseides gefördert oder geduldet" hätte, empört zurück.
Was aus dem von der Staatsanwaltschaft Hamburg gegen die CMNE eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verstosses gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz geworden ist, ist nicht bekannt. Um 1987 ist die CMNE von Hamburg nach Bonn umgezogen.
Mit einer spektakulären Aktion begleiteten Hamburger Kriegsgegner und Kriegsgegnerinnen am 31. August 1982 den Stapellauf der letzten Argentinien-Fregatte "Sarandi", der eigentlich ganz ohne öffentliches Aufsehen hatte stattfinden sollen.42 Mit mehreren kleinen Schlauch- und Paddelbooten versuchten sie in das Hafenbecken von B + V vorzudringen, um so den für 15.44 Uhr angekündigten Stapellauf zumindest zu verzögern. B + V liess die Fregatte - nach erfolgter Taufe durch die Frau von Konteradmiral und CMNE-Chef Gonzales - jedoch 15 Minuten eher als erwartet ins Wasser rauschen, wobei sie einem bereits eingetroffenen Aktionsboot bedrohlich nahe kam. Zum gleichen Zeitpunkt demonstrierten mehrere hundert Leute vor den Werkstoren für eine Einstellung der Rüstungsproduktion bei B + V. Die Werftleitung liess die Tore schliessen, weshalb die von der Schicht kommenden Arbeiter das B+V-Gelände für einige Zeit nicht verlassen konnten. Es kam daher zu einer verbalen Konfrontation zwischen Belegschaftsangehörigen und Demonstranten. Trotz solcher Schwierigkeiten wertete die Hamburger Friedenskoordination die von ihr vorbereiteten Aktionen zu Wasser und zu Land als Erfolg, "da wir unser Ziel, die beabsichtigte Heimlichkeit dieses Stapellaufs zu durchbrechen, erreicht haben".43 Daran, dass von Hamburgs Bürgern und Bürgerinnen nur sehr wenige an dem Argentinien-Geschäft Anstoss nahmen, änderte sich allerdings nichts.
Bei dem Bonn-Besuch des argentinischen Staatspräsidenten Alfonsin im September 1985 kam es auch zu einer Begegnung mit Vertretern der Grünen. Diese traten gegenüber Alfonsin für eine Verschrottung der Kriegsschiffe ein; so könnte ein konkreter Beitrag zur Abrüstung geleistet werden. Die Bundesregierung forderten die Grünen auf, der argentinischen Regierung die noch nicht erfüllten Zahlungsverpflichtungen aus bundesdeutschen Rüstungslieferungen zu erlassen.44
Anmerkungen: